Schmelzende Gletscher gelten als Ikone des Klimawandels. Aber die Sachlage ist leider nicht so einfach, wie sie von einigen Akteuren dargestellt wird. Wir haben uns auf Spurensuche begeben. Was sagt die seriöse Fachliteratur? Zu Beginn unserer Gletscher-Rundreise hatten wir uns die Alpen und den Rest Europas angeschaut. Heute nun soll es nach Alaska gehen.
Auch hier schmelzen die Gletscher. Allerdings scheint dies kein ganz neues Phänomen zu sein, das unbedingt durch den Menschen verschuldet ist, sondern hat eher mit dem Ende der Kleinen Eiszeit und dem natürlichen Übergang in die Moderne Wärmephase zu tun. Eine Forschergruppe um Christopher Larsen konnte in einem Beitrag im Fachmagazin Tectonophysics zeigen, dass die Gletscher in Südost-Alaska bereits seit 1770 schrumpfen, 100 bis 150 Jahre bevor der Mensch den CO2-Gehalt der Atmosphäre begann zu beeinflussen.
Schaut man noch ein wenig tiefer in die Vergangenheit in die Zeit vor der Kleinen Eiszeit, stößt man auf weitere erstaunliche Fakten. Während der Mittelalterlichen Wärmephase besaßen viele Gletscher in Alaska eine ähnliche Ausdehnung wie heute, wie eine Arbeit eines Teams um David Barclay zeigt, die im Dezember 2013 in den Quaternary Reviews erschien (Abbildung 1). Auch damals, vor 1000 Jahren, gerieten die Eiszungen offenbar kräftig schwitzen und schrumpften in ähnlicher Weise wie heute. Im Unterschied zu heute gab es jedoch noch keine Satelliten, die diese Bewegungen millimetergenau protokolieren konnten. Und auch die Ureinwohner haben keine wissenschaftlichen Aufzeichnungen hierzu hinterlassen. Die natürliche 1000 Jahres-Zyklik wird deutlich, wenn man sich die Gletscherexpansionsphasen anschaut: Zu Zeiten der Kälteperiode der Völkerwanderungszeit (500 n. Chr.) sowie der Kleinen Eiszeit (1500 n. Chr.) wuchsen die Gletscher stark an (Abbildung 1).
Abbildung 1: Entwicklung der Ausdehnung von zwei Gletschern (a) im südlichen Zentralalaska während der vergangenen 2000 Jahre. Ausschlag nach oben markiert Abschmelzen, Ausschlag nach unten Eiszuwachs. Kurven in (b) zeigen Alpengletscher zum Vergleich. Die Gletscher hatten vor 1000 Jahren eine ähnliche Ausdehnung wie heute. Zu Zeiten der Kälteperiode der Völkerwanderungszeit (500 n. Chr.) sowie der Kleinen Eiszeit (1500 n. Chr.) wuchsen die Gletscher stark an. Quelle: Barclay et al. 2013.
Was könnte der Hauptauslöser dieser Gletscherzyklik sein? Das fünfköpfige Autorenteam um David Barclay äußern sich hier erstaunlich deutlich und sehen klaren Bezug zu Sonnenaktivitätsschwankungen. Im Folgenden die Kurzfassung der Arbeit:
Fluctuations of four valley glaciers in coastal south-central Alaska are reconstructed for the past two millennia. Tree-ring crossdates on 216 glacially killed stumps and logs provide the primary age control, and are integrated with glacial stratigraphy, ages of living trees on extant landforms, and historic forefield photographs to constrain former ice margin positions. Sheridan Glacier shows four distinct phases of advance: in the 530s to c.640s in the First Millennium A.D., and the 1240s to 1280s, 1510s to 1700s, andc.1810s to 1860s during the Little Ice Age (LIA). The latter two LIA advances are also recorded on the forefields of nearby Scott, Sherman and Saddlebag glaciers. Comparison of the Sheridan record with other two-millennia long tree-ring constrained valley glacier histories from south-central Alaska and Switzerland shows the same four intervals of advance. These expansions were coeval with decreases in insolation, supporting solar irradiance as the primary pacemaker for centennial-scale fluctuations of mid-latitude valley glaciers prior to the 20th century. Volcanic aerosols, coupled atmospheric-oceanic systems, and local glacier-specific effects may be important to glacier fluctuations as supplemental forcing factors, for causing decadal-scale differences between regions, and as a climatic filter affecting the magnitude of advances.
