Die Sonne im März 2016, ein versiegender El Nino und die berüchtigten „Tipping Points“

Von Frank Bosse und Fritz Vahrenholt

Unser Muttergestirn  war im März  wiederum unternormal aktiv: die festgestellte SSN (SunSpotNumber) betrug 54,9, dies sind nur etwa 2/3 des mittleren Wertes (82,5)  für diesen Zyklusmonat. In der regelmäßigen Graphik an diesem Ort unserer Kolumne sieht dies so aus:

Abb.1: Der Verlauf des aktuellen Zyklus 24 (Solar Cycle: SC)  seit seinem Beginn im Dezember 2008 ( Monat 1) bis zum März 2016 ( Monat 88) in rot, ein mittlerer Zyklus aus den bisherigen Zyklen 1-23 ( blau) und der seit Monat 76 recht ähnliche Zyklus 5 ( schwarz), der von Mai 1789 bis Dezember 1810 festgestellt wurde.

 

Im Vergleich der aufsummierten SSN der Zyklen untereinander fällt der aktuelle SC gegen die meisten anderen weiter zurück:

Abb. 2: Die aufsummierten Anomalien (dies sind die Differenzen zwischen dem mittleren Zyklus, blau in Abb.1,  und den jeweils festgestellten monatlichen SSN- Daten der einzelnen Zyklen) für die bisher systematisch beobachteten Sonnenzyklen seit 1755.

 

So wenig aktiv wie der aktuelle SC 24 waren nur die drei (SC 5,6 und 7) des „Dalton Minimums“( 1790-1830) wobei die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass dessen SC7 im weiteren Verlauf noch unterboten werden wird. Unsere Sonne ist ein sehr „mittelmäßiger“ Stern der Spektralklasse https://de.wikipedia.org/wiki/Spektralklasse   G2 ( ein „Allerweltstyp“ in unserer Galaxis wie auch ein Nachbarstern namens Alpha Centauri A ). Dies ist eine Voraussetzung dafür, dass auf unserer Erde der Evolution genug Zeit verblieb, intelligentes Leben hervorzubringen. Viel aktivere Sterntypen hätten dies sehr wahrscheinlich nicht zugelassen, sie neigen dazu, durch ungleich stärkeren „Sternenwind“ die Atmosphäre eines Planeten recht schnell zu „verblasen“. Schön ist das an einem aktuellen Bild des Weltraumteleskops „Hubble“ zu sehen:

Abb. 3: Der helle bläuliche Stern innerhalb  der „Blase“ aus Staub und Gasen ist sehr aktiv. Er erzeugt durch den Druck seines Sternenwindes die nahezu ideal kugelförmige Gestalt  der etwa 10 Lichtjahre großen „Blase“. In der Umgebung des Sternes wäre ein Planet mit einer Atmosphäre kaum denkbar. Bildquelle: NASA

 

Sind jedoch einzelne Superflares (extrem starke Eruptionen auf der Sternoberfläche) bei der Sonne völlig ausgeschlossen? Eine aktuelle Studie von Forschern um Christoffer Karoff von der Universität Aarhus in Dänemark kommt zu dem Schluss: Nein, so etwas könnte passieren! Es gibt Hinweise darauf, dass im Jahre 775 ein Flare auftrat, der viel stärker war als der recht gut nachvollziehbare stärkste in moderneren Zeiten, der „Carrington- Event“ 1859.

Eine mächtige Explosion auf der Sonne, die 100 mal stärker sein könnte, ist zwar recht unwahrscheinlich jedoch nicht ausgeschlossen. Wäre ein solcher Flare erdgerichtet, würde das sehr unangenehm, da alle langen Leitungen davon betroffen wären: Unsere modernen Energie- und Kommunikationswege wären wohl global  abgeschnitten für längere Zeiten. Die Voraussetzung: ein riesiger komplexer Sonnenfleck. Mit seinem Auftreten wäre eine Vorwarnung gegeben, nur welche Maßnahmen könnten dann noch  getroffen werden? Bis dato bleibt nur die Hoffnung, dass wir von einem solaren Energieauswurf dieser Größenordnung verschont bleiben werden.  Die dänische Studie gibt uns aber ein wenig das Gefühl zurück, wie abhängig die Erde von der  Kraft der Sonne, ihrer elektromagnetischen Strahlung als auch ihren Magnetfeldern,  ist.

