In den vergangenen Monaten haben wir an dieser Stelle mehrfach über neue Studien berichtet, die eine CO2-Klimasensitivität errechnen, welche signifikant unterhalb des vom IPCC angenommenen Mittelwerts liegt. Hier die Beiträge zum Nachlesen:
—Hinweise auf eine niedrigere CO2-Klimasensitivität verdichten sich: Drei neue Arbeiten erteilen den IPCC-Katastrophenszenarien eine Absage
—The Economist: CO2-Einfluss auf das Klima wohl geringer als bislang angenommen
—Reduzierte Klimawirkung des CO2 findet weitere Unterstützer in der Wissenschaft
—Neue geologische Studie der Monash University Melbourne: CO2-Klimasensitivität lag vor 33 Millionen Jahren deutlich unter IPCC-Wert
—Die Lawine rollt weiter: Norwegische Forschungsbehörde geht von einer stark reduzierten Klimawirkung des CO2 aus
Im Fachmagazin Nature Geoscience erschien Mitte Mai 2013 nun eine weitere Studie, die das CO2 in seiner Klimawirkung deutlich beschneidet. Hauptautor des Papers ist Alexander Otto von der University of Oxford. Von deutscher Seite mit dabei sind Jochem Marotzke und Bjorn Stevens vom Hamburger Max Planck Institut für Meteorologie. Die österreichische Tageszeitung Die Presse berichtete über die neuen Ergebnisse:
„…die CO2-Konzentrationen und die Temperatur laufen nicht parallel: Seit 1998 steht die Erwärmung still – auf hohem Niveau –, obwohl die CO2-Emissionen stiegen wie nie. Warum wird es dann nicht wärmer? Manche sehen die Ursache in den Meeren und/oder der Atmosphäre. Es könnte aber auch etwas ganz anderes sein, die „Klimasensitivität“. Die ist das Herzstück aller Klimaprognosen, sie gibt an, um wie viel Grad es wärmer wird, wenn die CO2-Gehalte der Luft sich verdoppeln.
Das ist kein gemessener Wert – man kann eine CO2-Verdopplung nicht beobachten –, er ist ein Konstrukt, ein Schätzwert. Und der wird von Schätzung zu Schätzung geringer: Der UNO-Klimabeirat IPCC geht von drei Grad aus (Schwankungsbreite: 2,0 bis 4,5); Daten der letzten Eiszeit deuteten vor zwei Jahren auf 2,3 Grad (1,7 bis 2,6); und nun kommt ein internationales Konsortium unter Alexander Otto (Oxford) auf zwei Grad (1,2 bis 3,9): „Die extremsten Erwärmungen, die in Simulationen gegenwärtiger Klimamodelle erscheinen, sind eher unwahrscheinlich“, schließen die Forscher (Nature Geoscience 19.5.).“
Das Hamburger Max-Planck Institut für Meteorologie erläutert in einer Pressemitteilung vom 23. Mai 2013 die unerwarteten neuen Studienergebnisse:
Das Team um Alexander Otto und Myles R. Allen von der Universität Oxford unterscheidet dabei zwischen einer mittelfristigen und einer langfristigen Reaktion des Klimas auf eine Verdopplung des Kohlendioxid-Gehaltes in der Luft, die voraussichtlich um das Jahr 2050 erreicht sein wird. Der dadurch verursachte Treibhauseffekt macht sich schon unmittelbar bemerkbar, sobald die Kohlendioxid-Konzentration so weit zugenommen hat. Wie stark, drücken Klimaforscher in der vorübergehenden Klimaantwort aus (TCR für englisch: transient climate response).
Da das Klimasystem sehr träge ist und etwa die Ozeane sich nur sehr langsam aufheizen, dauert es jedoch bis sich die Wirkung der Treibhausgase voll entfaltet: Eine Erwärmung durch den Treibhauseffekt wird durch zahlreiche Rückkopplungen verstärkt, durch einige Prozesse aber auch abgeschwächt. Erst wenn dieses komplizierte Wechselspiel zur Ruhe gekommen ist, erreicht das Klima wieder einen stabilen Zustand. Diese langfristige Reaktion des Klimas berechnen Klimaforscher in der Gleichgewichts-Klimasensitivität (ESC für equilibrium climate sensitivity). Sie entspricht der endgültigen Temperaturerhöhung durch eine verdoppelte CO2-Konzentration, die sich vermutlich erst nach einigen 100 Jahren einstellt.
Sowohl die mittelfristige Klima-Antwort als auch die langfristigen Reaktion sagen etwas über die Stärke der Rückkopplungen zwischen CO2-Anstieg und Erderwärmung aus. Beide Werte hat das internationale Team nun neu berechnet. In die Rechnung gehen neben den Messdaten zur Temperaturerhöhung im vergangenen Jahrzehnt die wesentlichen Faktoren ein, die für den Wärmehaushalt der Erde entscheidend sind: Das ist vor allem die Energie, die von der Sonne eingestrahlt wird. Dazu gehört aber auch die Wärme, die wegen des Treibhauseffektes von Kohlendioxid nicht wieder ins Weltall abgestrahlt werden kann. Diese beträgt bei einer Verdopplung der CO2-Konzentration ziemlich genau 3,44 Watt pro Quadratmeter. Ferner fließen in die Rechnungen die Effekte von Vulkanausbrüchen und von Aerosolen ein. Bei letzteren handelt es sich um Schwebteilchen in der Luft, die zum einen Sonnenstrahlung abschirmen und zum anderen als Kondensationskeime für Wolkentröpfchen dienen. Die langfristige Klimareaktion berücksichtigt zudem die Wärme, die Ozeane mit der Zeit aufnehmen.
