Die Sonne im März 2017 und eine ENSO-Nachlese

Von Frank Bosse und Fritz Vahrenholt

Der  Energiespender unseres  gesamten Sonnensystems war im letzten Monat besonders ruhig. Die mittlere Sonnenfleckenzahl (SSN=SunSpotNumber) lag bei  17,7 und dabei war die Sonne über ganze 16 Tage, davon 15 am Stück (vom 6. d.M. bis zum 20. d.M.) völlig fleckenfrei. Es sei nochmals daran erinnert, dass die SSN nicht einfach die Summe der beobachteten Flecken ist; vielmehr entsteht sie aus der Anzahl der Flecken multipliziert mit den 10-fachen der beobachteten Fleckenregionen. Wenn  ein einzelner Fleck in einer aktiven Region beobachtet wird ergibt dies eine SSN von 11.

Die mittlere SSN aller Zyklen für den vergangenen einhundertsten Zyklusmonat liegt bei 48,6 sodass die Sonnenaktivität nur 36% des Mittelwerts betrug.

Abb.1: Der aktuelle Sonnenzyklus (SC)24 (rot) im Vergleich zum Mittelwert der Zyklen 1…23 (blau) und dem zeitweise recht ähnlichen Zyklus 5 (schwarz) seit Dezember 2008 (Monat 1 des Zyklus).

 

Der Vergleich der Zyklen untereinander:

Abb.2: Die aufsummierten monatlichen Differenzen zwischen dem jeweiligen Zyklus und dem Mittelwert (blau in Abb.1).

 

Recht bemerkenswert: zwischen Zyklusmonat 75 und 100 gab es seit Beginn der Aufzeichnungen keinen weniger aktiven Zyklus als den jetzigen. Im stark abfallenden Teil (vgl. die blaue Kurve in Abb.1)  ist SC24 der Rekordhalter in geringer Aktivität. Für die gesamte bisherige Länge steht er auf einem gesicherten  drittletzten Platz. Lediglich die Zyklen 5 und 6 (Dalton-Minimum) haben (noch) Rückstand.

Im Vergleich zur Zeitspanne 1930..2000 ist das ein herber Absturz. Glättet man die SSN-Zahlen über 4 Zyklen so stellt sich die Aktivität seit Beginn der systematischen Aufzeichnungen so dar:

Abb.3: Die mit einem Loess- Filter 44-jährig geglätteten SSN-Zahlen des SIDC (orange) und der Mittelwert seit 1700 (braun). In Amplitude und Zeitdauer waren die Jahre 1930…2000 die mit der aktivsten Sonne seit 300 Jahren. Der Absturzgradient seit Ende der 90er Jahre ähnelt dem des Dalton Minimums Ende des 18. Jahrhunderts.

 

Mit einem Auge schielen wir übrigens immer wieder auf die Entwicklung der solaren polaren Felder. Ihre Stärke ist ja in diesem fortgeschrittenen Stadium des Zyklus schon ein Fingerzeig auf die Aktivität den kommenden SC25.  Im Vergleich zu den Dezember-Daten  (wir hatten hier darüber ausführlicher berichtet) hat sich nicht viel getan bis Ende März. Wir bleiben bei unserer Prognose des letzten Monats:  Der kommende Zyklus könnte nochmals ca. 1/3 schwächer werden als der aktuelle SC24.

Was passiert wenn die Sonne immer stärker strahlt wie es unweigerlich langfristig kommen wird? Die Effektivität der thermonuklearen Reaktion im Sonnenkern nimmt mit der Lebendsauer zu und über lange Zeiträume ist die „Solarkonstante“ von momentan ca. 1362 W/m² bei mittlerem Erdabstand nicht konstant sondern wächst an. Hiermit beschäftigten sich mehrere Arbeiten, die das Geschehen in unserem Klimasystem simulierten. Eine recht aktuelle Studie kommt zu folgenden Ergebnissen: Bis in etwa 1,3 Mrd. Jahren (also  kein Alarm nächste Woche!) passiert nicht viel, es wird recht langsam immer wärmer, die Sonne gewinnt ca. 12% an Leistung im Vergleich zu heute.  Das führt schließlich zu einem zusätzlichen Sonnenantrieb des Klimasystems von wirksamen  41 W/m². (Zum Vergleich: eine CO2- Verdopplung führt nach bisherigen  Erkenntnissen zu einem Antrieb durch Reduktion der Wärmeabstrahlung  von 3,8W/m², etwa 9%.)  Danach wird wohl das Klimasystem in einen neuen Modus schalten, es wird recht schnell im Mittel ca. 20 °C wärmer auf der Erde. Das ist jedoch nicht das Ende allen Lebens, es wird weiterhin Wasser in flüssiger Form geben und das Klima stabilisiert sich auf diesem hohen Temperaturniveau. Gewinnt die Sonne weitere 10% an Leistung hinzu, kommt es dann zum schnellen Verlust allen Wassers in den Weltraum. Das wird in etwa 2,1 Mrd. Jahren der Fall sein.  Spätestens danach wird es kein Leben mehr geben auf der Erde, wie wir es kennen. Erst weitere 4 Mrd. Jahre später wird die Sonne wohl die dann trockene und verwüstete Erde  verschlingen wenn sie sich zum roten Riesen aufbläht. Kein Grund zum Pessimismus also heute! Und nicht vergessen: bis dahin wird es auf absehbare Zeiten wohl alle etwa hunderttausend Jahre eine Eiszeit geben wie in der Vergangenheit. Auch wenn es der Mensch schaffen sollte den CO2- Anteil in der Atmosphäre zu verdoppeln, so wird er die Erde nicht in eine Venus verwandeln, hierfür  wäre ein zusätzlicher Antrieb von 72W/ m² notwendig.

