Das Bayerische Fernsehen (BR) sendete im Rahmen seiner Reihe “Faszination Wissen” am 3. Juni 2012 einen Beitrag mit dem Titel “Falscher Klima-Alarm? Die Argumente der Skeptiker auf dem Prüfstand”. Die Sendung ist auf der BR-Webseite frei verfügbar. Auf einer großen Deutschlandrundfahrt besuchte der BR eine Vielzahl von Wissenschaftlern an den unterschiedlichsten Instituten, um sich von ihnen wichtige Punkte in der Klimadebatte erörtern und bewerten zu lassen. Die klimaskeptische Seite wird im Film durch Fritz Vahrenholt vertreten. Der BR begleitete ihn zu einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung in Stuttgart, von der im Laufe der Doku immer wieder Szenen eingespielt werden. Auf diese Weise entwickelt sich im Film ein fruchtbarer, virtueller Fachdialog zwischen den beiden Seiten der Klimadiskussion.
Im Folgenden wollen wir uns einmal die einzelnen Punkte anschauen, um die es in der Sendung ging:
Der kalte Februar 2012
Zunächst besuchte die BR-Crew Gerhard Hofmann vom Deutschen Wetterdienst in München. Er berichtet darüber, dass der letzte Winter (2011/2012) relativ warm war, mit Ausnahme der zweiwöchigen Extremkältephase im Februar 2012. Auch gibt er zu bedenken, dass aus der Wetterlage einzelner Jahre noch nicht auf das Klima geschlossen werden kann. Hofmann bestätigt, dass die globale Temperatur in den letzten 14 Jahren nicht mehr weiter angestiegen ist. Die Mittelalterliche Wärmeperiode hatte ein ähnliches Temperaturniveau wie heute. Ein sehr solider Auftritt von Gerhard Hofmann und ein guter Start für den Film.
Der CO2-Treibhauseffekt
Die Reise geht dann nach Jena an das Max-Planck-Institut für Biogeochemie zum Physiker Martin Heimann. Dieser macht einen deutlich weniger souveränen Eindruck als Hofmann zuvor. Mithilfe eines fragwürdigen „Experiments“ in einer Art leergelaufenen Aquarium versucht er den Zusehern den Treibhauseffekt zu beweisen. Suggestive Bilderchen von grünen Wiesen und rauchenden Schornsteinen deuten bereits an, dass es hierbei gar nicht so sehr um Wissenschaft geht. Ach wie schön wäre es, wenn man den Treibhauseffekt wirklich in einer kleinen Glasbox in der Größe eines Hamsterkäfigs belegen könnte. Man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass Heimann mit diesem Versuchsaufbau auch in Schulen und auf Volksfesten auftritt. Weiterhin versucht sich Heimann dann an einem seltsamen CO2-Beweis über einen ominösen Tag-/Nacht-Vergleich. Tags ist es wärmer als nachts, oder so etwas in dieser Art. Davon lässt sich nicht einmal der BR überzeugen, wie im anschließenden Kommentar aus dem off klar wird. Dann geht es um einen interessanten Umstand, den viele Menschen wohl bereits ganz verdrängt haben. CO2 ist der Treibstoff der Pflanzen, ohne dieses Gas können sie nicht leben und Photosynthese betreiben. In vielen Gewächshäusern werden bewusst CO2-angereicherte Bedingungen geschaffen, um das Pflanzenwachstum anzukurbeln. Zahlreiche Experimente haben gezeigt, dass sehr viele Pflanzen bei erhöhtem CO2-Gehalt deutlich besser wachsen und sogar zum Teil weniger Wasser benötigen (siehe z.B. co2science.org). Heimann hingegen druckst an dieser Stelle nur herum und verweist auf Sonderfälle, in denen zusätzliches CO2 das Wachstum nicht weiter ankurbelte.
