Die Sonne im Oktober 2018: eine Nachlese zur Ozeanerwärmung und neues von Wolken

Von Frank Bosse und Fritz Vahrenholt

Das Zentralgestirn unseres Planetensystems war auch im Vormonat sehr ruhig, wenn man auf die Fleckenaktivität schaut. Die festgestellte SSN (für SunSpotNumber) betrug im Mittel des Monats ganze 4,9. An nur 11 Tagen waren überhaupt ein oder mehr Flecken zu sehen, die restlichen 20 Tage trug das Bild der Sonne die Überschrift: „spotless“. Diesmal steuerte die solare Südhemisphäre praktisch ausnahmslos zur sehr geringen Aktivität bei. Insgesamt betrug die durchschnittliche SSN des Monats 119 seit Beginn des Zyklus 24 im Dezember 2008 nur 18% der mittleren Aktivität der Zyklen 1-23 für diesen Monat.

 

Abb.1: Die Aktivität im gesamten Zyklus 24 ( SC 24 für Solar Cycle, rot) im Vergleich zum Mittelwert der monatlichen Aktivität ( blau) und dem seit langer Zeit recht ähnlichen SC5, der um das Jahr 1800 herum beobachtet wurde.

 

Interessant ist es, dass an nur einem einzigen Monat des gesamten Zyklus 24 die Aktivität über den Mittelwert der vorigen Zyklen hinaus ging, dies war im September 2017 (Monat 106 in Abb.1),  als die SSN bei 43,6 oder 14% über dem Mittelwert lag. Nur ein letztes Aufflackern, denn in der Folge begann wohl bereits 2 Monate später das eigentliche Minimum.  Ende August 2017 wurde schon ein winziger Fleck beobachtet, der zum folgenden Zyklus 25 gehörte. Später wurde das (völlig normale) Auftreten von Flecken mit der magnetischen Polarität des Folgezyklus während des Minimums auch gebührend medial ausgeschlachtet, wir berichteten unlängst darüber.

Es gab inzwischen 9 Flecken oder Fleckengruppen, die dem Zyklus 25 zugerechnet werden müssen, der größte trat zu Beginn des Monats November 2018 auf, zwei kleinere gab es im September. Wenn diese Entwicklung so fortschreitet werden wir vielleicht bald den Beginn des nächsten Zyklus beobachten, dann wäre der SC24 nicht nur schwach sondern auch noch relativ kurz gewesen. Eigentlich sollte er noch etwa 1 Jahr andauern, dann wären die mittleren 11 Jahre der Zyklendauer vorüber. Wir halten Sie auf dem Laufenden! Vorerst bescheiden wir uns mit dem Vergleich der Zyklen untereinander:

Abb.2: Die Aktivität der bisher systematisch beobachteten Zyklen untereinander verglichen. Die Zahlen entstehen, wenn man die monatlichen Differenzen zwischen dem jeweils beobachteten SSN Wert und dem Mittelwert (blau in Abb.1) aufsummiert bis zum aktuellen 119. Monat jedes Zyklus.

 

Wir hatten das Diagramm in Abb.2 seit 2012 in monatlicher Frequenz hier veröffentlicht, manchmal war es spannend, in letzter Zeit tut sich erwartungsgemäß kaum noch etwas. Alle Zyklen waren zu diesem Zeitpunkt so gut wie gelaufen und das Bild ist zementiert. Wir werden es dennoch weiter aktualisiert darstellen, Chronistenpflicht hat nicht unbedingt immer etwas mit Spannung zu tun.

 

Eine Nachschau zur falschen Angst aus dem Ozean

Am 7. November 2018 berichteten wir hier über eine Arbeit, die seitdem die Gemüter erregt.  Angeblich soll die Aufnahme von Wärme in den Ozean deutlich stärker sein als bislang angenommen.  Am 5.November hatte Nicholas „Nic“ Lewis seinen Artikel  auf Judith Currys Blog „Climate etc.“ online gestellt, in dem er nachwies, dass die Methoden und die Schlussfolgerungen dieser Studie in „Nature“ nicht korrekt sind. Eine weitere Ausarbeitung von Lewis zu den Fehlergrenzen der reklamierten Beobachtungen später erkannte ein Ko-Autor der „Nature“ –Studie am 14.11., ebenfalls auf einem Blog, die Stichhaltigkeit der Kritikgründe von Nic Lewis an. Ralph Keeling stellte eine Überarbeitung der fraglichen Studie in Aussicht. Das war ein Novum. Bisher wurden aktuelle Blogposts in der Wissenschaft eher negiert. Für eine fundamentale Kritik an einer so hoch angebundenen Arbeit (immerhin erschienen in  „Nature“, das weltführende Wissenschaftsjournal) bedurfte es einer Einreichung bei genau diesem Journal, einer längeren Begutachtung und eines Kommentars der Autoren der ursprünglichen Arbeit. Ein Verfahren, das sich monatelang hinziehen konnte. Hier also wurde dieses Procedere durchbrochen und die „öffentliche“ Begutachtung reichte aus. Hierfür muss den Autoren von Resplandy et al (2018) gedankt werden, sie korrigierten die Wissenschaft schnell, weil sie erkannten, dass sie Fehler gemacht hatten und Irrtümer wohl auch nach vielen Monaten Irrtümer bleiben würden. Das Prinzip, dass es egal ist, wie, von wem  und wo etwas von wissenschaftlichem Wert veröffentlicht wird, setzte sich auch im politisierten Feld der Klimawissenschaft bei einer „high impact“ Arbeit durch. Das ist das Erfreuliche.

