„Ein harter Schlag gegen die Windkraft“, so lautete der ursprüngliche Titel eines Klimaretter-Blogbeitrags vom 9. Mai 2016. Einige Stunden später wurde der Titel jedoch nachträglich entschärft, vielleicht weil die negativen Folgen für die deutsche Windindustrie zu deutlich geworden wären:
Klage gegen 10-H-Regel abgewiesen
Das Urteil schränkt den Ausbau der Windkraft in Bayern weiterhin ein: Am heutigen Montag hat das bayerische Verfassungsgericht die umstrittene 10-H-Regelung als verfassungskonform bestätigt. Während sich die Landesregierung in München durch das Urteil bestätigt fühlt, sehen Opposition und Branchenverbände das Ende des Windkraftausbaus nahen, zumindest in Bayern.Nach der Urteilsverkündigung am Montagvormittag fehlt es nicht an drastischen Worten: Nicht weniger als das „Ende der Windkraft“ in Bayern befürchtet der Vorsitzende des schwäbischen Windkraftverbands Wendelin Einsiedler. Mit der heutigen Entscheidung des Verfassungsgerichts werde es schier unmöglich, Standorte für Windkraftanlagen zu finden.
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Jahrelang konnten sich Versicherungen munter mit der Klimaforschung verbandeln, und alle fanden das vollkommen in Ordnung. Dass dabei ein handfester Interessenskonflikt vorliegt, wurde großzügig ausgeblendet. Es ist unstrittig, dass Klimaangst den Abschluß von Extremwetterversicherungen und die Akzeptanz höherer Versicherungspreise stark befördert. Ein geniales Marketingkonzept. Bereits Anfang 2013 hatten wir an dieser Stelle auf das Problem hingewiesen (siehe „Schweizerische Mobiliar-Versicherung finanziert Klima-Professur„). Die goldenen Zeiten der unbeschwerten Beeinflussung sind nun aber offenbar vorbei. Am 21. April 2016 übte nun endlich auch SRF aus Bern heftige Kritik an der fragwürdigen Interessensverquickung:
Klimaforschung: An der Uni Bern redet die Mobiliar mit
Die Mobiliar-Versicherung sponsert an der Universität Bern eine Professur für Klimafolgen-Forschung. Der bisher unveröffentlichte Vertrag zwischen Mobiliar und Universität Bern zeigt nun: Die Mobiliar kann stark mitbestimmen, was geforscht wird.
Eine halbe Million Franken – jährlich und während zehn Jahren: So viel Geld erhält die Universität Bern von der Mobiliar-Versicherung. Damit soll Professorin Olivia Romppainen-Martius mit ihrem Team zu Klimafolgen im Alpenraum forschen. Zum Beispiel dazu, wo in Zukunft vermehrt Hagel zu erwarten ist. Als Ausgangpunkt für deren Forschungen liefert die Mobiliar auch gleich anonymisierte Daten ihrer Kunden. Das sei eine riesige Chance, findet Olivia Romppainen-Martius. Die Mobiliar sieht ihr Engagement denn auch als Dienst an der Allgemeinheit. Im Vertrag mit der Universität Bern klingt das allerdings eigennütziger. Erwartet werde nämlich Forschung, die fürs Versicherungsgeschäft nutzbar ist. Oder im Wortlaut: «Beiträge in praxisorientierter Form unter anderem zur Versicherbarkeit von Elementarschadenrisiken». […] Dadurch sei die Forschungsfreiheit ganz klar in Gefahr, findet der Jurist und Rechtsphilosoph Marcel Senn von der Universität Zürich. «Für mich gehen diese Fälle in keiner Art und Weise». Marcel Senn spricht gar von einem «No go».Weiterlesen beim SRF
Stöbern wir kurz in der Publikationsliste der Mobiliar-geförderten Stelle. Zunächst einmal muss man feststellen, dass die Inhaberin der Professur, Olivia Romppainen-Martius, zusammen mit ihren Arbeitsgruppenmitgliedern in den letzten Jahren sehr fleißig publiziert hat. Das ist schon einmal positiv. Die Kalte-Sonne-Redaktion hat sich die Mühe gemacht, in den diversen Publikationen nach möglichem Klimaalarm zu stöbern. Das Ergebnis ist überraschenderweise erfreulich. Hier scheint solide Forschungsarbeit verrichtet zu werden. Die Kurzfassungen der Studien erscheinen unaufgeregt und seriös. Besonders interessant sind Aussagen zu Trends. So veröffentlichte die Martius-Arbeitsgruppe im Jahr 2014 eine Übersicht zur Sturmentwicklung in der Schweiz für die vergangenen 150 Jahre (Stucki et al.):
A catalog of high-impact windstorms in Switzerland since 1859
Die Analyse ist äußerst interessant und fand einen steten Wechsel von sturmreichen und sturmarmen Phasen. Ein Langzeittrend wurde nicht entdeckt. Dies passt gut zu den Ergebnissen anderer Studien aus Europa. Im Text der Arbeit heißt es:
We find concurrent periods with enhanced or reduced winter storm activity in all damage as well as wind data sets considered here, although there are some incoherencies prior to 1890. Storminess in Switzerland during the 20th century was high until around 1920, then low to medium until around 1970. The latest 40 years were characterized by a gradual increase from the calm 1970s to the extreme storms in the 1990s and a quieter situation since.We presume that particularly the early 20th century could have been as stormy as the last few decades. The decadal variability is present in both the wind data (i.e., the hazard) as well as the loss and damage information. The present article sets the historical context for recent natural hazard events, and it extends traditional compilations. Hence, it may contribute to the understanding of socioeconomic factors (e.g., monetized material values, societal perceptions of losses and impacts) versus processes in nature (e.g., climate variability) that add up to a moderate or an extreme windstorm event.
Das dürfte der Mobiliar-Versicherung nicht gefallen haben. Oder vielleicht doch? Abseits des Marketings ist eine solide Datengrundlage zur Sturmentwicklung nicht zu unterschätzen. Hier die entscheidende Abbildung zur schweizerischen Sturmentwicklung seit 1859 aus der Arbeit:
Stammleser dieses Blogs wissen, dass wir bei berechtigter Kritik kein Blatt vor den Mund nehmen. In diesem Fall jedoch gebührt Frau Romppainen-Martius unser Respekt. Trotz der anfälligen Sponsor-Situation lässt sich die Professorin offenbar in ihrer Forschung nicht beeinflussen. Weiter so!