Man muss dazu wissen, dass Heimann in der Vergangenheit Leitautor mehrerer IPCC Klimaberichte gewesen ist sowie von 1985-1998 in der IPCC-nahen Arbeitsgruppe von Klaus Hasselmann am Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie tätig war (siehe sein Online-Lebenslauf). Unter diesem IPCC-geprägten Hintergrund wird das wenig entgegenkommende Diskussionsverhalten von Heimann verständlich. Heimanns fragwürdigen Beiträge bringen die Diskussion im Film jedenfalls nicht voran.
Die aktive Sonne
Nächster Expertenstop auf der Deutschlandtour ist Carsten Denker, Leiter des Sonnenobservatoriums im Einsteinturm am Leibniz-Institut für Astrophysik in Potsdam. Der BR fragt ihn, ob es wohl stimmt, was die Skeptiker immer über die Sonne sagen, nämlich dass sie in den letzten Jahrzehnten besonders aktiv war. Denker bestätigt dies:
„Wenn wir uns die Sonnenfleckenaktivität in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts anschauen, im Vergleich zu den Aufzeichnungen die etwa 400 Jahre zurückgehen, stellen wir fest, dass diese Zyklen zu den stärksten gehören“.
Upps, das hat gesessen. Es stiegen also nicht nur Temperatur und CO2 an, sondern auch die Sonnenaktivität. Gut zu wissen. Ob die Sonne dann vielleicht irgendetwas mit der Erwärmung zu tun haben könnte? Nicht ausgeschlossen.
Kleine Märchenstunde mit Georg Feulner
Um die Klimawirkung der Sonne zu diskutieren, muss das BR-Team nur einige Meter weiter gehen, nämlich zum benachbarten Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Dort wartet bereits der Astrophysiker Georg Feulner auf seine Chance, die Sonne verbal zu neutralisieren. Zunächst jedoch muss er bestätigen, dass es gute Anzeichen dafür gibt, dass für die kommenden Jahrzehnte eher mit einer geringeren Sonnenaktivität zu rechnen ist. Dies habe aber klimatisch kaum etwas zu bedeuten, behauptet er dann, da ein neues „großes Sonnenminimum“ (solar Grand Minimum) lediglich einen Abkühlungsbetrag von 0,1 Grad Celsius einbringen würde. Dies würde dann bei der CO2-bedingten starken Klimaerwärmung in den kommenden Jahrzehnten kaum spürbar sein. Wer die Literatur ein wenig kennt, wird hier hellhörig, denn in einer Arbeit mit seinem Kollegen Stefan Rahmstorf schrieb Feulner 2010 in den Geophysical Research Letters noch, dass ein „großes Sonnenminimum“ etwa 0,3 Grad Abkühlung bringen würde. Erinnert er sich jetzt nicht einmal mehr an sein eigenes Paper? Dass natürlich auch dieser Betrag viel zu gering ist, können die meisten der Zuseher nicht wissen. Man braucht nur die vergangenen 10.000 Jahre anzuschauen, dann wird schnell klar, dass jedes einzelne der im Millenniumstakt auftretenden großen Sonnenminima mindestens 1 Grad Abkühlung gegenüber den warmen, sonnenaktiven Phasen eingebracht hat (siehe S. 68-75 in „Die kalte Sonne“ sowie Sebastian Lünings kürzlicher Vortrag auf der International Conference on Climate Change).
Ein besonders schönes Beispiel für solch eine Solarflauten-bedingte Abkühlung ist die Kleine Eiszeit im 15.-19. Jahrhundert. Die Sonnenaktivität lag am Boden und die Temperaturen fielen weltweit. Wie konnte dies passieren, wenn die Sonne laut IPCC und Feulner kaum eine Klimawirkung hat? Der aktuellste IPCC-Reparatur-Patch hierzu sind Vulkanausbrüche. In der BR-Sendung behauptet Feulner, dass der Großteil der Abkühlung in der Kleinen Eiszeit auf Vulkane zurückzuführen wäre und die Sonne nur einen kleinen Beitrag zusteuert habe. Dieses Argument haben wir kürzlich bereits in einem gesonderten Blogartikel behandelt, in dem wir feststellen konnten, dass das Vulkanmodell nicht stichhaltig ist (siehe Die Kleine Eiszeit als weltweite Kältephase: Welche Rolle spielten die Vulkane?). Weder Zeitpunkt noch Häufigkeit der angenommenen Ausbrüche können die bekannte Temperaturentwicklung plausibel erklären. Und wenn die Kleine Eiszeit durch Vulkane bedingt war, wie steht es dann mit den 8 vorangegangenen „Kleinen Eiszeiten“ die jeweils in sonneninaktive Phasen fielen? Auch alles Vulkanausbrüche? Und der zeitgleiche Rückgang der Sonnenaktivität jedes mal jeweils nur Zufall? Aus wissenschaftlicher Sicht schlichtweg unmöglich.