Der Vorgang  fand auch große Aufmerksamkeit in den Medien, leider nur im englisch-sprachigen Raum. Woher kam das große Medieninteresse bei Veröffentlichung der Arbeit und nun bei ihrer Demontage? Offenbar gab es viel Wirbel, diesmal recht gleich verteilt. Die „Washington Post“ brachte einen ausführlichen Artikel mit den Alarm- Meldungen, als die Studie erschien und einen vergleichbaren Artikel 2 Wochen später, als sich die Fehler herausstellten, die Nic Lewis gefunden hatte.

Nach einem dritten Artikel auf „Climate etc“, indem Lewis nochmals alle Daten und Quellen verwendete, die die ursprüngliche Studie auch benutzte, wollen wir den Stand der Dinge nochmals zusammenfassen in einem Bild. Es stammt ursprünglich aus der Arbeit, dort ist es Bild 1b, nur jetzt ergänzt durch die neuesten Erkenntnisse zu Mittelwerten und Fehlergrenzen:

Abb. 3: Die ursprüngliche mittlere Trendannahme „APOclimate“ bei 1,33 *10²² J/year mit dem  ursprünglichen  orange  Fehlerfeld und die aktuell ermittelten Werte „APOclimate corr.“ bei 1,03 *10²² J/ year mit den schraffiert  unterlegt  gerahmten Fehlergrenzen. Quelle: Resplandy et al. (2018), bearbeitet.

 

Der untere Rand der zu 95% möglichen Bandbreite von 0,31 *10²² J/year  -im ursprünglichen Diagramm nicht vorgesehen- verrät: Der Wärmeinhalt der Ozeane ist zwischen 1991 und 2016, das ist der in der Arbeit betrachtete Trendzeitraum, tatsächlich signifikant gestiegen. Viel mehr Neues vermag die Methode nicht zu offenbaren. Der Mittelwert der Trendabschätzung liegt sehr genau da, wo er auch für die viel genaueren Annahmen aus Beobachtungen seit 2005 zu erwarten war (z.B. „Chen“ in Abb.3).

Alle aufgeblasenen Schlussfolgerungen in der Arbeit sind falsch. Die Methode der Messung der Ausgasungen der Ozeane bei Erwärmung stellt fest, dass die Meere sich erwärmt haben seit 1991 und die wahrscheinliche Größenordnung bestätigt die Daten, die auf eine bisher beobachtete Empfindlichkeit unter Beachtung der Ozeanerwärmung  (ECS für Equilibrium Climate Sensitivity) bei  einer Verdopplung  des CO2- Gehaltes der Atmosphäre von ca. 1,7°C  hindeuten. Natürlich nur, wenn man die Wirkung der Antriebe nach IPCC als gegeben voraussetzt, was nicht zwingend der Fall sein muss.

Alles andere ist Modell- Vermutung für die Zukunft. Unfreiwillig geht das nun auch aus dem groß angelegten Angriff auf niedrigere Annahmen als 2 °C hervor. So wollten es wohl weder die „Begutachter“ bei „Nature“  noch die 10 internationalen Autoren. Zwei davon kommen aus Deutschland, vom Geomar Kiel. Dort ist die Jubelmeldung noch immer  online zu finden. An einer anderen Stelle ergänzte man den Bericht am 15.11.2018.

Man führt dort aus, dass die eigenen Beiträge zur Arbeit von Nic Lewis (einem „Fachkollegen“, allerdings wäre hier der Singular angebracht!) nicht kritisiert wurden. Die „Geomar“-Wissenschaftler reklamieren, dass sich das Ergebnis nicht wesentlich ändert, was wohl so nicht kommen wird, falls die eingereichte Korrektur bei „Nature“ gründlich begutachtet werden sollte, vgl. Abb.3.

Dass alle Autoren das fertige paper nicht zumindest gegenlasen ist zwar verwunderlich, aber wohl nicht unüblich.

Auch „Bild“ brachte eine (immerhin etwas vorsichtige) Meldung über die gefährliche Wärme und hier läuft eine leise Nachfrage, ob man nicht korrigieren wolle. Mit wenig Hoffnung auf Erfolg…

Was bleibt? Ein einzelner Wissenschaftler aus der Nähe von Bath in Großbritannien konnte die Grundfesten einer „Schlüsselarbeit“ in „Nature“ mit dem gesamten Begutachtungsapparat  dort so erschüttern, dass sich die 10 (!)  Autoren gezwungen sahen, zu korrigieren. Einstein wird in den Mund gelegt, dass er die Zahl (und wären es 95%) der entgegengesetzt denkenden Forscher nicht als Argument verstand. „Einer, der recht hat,  genügt.“  So auch hier: Wissenschaft lebt und sie ist frei und sie arbeitet nicht nach dem Konsens- Prinzip! Eine gute Entwicklung.

