Filmkritik: Mit der Tara ins Herz des Klimawandels

Vor kurzem lief auf arte der Dokumentarfilm “Mit der Tara ins Herz des Klimawandels”. Aus dem etwas mysteriös klingenden Titel wird man zunächst nicht richtig schlau. Erst wenn man hört, dass es sich bei der Tara um ein Segelschiff handelt wird einiges klarer. Im Prinzip handelt der Film von acht Männern, die sich 2006 mit ihrem Boot im arktischen Packeis einschließen lassen, um mit durchschnittlich einem halben km/h über den Nordpol zu driften. Die Idee ist nicht ganz neu. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts hatte Fridtjof Nansen mit seinem Schiff Fram eine solche Expedition unternommen. Die Neuauflage der Fahrt fand im Rahmen des europäischen Forschungsprojektes Damocles statt, das den Klimawandel in der Arktis zu ergründen sucht. Aus diesem Grund führte das Oktett jede Menge meteorologische und ozeanographische Messgeräte mit, um jeden Tag fleißig neue Daten zu erfassen. Unter anderem sägten die Männer ein Loch neben ihrem Boot ins Eis, um dort täglich mithilfe einer Winde eine Messsonde langsam in 4 km Tiefe hinabzulassen. Dabei registrierten sie unzählige wertvolle Temperaturdaten, sammelten Wasserproben, ermittelten den Salzgehalt und andere Eigenschaftswerte des unter dem Eis verborgenen Arktischen Ozeans. Selbst im Satellitenzeitalter sind derartige Daten nur zu gewinnen, wenn man sich an den Ort des Geschehens begibt. 

Die Tara hat einen speziell gebogenen Schiffsrumpf, so dass sie von den seitlich quetschenden Eisschollen angehoben wird und auf das Eis gleitet. So fährt das Schiff im Prinzip huckepack auf dem Packeis. Im September 2006 erreicht die Tara die Eisgrenze und wird eingeschlossen. Freudig und hochmotiviert verteilen die Forscher ihre Messgeräte über eine Fläche von 100 Quadratkilometern auf dem Eis. Jedoch schon etwas später kommt Sturm auf und riesige Wellen lassen das Eis kräftig auf- und niederschwingen. Riesige Risse entstehen, so dass zu befürchten ist, dass die Messgeräte im Ozean versinken. Aber die Tara-Besatzung hat Glück und kann sie alle wieder bergen, nachdem der Sturm vorbei ist. Kummer ist die Tara leider gewohnt. Vor zehn Jahren hieß das Schiff nämlich noch Seamaster und sein ehemaliger neuseeländischer Besitzer, Sir Peter Blake, wurde damals im Amazonas-Delta von Piraten ermordet.

Zum Glück läuft es auf Tara deutlich besser. Zwar wird an einem Tag der Expeditionshund fast von einem Eisbär aufgefressen, doch kann er sich in letzter Sekunde noch retten. Es sind die Kälte und der penetrante Wind, die den Männern zusetzen. Beeindruckend die Bilder einer Reparatur einer verhakten Winde bei -45°C und Schneesturm. An etlichen Tagen verweigerten die Windmesser ihren Dienst, da sie einfach einfroren. Als die Polarnacht hereinbricht und es monatelang nicht mehr hell wird, beginnt die psychologische Herausforderung. Lähmende Routine macht sich breit. Der Tag besteht aus Messdaten sammeln, archivieren und Weiterleitung in die Labore. Aber auch Staubsaugen, Abwaschen und Spülen hält die Crew auf Trab. Um sich zu beschäftigen, pflanzen die Männer Salat. So bekommen sie wenigstens einmal in 8 Monaten frisches Gemüse auf den Tisch. Bei jeder Breitengrad-Überquerung werden Feiern abgehalten. Auch Nordlichter unterbrechen die Monotonie für kurze Zeit.

Die Forscher sammeln Daten aus dem Eis, der Atmosphäre und dem Meer. Die Informationen werden dringend zur Kalibrierung für die arktischen Klimamodelle benötigt, die laut der Damocles-Projektleitung an der Pierre und Marie Currie Universität Paris mangels genauer Daten noch immer viel zu ungenau sind. Messkampagnen wie die der Tara über einen kompletten Jahreszyklus mit dem Schmelzen, Gefrieren und erneuten Schmelzen sind lebensnotwendige Grundnahrung für die Computer.

Der Arktische Ozean ist geschichtet, wobei bereits in wenigen 100 m Tiefe warme, aus dem Atlantik stammende Wassermassen anzutreffen sind, die in den letzten Jahrzehnten von unten immer aggressiver das Packeis angreifen. Zudem konnte die Tara-Expedition bei einem Tauchgang die Entstehung kleiner Eisnadeln in der Wassersäule unterhalb des arktischen Eises beobachten. Die Nadeln steigen auf und lagern sich schließlich an das Packeis an, so dass das Packeis auch von unten wächst. Bislang war dieser Prozess wohl nicht in den arktischen Klimamodellen enthalten gewesen, heißt es im Film. Bei Routine-Wasseranalysen aus verschiedenen Tiefen wurde auch die Sauerstoffisotopenverteilung untersucht. Verschiebungen in den Isotopenzusammensetzungen würden auf Änderungen in der Abschmelzgeschwindigkeit hinweisen. Zur Identifikation von zuströmendem Atlantikwasser suchen die Forscher nach einem industriellen Jod-Marker. Als einige Monate später die Stürme nachlassen und das Sommerteam zur Expedition dazu stößt, werden Wetterballons gestartet. In 800 m Höhe finden die Männer eine 10°C warme Luftschicht.