Angesichts dieser deutlichen natürlichen Zyklik wundert man sich schon sehr über die klimaalarmistische Instrumentalisierung der Gletscher Alaskas. Als Beispiel mag das Klimakatastrophen-Filmchen „Gletscher auf dem Rückzug – Das Ende des ewigen Eises?“ angeführt sein, das u.a. am 1. März 2011 auf Phoenix gelaufen ist. Im Begleittext zum Film heißt es:
Der weltweite Klimawandel ist für die Wissenschaft längst ein Faktum. Die uneingeschränkte Verbrennung fossiler Energieträger treibt die Erwärmung der Erde in dramatischem Tempo voran – der Wettlauf gegen die Zeit hat bereits begonnen. Der renommierte amerikanische Fotojournalist James Balog hat an mehr als zwei Dutzend Stellen rund um den Globus Zeitraffer-Kameras postiert: an aussagekräftigen Standorten wie dem grönländischen Eispanzer, in Alaska und auf Island, in den Rocky Mountains ebenso wie in den Alpen – wo die Gletscher in noch nie dagewesenem Tempo dahinschmelzen. […] In der Vergangenheit der Erde gab es zwar bereits eisfreie Zeiten. Der entscheidende Unterschied zur aktuellen Situation ist jedoch das Tempo, mit dem das Eis verschwindet: so haben die Gletscher der Alpen in den vergangenen 150 Jahren etwa die Hälfte ihrer Fläche eingebüßt – und die Eisreservoirs schmelzen immer schneller. In Alaska ist der Columbia-Gletscher 15 Kilometer kürzer als noch vor 25 Jahren, der Tyndall-Gletscher hat seit den 1960er Jahren gar 24 Kilometer seiner ursprünglichen Länge verloren.
Die behauptete Beschleunigung der Gletscherschmelze ist offensichtlich falsch. Bei Betrachtung von Abbildung 1 sieht man, dass die Gletscherschmelze während der Mittelalterlichen Wärmeperiode die gleiche Dimension und Rate besaß wie die moderne Entwicklung im 20. Jahrhundert. In beiden Fällen steigt die Kurve im Übergang zur Wärmeperiode steil an.
Als Beleg für die angeblich menschengemachte Gletscherkatastrophe führen die Filmemacher auch den schmelzenden Columbia-Gletscher an. Zwar passt diese Beweisführung gut in den Zeitgeist der Klimaangst, jedoch zeigt sich bei näherer Untersuchung leider auch schnell, dass die Behauptung wissenschaftlich nicht haltbar ist. In der FAZ vom 4. August 2014 berichtete Horst Rademacher hierzu:
KLIMAWANDEL: SONDERBARE GLETSCHERSCHMELZE
Der rasant schmelzende Columbia-Gletscher in Alaska galt als Modellfall für die Auswirkungen des Klimawandels in der Arktis. Aber warum nehmen andere Gletscher in der Region dann sogar an Eismasse zu?
Der Columbia-Gletscher in Alaska gilt gemeinhin als das Paradebeispiel für die Auswirkungen des Klimawandels auf die Arktis. In den vergangenen 35 Jahren hat dieser ins Meer mündende Gletscher etwa die Hälfte seiner Eismasse verloren. Insgesamt gelangten dabei 140 Milliarden Tonnen Eis ins Meerwasser, was deutlich zum beobachteten Anstieg des Meeresspiegels beigetragen hat. Forscher aus Amerika und Schweden zeigen aber nun, dass der Columbia-Gletscher offenbar ein ungewöhnlicher Sonderfall ist. Bei einer Untersuchung von zahlreichen Gletschern in Alaska und dem angrenzenden Kanada in den vergangenen Jahrzehnten hat sich herausgestellt, dass längst nicht alle Gletscher auf dem Rückzug sind. Die Eismassen von mehr als der Hälfte schwanken erheblich, und der größte Gletscher in der Region, der Hubbard-Gletscher, nahm sogar an Eismasse zu. […] Dass dieser Rückzug […] nur wenig mit dem Klimawandel zu tun hat, haben jetzt Robert McNabb von der University of Alaska in Fairbanks und Regine Hock von der Universität in Uppsala festgestellt, als sie das Verhalten des Columbia-Gletschers mit anderen Gletschern in Alaska verglichen. Die beiden Forscher werteten dazu die Kartierungen der Gletscherzungen von fünfzig Gezeitengletschern zwischen der Kenai-Halbinsel im Westen und den benachbarten kanadischen Gletschern im Südosten aus den vergangenen sechzig Jahren aus. Für ihre Analyse benutzten die Forscher sowohl topographische Karten als auch für spätere Zeiträume die Aufnahmen von Erderkundungssatelliten. Wie McNabb und Hock nun im „Journal of Geophysical Research“ […] berichten, ergibt sich kein einheitliches Bild. […] Inzwischen ist die Position der Zunge des Columbia-Gletschers stabil, und die Forscher erwarten, dass der Gletscher eine neue Gleichgewichtslage eingenommen hat. In einigen Jahren könne er allmählich wieder an Masse zunehmen und abermals expandieren.