Bei seinem Versuch, das Problem der Kleinen Eiszeit aus dem Weg zu räumen, passiert Feulner dann noch ein grober Schnitzer, der den Filmemachern eigentlich hätte auffallen sollen. Mit ernstem Gesicht berichtet Feulner den Zusehern, dass es während der Kleinen Eiszeit ein halbes Grad kälter war. Wie bitte? Bereits gegen Ende der Kleinen Eiszeit 1850 war es doch 0,8 Grad kälter als heute. Und im Vergleich zur kalten Kernphase der Kleinen Eiszeit kommen da noch einige frostige Zehntelgrade hinzu, so dass es damals also mindestens ein Grad kälter war als heute (siehe Abbildung in unserem Blogartikel „Starke Sonne drängt den Staub am Aralsee zurück: Feuchtere Zeiten während Wärmeperioden“). Was steckt hinter Feulners fragwürdiger Aussage?
Svensmark Solarverstärker
Die filmische Klimakarawane zieht dann weiter zur Frage, wie es die Sonne eigentlich schafft, das Klima zu beeinflussen. Fritz Vahrenholt erläutert im Film, dass die Schwankungen der solaren Gesamtstrahlung in der Tat zu gering sind, um größere Klimaschwankungen zu verursachen. Aus diesem Grund werden Solarverstärkerprozesse benötigt, für die es gute wissenschaftliche Hinweise gibt, die sich aber noch in der Erforschung befinden. Im Film wird dann der vom IPCC ungeliebte Solarverstärker von Henrik Svensmark vorgestellt (siehe Kapitel 6 in „Die kalte Sonne“). Auch Svensmark selbst wird kurz dazu interviewt. Im Anschluss daran kommt die Gegenseite in Person von Andreas Macke vom Leibniz Institut für Troposphärenforschung in Leipzig zum Zug. Macke bestätigt, dass die kosmische Strahlung im Takte der Sonnenaktivität schwankt. Er bestätigt auch (offensichtlich basierend auf den CLOUD-Experimenten am CERN), dass mehr kosmische Strahlung zu mehr Aerosolen in der Atmosphäre führt. Dann jedoch greift er den noch laufenden Untersuchungen am CERN vor und äußert seine persönliche Meinung, dass er nicht daran glaube, dass dies einen Effekt auf die Wolkenbildung hätte. Seltsam, denn in Phase 2 des derzeit noch laufenden CLOUD-Projektes soll genau dies herausgefunden werden. Reell wäre es gewesen, hierauf hinzuweisen. Auch geht Macke mit keinem Wort auf die vielen publizierten positiven Hinweise für eine Kopplung von Wolken und kosmischer Strahlung ein, z.B. sogenannte Forbush Ereignisse (siehe auch Svensmarks Gastbeitrag auf S. 209-219 in unserem Buch „Die kalte Sonne“ sowie seinen Blogbeitrag vom 16.2.2012 „Henrik Svensmark weist Kritik an seinem Solarverstärker-Modell zurück“ sowie den faszinierenden arte-Film hierzu, „Das Geheimnis der Wolken“).