Im Vergleich zur Fram-Expedition vor mehr als 100 Jahren war die Tara mehr als doppelt so schnell bei Ihrer Reise über den Nordpol unterwegs. Das Tempo der Eisdrift hat sich offenbar erhöht, auch wenn zwei Werte noch keine Statistik ausmachen. Es wird vermutet, dass es heute mehr Tiefdruckgebiete in der Region gibt, die zu mehr Wind und daher mehr Drift führen. Auch mag eine Rolle spielen, dass das Eis heute dünner als früher ist.

Eigentlich ein toller Film. Irgendwann glaubt man fast, dass man selber Mitglied der Expedition ist, so gut ist die Schilderung der Fahrt gemacht. Kalte-Sonne-Co-Autor Lüning fühlte sich jedenfalls an seine zahlreichen Expeditionen ins Herz der Sahara erinnert, auf denen ähnliche Abenteuer zu bewältigen waren.

Leider wird der gute Bericht von einigen wenigen ärgerlichen Minuten eingerahmt, die dem IPCC-Alarmismus gewidmet sind. Bereits in der Einleitung des Films kann man einige sehr seltsame Dinge hören: “Seit einem Vierteljahrhundert erwärmt sich die Erde schneller als je zuvor”. Was für ein böser Schnitzer. Nein, die Erwärmungsrate ist nicht einzigartig. Es gab sie vermutlich in jedem 1000-Jahreszyklus, sowie ebenfalls 1860-1880 und 1910-1940, wie Phil Jones neulich zähneknirschend bestätigen musste. Auch in den letzten Minuten des Films wird noch einmal aus vollen Rohren geschossen. Es wird so getan, als wenn das vorindustrielle Klima à la Hockey Stick immer schön konstant und angenehm war. Aus dem Off erklärt uns der Sprecher dazu: „Die Erde verdankt ihr Gleichgewicht dem Treibhauseffekt“ Aha. Ein Forscher ergänzt im Film: „Das ursprüngliche Gleichgewicht in der Arktis verändert sich schon seit 10 Jahren“. Falsch geraten. Der Erwärmungstrend begann bereits vor 200 Jahren als sich die Kleine Eiszeit dem Ende zuneigte. Der langfristige Rückgang des arktischen Meereises ist gut dokumentiert (siehe z.B. Abbildung auf S. 189 in „Die kalte Sonne“). Auch hört man die Wikinger im Hintergrund laut lachen. Denn die Tara-Beobachtungen zum allmählichen Abschmelzen des arktischen Meereises haben die Nordmänner bereits vor 1000 Jahren an der gleichen Stelle durchgemacht. Die Eisarmut auf dem Meer ermöglichte ihnen damals die Besiedelung Islands und Grönlands. Dummerweise gab es damals noch keine Satelliten zur Vermessung der Eisbedeckung, sonst hätten wir schon mehr davon gehört. Eine wundersame Wiederholung der Geschichte: Alle 1000-2000 Jahre ereignete sich eine neue Wärmeperiode, die das Eis in der Arktis in Mitleidenschaft zog.

Doch das ist den Filmemachern vollkommen egal. Sie folgen strikt den alarmistischen Modellen des Weltklimarats. Noch auf den letzten Metern des Streifens wird den Zusehern gedroht: „All diese Veränderungen werden eine Lawine von Klimakatastrophen nach sich ziehen, weltweit.“ Dazu wird ein Potpourri von Clips der schönsten Naturkatastrophen gezeigt. Nur die Erdbeben fehlen. Es wäre bereits eine Schwelle überschritten, hinter die es kein Zurück mehr gibt, heißt es. Auf wen beziehen sich die Autoren? Auf welcher wissenschaftlichen Basis steht diese Behauptung?

Der Koordinator des Damocles-Projektes, Jean-Claude Gascard, wittert sogleich satte Fördermöglichkeiten für zahlreiche Nachfolgeaufträge. Zudem fordert Gascard auf Basis der Klimakatastrophe eine bessere Verteilung der Reichtümer auf der Erde und veränderte Konsumgewohnheiten sowie einen reduzierten Energieverbrauch. Weltfrieden hätte er vielleicht noch erwähnen sollen. Dabei scheint er für einen Moment ganz zu vergessen, wofür er eigentlich von seinem Institut bezahlt wird, nämlich als neutraler Wissenschaftler, den Klimawandel bestmöglich und ergebnisoffen zu erforschen. Wo ist die von allen Seiten eingeforderte Trennung von Wissenschaft und Politik? Ein solches Ende hat der Film nicht verdient. Panikmache auf höchstem Niveau.

Im Gedächtnis bleibt vor allem die Hochachtung vor den Leistungen der tapferen Eisschollen-Forscher. Darauf können sie stolz sein. Ihre Daten werden Bestand haben, auch wenn die Klimamodelle sich möglicherweise ändern werden. Eine wichtige Expedition ist erfolgreich zu Ende gegangen.

 

Der Film sollte bald auf der arte Webseite verfügbar werden.
Foto oben rechts: F.Bernard / Lizenz: gemeinfrei