Wieder einmal zeigt sich, dass man kurze Trends über wenige Jahre und Jahrzehnte nicht einfach langfristig, z.B. bis zum Ende des 21. Jahrhunderts, fortschreiben darf. Im Folgenden die Kurzfassung der erwähnten Studie von McNabb & Hock aus dem Februar 2014:
Alaska tidewater glacier terminus positions, 1948–2012
A significant portion of the world’s glacier ice drains through tidewater outlets, though much remains unknown about the response to recent climate change of tidewater glaciers. We present a 64 year record of length change for 50 Alaska tidewater glaciers. We use U.S. Geological Survey topographic maps to provide a base length for glaciers before 1970. Using all available cloud-free Landsat images, we manually digitize calving front outlines for each glacier between 1972 and 2012, resulting in a total of more than 10,000 outlines. Tidewater glacier lengths vary seasonally; focusing on the 36 glaciers terminating in tidewater throughout the study period, we find a mean (± standard deviation) seasonal variation of 60± 85 m a−1. We use these oscillations to determine the significance of interannual changes in glacier length. All 36 glaciers underwent at least one period (≥1 year) of significant advance or retreat; 28 glaciers underwent at least one period of both significant advance and retreat. Over the entire period 1948–2012, 24 of these glaciers retreated a total (± uncertainty) of 107.95±0.29 km, 11 advanced a total of 7.71±0.20, and one (Chenega Glacier) did not change significantly. Retreats and advances are highly variable in time; several glaciers underwent rapid, short-term retreats of a few years duration. These retreats occurred after large changes in summer sea surface temperature anomalies; further study is needed to determine what triggered these retreats. No coherent regional behavior signal is apparent in the length record, although two subregions show a coherence similar to recent observations in Greenland.
Der einkassierte Klimaalarm im Falle des Columbia Gletschers kommt nicht überraschend. Bereits 2010 hatte der AWI-Gletscherforscher Heinrich Miller in der Süddeutschen Zeitung vor vorschnellen Schlüssen gewarnt:
So habe der Columbia-Gletscher an der Pazifikküste Alaskas in den vergangenen Jahren sein Abschmelzen deutlich beschleunigt. Gletscher, die ins Meer ragen, sind an ihrem unteren Ende instabil, weil ihre Zungen häufig auf dem Wasser schwimmen. Die Erwärmung könnte das Abbrechen der Zungen bei vielen Küsten-Gletschern beschleunigen, meinen Meier und seine Kollegen. Die Prognose sei jedoch „gewagt“, findet der Gletscherforscher Heinrich Miller vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Aus wenigen Beobachtungen lasse sich kaum eine Gesamtprognose ableiten, zumal da unbekannt sei, wie viele Küsten-Gletscher es überhaupt gebe. Zudem sei das Verhalten der Eispanzer ungenügend bekannt. „Nachdem Gletscher sich beschleunigt haben, verlangsamen sie sich meist wieder“, sagt Miller. Warum sie eigentlich ihre Geschwindigkeit verändern, bleibe häufig unklar. Gleichwohl, so räumt auch Miller ein, müsse das schnellere Schrumpfen mancher Küsten-Gletscher noch genauer erforscht werden.
Und genau diese genauere Erforschungs ist nun erfolgt und entzieht alarmistischen Schmelzthesen den fachlichen Boden. Im Mai 2012 hatte auch der Spiegel bereits angedeutet, dass die IPCC-Beweisführung zum Columbia-Gletscher mit Vorsicht zu genießen ist:
Wenn sich die eisige Zunge eines Gletschers zurückzieht, hat das nicht immer etwas mit dem Klimawandel zu tun. Das muss man sich klar machen, wenn man sich das Schicksal des Columbia-Gletschers ansieht.
Nach und nach springen die angeblichen Kronzeugen der vorgeschlagenen Klimakatastrophe von Bord. Erst der Hockeyschläger, dann der Eisbär und jetzt auch noch die Gletscher. Allmählich wird es eng für die Anhänger des klimatischen Weltuntergangs.