Der BR hat seine Hausaufgaben gemacht und weist Macke darauf hin, dass es doch eine gut dokumentierte Korrelation zwischen kosmischer Strahlung und Wolken gäbe. Daraufhin muss Macke zugeben, dass dies wohl stimme, dies aber nur für bestimmte Zeitabschnitte gelten würde. Für längere Zeiträume würde dies natürlich nicht gelten. Man würde Macke gerne die Frage stellen, wie denn die gute Korrelation während der kürzeren Zeitabschnitte zu erklären wäre. Alles nur purer Zufall? Wir wissen doch, dass das Klimasystem komplex ist und sich verschiedenste Prozesse überlagern können. Sollte die abschnittsweise unbestritten gute Korrelation nicht Grund genug sein, dieser Sache ernsthaft nachzugehen? Wer sich etwas näher mit der Problematik beschäftigt, weiß auch, dass sich die Korrelation durchaus auch über längere Zeiträume nachweisen lässt, wenn verschiedene Wolkenstockwerke und Regionen der Erde differenziert werden.
Mackes Kritik am Svensmark-Model wird vielleicht etwas verständlicher, wenn man weiß, dass Macke zuvor am Kieler Geomar-Institut beschäftigt war, wo er u.a. mit dem sonnenskeptischen Mojib Latif zusammenarbeitete (siehe unser Blogartikel „Extreme Ansichten auf dem Extremwetterkongress: Anti-Sonnen-Beweisführung à la Latif“).
Der Weltklimarat
Gegen Ende der Sendung geht es um die Arbeit des Weltklimarats. In einem Tagungshotel in Gera besucht das Filmteam eine Konferenz der deutschen IPCC-Beteiligten. Die Koordinatorin Christiane Textor versichert den Zusehern, dass die „IPCC-Berichte das Beste sind was man im Moment auf die Beine stellen kann.“ An dieser Stelle hakt der BR goldrichtig ein und verweist auf die peinliche Pannenserie, allen voran die schlimme Himalaya-Pleite. Auch die vielen anderen in unserem Buch „Die kalte Sonne“ beschriebenen Ungereimtheiten sprechen nicht gerade für den angeblichen „Gold-Standard“ dieses Gremiums. „Das Beste“ ist leider nicht immer gut genug. Zum Thema IPCC-Qualität und Himalaya befragen die BR-Filmemacher dann schließlich auch Hans von Storch vom Geesthachter Helmholtz-Zentrum. Der redet nicht lange um den heißen Brei herum und stellt nüchtern fest, dass in der entsprechenden Arbeitsgruppe wohl insgesamt schlampiger gearbeitet wurde. Und noch deutlicher sagt er dann: „Hier hat der Wunsch nach dem richtigen Resultat wohl mit den Griffel geführt“. Klare Worte.
Übrigens, wer die kritische Analyse von Donna Laframboise zum IPCC noch nicht kennt, dem sei die Lektüre ihres faszinierendes Buches „The Delinquent Teenager Who Was Mistaken for the World’s Top Climate Expert” wärmstens empfohlen.
Letzte Worte
Mit Hans von Storch endet die Experten-Rundreise. Es wurden viele interessante Einzelaspekte beleuchtet. Einige der befragten Wissenschaftler beteiligten sich in vorbildhafter Weise an der virtuellen Diskussion. Andere hingen warfen wie gehabt weiter Nebelkerzen und verschwiegen den Zusehern wichtige Mosaiksteinchen um ihre eigene IPCC-gestützte Version der Ereignisse zu befördern. Man muss dem BR trotzdem danken, diese Plattform angeboten zu haben. Der Verzicht auf laute IPCC-Unterstützer der ersten Reihe wie etwas Stefan Rahmstorf, Mojib Latif oder Jochem Marotzke hat die Diskussion weitergebracht. Plötzlich kommen Zwischentöne in der Diskussion zum Vorschein, die in der Vergangenheit viel zu oft verlorengegangen sind. Die abschließenden Sätze der Moderatorin Iska Schreglmann passen leider nicht ganz in das sonst ausgewogene Konzept des Films. Trotzdem sollten beide Seiten der Klimadebatte zufrieden sein mit dem Ergebnis der Doku. Ein kleiner Sieg der Wissenschaft über die Ideologie.
Siehe auch Rezension der Sendung auf EIKE sowie niederländischer Artikel im dagelijkse Standaard.