 

Wolken in der Realität und im Modell

Relativ unbeachtet erschien letztens eine Arbeit  die sich mit der Wirkung von Wolken bei Erwärmung beschäftigte. Sie beschreibt Beobachtungen, die zwischen 2008 und 2014 mit Satelliten ausgeführt wurden und Schlüsseleigenschaften der Bewölkung über den Ozeanen sehr detailliert aufnehmen konnte. Die dafür benutzte Lidar-Technik machte es möglich.

Was macht so etwas spannend? Es ist auch hier die Klimasensitivität. Rechnet man einfach nur mit der möglichen Erwärmung durch eine CO2- Verdopplung so ergeben sich ca. 1,1 °C, sehr wenig spektakulär. Wie kommen Modelle dann zu viel höheren Werten, im Mittel nach wie vor bei ca. 1,8°C ohne Beachtung des Ausgleichs in den Meeren? Es sind die Rückkopplungen aus der Wirkung der Erwärmung auf Wasserdampf (selbst hochwirksames Treibhausgas), auf die Änderung der Erwärmung mit der Höhe („Lapse rate“) und der Wirkung auf Wolken. Modelle nehmen im Mittel an, dass Wolken mit der Erwärmung selbst wieder zur Erwärmung beitragen. Bilden sich mehr Wolken schatten sie ja mehr ab, also kühlen sie. Das weiß jeder aus eigener Erfahrung an einem Sonnentag. Aber so einfach ist es nicht. Die Reflexion von Sonnenstrahlen an den hellen Wolken zurück in den Weltraum  -sie sind kurzwellig im Vergleich zur Wärmestrahlung vom Boden, daher kürzt man gerne ab: SW ( short wave) für Sonnenstrahlung; LW ( long wave) für Wärmestrahlung- ist nicht alles.

Also SW ist wohl unstrittig, aber LW wärmt z.B. in der Nacht wenn Wolken die Abstrahlung der Oberfläche verringern. Was machen Wolken netto, also in der Summe von SW und LW? Und wie verändert sich das, wenn es –warum auch immer- wärmer wird?

Wolken sind auch nicht gleich Wolken: es gibt hohe und sehr hohe (z.B. Zirruswolken), mittlere und tiefe Wolken. Es gibt welche mit sehr viel Konvektion (z.B. bei Gewittern) und welche ohne viel vertikale Bewegung. Wolken können aus Wasserdampf (heller) und/oder Eis (dunkler) bestehen, sie  sind recht chaotisch und ihre klimatische Wirkung daher am Ende sehr schwer zu fassen. Modelle, wie gesagt, nehmen im Mittel an, dass Wolken noch mehr erwärmen wenn es wärmer wird.  Hier setzt die beschriebene Arbeit an und –wir kommen gleich zum Resultat- sie findet das beobachtete Gegenteil, zumindest für den LW-Teil:

Abb. 4: Das Ergebnis der Beobachtungen zwischen 2008 und 2014 für den Antrieb aus dem LW-Anteil von Wolken über den Ozeanen. Der gezeigte negative Trend (wärmer: weniger Antrieb, kühler: mehr Antrieb) ist hoch signifikant. Quelle, Fig.4.

 

Einfach ausgedrückt: Wolken tragen nicht zu mehr Erwärmung bei, sie wirken dagegen. Die Arbeit vergleicht auch mit Modellen:

Abb. 5: Die beobachtete LW Rückkopplung beträgt -1.8W/m²/K ( grau) , Das Modellmittel nimmt in vergleichbar kurzen Zeiträumen eine positive Rückkopplung von +1,4W/m²/K an ( rot) , auf klimatisch wirksamen längeren ( schwarz)sind es immer noch +0,6W/m²/K. Quelle.

 

Daraus ist mit recht hoher Sicherheit abzuleiten, dass zumindest der LW Anteil  (er ist in Modellen fast ausschließlich für das positive netto-Feedback von Wolken verantwortlich) sich anders herum verhält. Ein weiterer Mosaikstein, um  Projektionen von Modellen in Einklang zu bringen mit den Beobachtungen einer deutlich geringeren Sensitivität gegenüber jeder Erwärmung.

Und noch etwas sorgt für Aufsehen: Bisher nahm man an, dass Zirruswolken stark erwärmend wirken. Sie schatten kaum ab (sehr wenig  SW- Wirkung) aber durch ihre große Höhe haben sie eine sehr große wärmende Wirkung für LW. So die feste „95% Konsensweisheit“ bisher. Das ist sehr wahrscheinlich nicht so, wie eine einzelne neue Arbeit nachweist! Dort wurden Eiskristalle dieser Wolken vermessen und die Mikrostruktur ist viel unsymmetrischer als gedacht und das führt dazu, dass der „Konsens“ zu überdenken ist. Zirruswolken haben ganz andere Strahlungseigenschaften als angenommen, sie wärmen viel weniger. Wissenschaft lebt, sie findet immer wieder Neues. Schön!