Am Ende des Jahrhunderts droht eine Erwärmung von weit mehr als zwei Grad
Anhand dieser Werte berechnen die Forscher, dass sich die bodennahe Atmosphäre bei einer Verdopplung des CO2-Gehaltes mit 90prozentiger Wahrscheinlichkeit um 0,9 bis 2,0 Grad Celsius erwärmt haben wird; am wahrscheinlichsten ist eine Temperaturerhöhung um 1,3 Grad. „Die vorübergehende Klimaantwort, die wir anhand der neuesten Messdaten berechnet haben, liegt im Rahmen der Vorhersagen der Klimamodelle, wenn auch nicht an deren oberen Rand“, sagt Alexander Otto, der die Rechnungen an der Universität von Oxford machte.
Sollte nach einer Verdopplung der Kohlendioxid-Konzentration kein zusätzliches Treibhausgas in die Atmosphäre geblasen werden, heizte sich die Erde in den folgenden Jahrhunderten verglichen mit vorindustriellen Werten mit 90prozentiger Wahrscheinlichkeit um 1,2 bis 3,9 Grad auf. Am wahrscheinlichsten für die langfristige Klimareaktion ist ein Anstieg um zwei Grad. „Wie stark die langfristige Erwärmung ausfallen wird, ist jedoch noch ziemlich unsicher“, sagt Otto. „Für die meisten politischen Entscheidungen ist aber ohnehin entscheidend, wie stark die Erwärmung in den nächsten 50 bis 100 Jahren ausfällt.“
Einigen Anhängern der liebgewonnenen extremen IPCC-Werte für die CO2-Klimawirkung fällt es sichtlich schwer, sich mit der neuen Forschungslage abzufinden. Verzweifelt versuchen sie, die neuen Studien zu ignorieren bzw. kleinzureden. So degradiert Stefan Rahmstorf in einem Beitrag auf seinem Klimalounge-Blog die Otto et al.-Studie kurzerhand zu einem „Leserbrief“. Ramstorf schreibt (Fettsetzung ergänzt):
Anlass für die aktuelle Diskussion ist eine kurze Correspondence in Nature Geoscience von Otto et al. Der Leserbrief beginnt so:
Und etwas später noch so ein Versuch:
Die Autoren der Correspondence haben aus aktuellen Messdaten eine Spanne der Klimasensitivität von 1,2 – 3,9 °C errechnet. Dieses Ergebnis ist nicht besonders aufregend.
Naja. Irgendwie ist es dann doch relativ aufregend, wenn sich der wahrscheinlichste Wert für die Klimasensitivität plötzlich von 3,0°C auf 2,0°C (pro CO2-Verdopplung) erniedrigt. Gerade Rahmstorf sollte dies ein paar Stunden kostbaren Schlaf rauben, da die von ihm vertretenen Klimakatastrophenszenarien damit eher unwahrscheinlich werden. Anstatt sich konstruktiv mit den anderen oben genannten Studien zu beschäftigen, bagatellisiert Rahmstorf die neue Otto et al.-Studie in Nature Geoscience als „eine Schwalbe macht noch keine Sommer“. Rahmstorf O-Ton:
Es ist einfach ein weiterer Datenpunkt unter vielen, die zu einer Gesamteinschätzung beitragen.
Umso kurioser dann der Versuch von Rahmstorf, sich selbst als Teil eines angeblichen wissenschaftlichen Konsens zu präsentieren. Kalte-Sonne-Coautor Fritz Vahrenholt hatte es in einem öffentlichen Brief an das Umweltbundesamt doch tatsächlich gewagt, alle aktuellen Studien zu zitieren, welche eine reduzierte CO2-Klimasensitivität postulieren. Rahmstorf auf seinem Blog:
Vahrenholt stellt sich mit seinen Thesen gegen die seriöse Wissenschaft insgesamt; er versucht dies aber mit solchen Zitiertricks als einen Konflikt Vahrenholt vs. Rahmstorf zu inszenieren.
Nun, die „seriöse Wissenschaft“ scheint mittlerweile ihre Fehleinschätzung eingesehen zu haben und nimmt nun eine deutlich geringere Klimawirkung des CO2 an. Auf dem Potsdamer Telegraphenberg scheint diese Erkenntnis noch nicht ganz angekommen zu sein. Es kann sich aber wohl nur noch um Monate handeln, bis auch diese letzte Insel der klimatischen Glückseligkeit vom langsam ansteigenden neuen Wissensstand geflutet wird.
Siehe auch Artikel im New Scientist und der Neuen Zürcher Zeitung zur neuen Otto et al.-Studie sowie Blogpost auf Judith Curry's Climate etc. Webseite, in welchem eine CO2-Klimasensitivität von 1,7°C pro CO2-Verdopplung angenommen wird.