 

Eine ENSO- Nachlese

ENSO, das ist die „ElNino Southern Oscillation“ und man unterscheidet positive Phasen (gemeinhin  ElNino genannt) und negative Phasen namens LaNina. Ist der Wert irgendwo dazwischen, spricht man von ENSO-neutralen Bedingungen. Die Grenzen sind reichlich willkürlich, die NOAA ruft  einen ElNino aus, wenn die Temperaturabweichungen vom Mittelwert in einem Seegebiet  5°S…5°N; 120°W…170°W (auch Nino 3,4 genannt) des äquatorialen Pazifiks in drei aufeinander folgenden Monaten im Mittel höher als +0,5°C sind. Das klingt nach viel Statistik und wenig Physik, denn jedes ENSO- Ereignis unterscheidet sich im Detail von allen anderen unabhängig davon, ob es ElNino genannt wird oder nicht. Die Frage im Zusammenhang mit der Wirkung auf die globalen Temperaturen ist ja: Wie viel Wärme wurde durch ein Ereignis in die Atmosphäre eingebracht? Eine sehr aufschlussreiche aktuelle Arbeit der Autoren  Shineng Hu und Alexey Fedorof von der Yale Universität New Haven untersuchte diese Frage und kam zum Ergebnis: Die Energiemenge während des sehr langgezogenen Ereignisses in 2014/15/16 (obwohl es nicht über die gesamte Länge offiziell als ElNino bezeichnet wird, s.o.) hatte ungefähr die doppelte Größe gegenüber dem vorletzten Ereignis  1997/1998. Quantitativ bildeten die Autoren es so ab:

 

Abb.4: Die Anomalie des Energieflusses  vom tropischen pazifischen Ozean in die Atmosphäre (in W/m²) während 2014/15/16 (links) und 1996/97/98 (rechts). Quelle: Bild 1c und f der zitierten Arbeit)

 

Der Eintrag während des „Hauptereignisses“ im Nino 3,4- Bereich war Mitte 97 bis Mitte 98 etwas höher als beim aktuellen Ereignis, die „fast ElNino- Bedingungen“ in 2014 bis Mitte 2015 sowie die deutlich stärkere Freisetzung von Wärme auch weiter westlich von 170°W sorgten jedoch dafür, dass in Summe der Energiefluss etwa  doppelt so groß war. Wir wollen die Auswirkungen auf die globalen Temperaturen  2013…März 2017 deutlich machen:

Abb. 5: Die globalen Temperaturanomalien an der Oberfläche ( GISS, HadCRUT4, beide bezogen auf 1981…2010) und in der Troposphäre ( RSS, UAH, beide mit unterschiedlichen Referenzperioden, daher der optisch hilfreiche Versatz).

 

Schön ist zu sehen, dass etwa ab Herbst 2014 -es gibt eine Verzögerung der ENSO-Wirkung auf die globalen Temperaturen- eine deutliche Aufwärtsbewegung einsetzte, die auch die Freisetzung von Wärme durch das langandauernde ENSO- Ereignis (vgl. Abb.4 links) abbildet. Nach dem Peak (ebenfalls verzögert) sind die Troposphären- Temperaturen inzwischen  wieder da angekommen wo sie in 2013 waren, vor dem ENSO- Ereignis. Die Oberflächentemperaturen sind durch den hohen eingehenden Ozeananteil von ca. 70% naturgemäß träger. GISS vollführte im Februar und März nochmals einen Hüpfer, es sollte nun auch hier weiter abkühlen.   Beim letzten ENSO- Ereignis 1998 half dabei eine LaNina, sie wirkt stärker kühlend auf  die globalen Temperaturen. Sie ist im letzten Jahr praktisch ausgefallen,  daher geht alles langsamer nach unten als 1998/99. Wir werden sehen, wie sich die Temperaturen weiter entwickeln, recht wahrscheinlich wissen wir im Sommer mehr. Wir halten Sie auf dem Laufenden!