 

Ein verblühender El Nino und seine Einordnung

In unserer Monatsmitteilung  widmeten wir uns wiederholt (zuletzt hier) dem ElNino, der nun bis hin zum Frühsommer verebbt. Alle Modelle sehen es ähnlich, hier sei das der Columbia-Universität zitiert:

 

Abb. 4: Die Vorhersage der El Nino/ La Nina Bedingungen, Quelle: IRI

 

Die Wahrscheinlichkeit für El Nino- Bedingungen noch im Juni stehen aktuell nur bei 22%, viel wahrscheinlicher ( 56%) sind neutrale Bedingungen. Im Herbst (ab Oktober 2016) ist die Wahrscheinlichkeit für eine kühlende La Nina bei  70%. Dabei ist eine solche nicht etwa das Gegenteil eines El Nino, vielmehr sind es nur verstärkte Normalbedingungen.  Wenngleich alle Modelle ihre Grenzen haben, so spricht auch die Wahrscheinlichkeit dafür, dass einem sehr starken ElNino sehr oft eine ausgeprägte LaNina folgt. Ein anderes Modell der NOAA wagt auch eine Vorhersage der Temperaturen bis in eine Tiefe von 300m:

Abb.5: Die Vorhersage der NOAA für die globalen äquatorialen Tiefentemperaturen (Quelle: CPC NOAA)

 

Sehr schön wird deutlich, wie sich bis Dezember laut Modell die tieferen Wasserschichten im Westpazifik (120Ost…180 Ost) erwärmen: eine Folge der zu erwartenden ausgeprägten LaNina.  Wir hatten die Zusammenhänge hier erläutert. Diese Wärme geht zunächst nicht in die Messungen der Erdmitteltemperatur ein, daher wird die globale Temperatur sinken. Eine Folge der kühlen Oberflächenwässer, das viele blau in Abb.4. Schauen wir zum Vergleich nochmals auf die Oberflächentemperaturen des tropischen Pazifiks beim Maximum des ElNinos 2015/16:

 

Abb. 6: Die Wasseroberflächentemperaturen des Pazifiks Ende November 2015, Quelle: OSPO NOAA.

 

Die äquatorialen Temperaturen zwischen 180°O und 80°W lagen großflächig bei bis zu 4°C über dem Normalen.  Das ist eine Länge von 11.000 km! Die Verteilungen sind von ElNino zu ElNino dabei recht unterschiedlich. Um die Stärke eines ElNino zu klassifizieren  wird häufig ein Bereich der Wasseroberfläche des tropischen  Pazifiks herangezogen, Nino 3,4.

 

Abb. 7: Der monatliche Index Nino3,4

 

Hier ist zu sehen, welch starke Ereignisse die El Ninos von 1997/98 und der noch aktuelle waren. Welche Auswirkungen diese nun schon wieder abflauende  impulsartige Entladung von Wärme auf die längerfristigen globalen Temperaturen haben werden, können wir heute noch nicht abschließend bewerten. Das wird frühestens nach dem Abklingen der wohl unweigerlich folgenden LaNina, also bestenfalls Mitte 2017 möglich sein. Alles andere ist Spekulation, an der wir uns nicht beteiligen wollen.

 

„Tipping-Points“ adé?

Erinnern Sie sich noch an die Horror-Mitteilungen von drohenden Kipp- Punkten des Klimas?  Es wurde oft und gerne der Teufel an die Wand gemalt:

 

Abb. 8: Die „Kippelemente“ des Weltklimas, Quelle: PIK

 

Dabei wurde vorausgesetzt, dass  kritische Schwellen durch die Klimaerwärmung unter/überschritten  werden und ein Kippen des ganzen Systems zu erwarten wäre. So ähnlich wie der Übergang in eine neue Qualität durch das Anhäufen von kleineren Quantitäten, wie es Karl Marx in seinem „3. Entwicklungsgesetz des dialektischen Materialismus“ postulierte. Ein Problem dieser steilen These in der Klimatologie ist: selbst die IPCC- Modelle (in der letzten Ausgabe die CMIP5- Familie) wollen da nicht mitmachen. Sie sehen eher (zumindest bis 2100) eine lineare, stetige  Entwicklung voraus. Die Verfechter der Katastrophen- Theorien benutzten daher einfachere Konstrukte zur modellhaften Untermauerung ihrer Kassandra- Rufe: meist waren es Energiebilanz- Modelle die das „katastrophale“  Umschwingen zeigten. In jüngster Vergangenheit erschienen nun wissenschaftliche Studien, die dem entschieden widersprachen. Im Falle des indischen Sommermonsuns steht geschrieben:

„ Thus, outside of a theory that omitted a dominant term in the equations of motion, we know of no evidence supporting the idea that monsoons will shut down in response to anthropogenic forcings. Monsoons may have a strong response to anthropogenic forcings, but current theory and numerical models indicate that this response will be nearly linear.”

Quelle: Conclusions der Studie von Wiliam R. Boos und Kollegen der Yale Universität New Haven, PNAS

In einem anderen Falle, der „Todesspirale des arktischen Meereises“, kommt eine andere Arbeit zu einem ähnlichen Schluss: einfache Modelle überschätzen die Möglichkeit von nichtlinearen Tipping-Points:

“This result may help to reconcile the discrepancy between low-order models and comprehensive GCMs in previous studies. Specifically, it suggests that the low-order models overestimate the likelihood of a sea ice “tipping point.”

Die Autoren Till J. Wagner und Ian Eisenman von der Universität von Kalifornien führen weiter aus, dass auch die Nichtlinearität (der Kollaps) der AMOC (vgl. unseren Beitrag hier) ein Artefakt eines zu einfach gestrickten Modells sein sollte. In einem anderen Fall aus Abbildung 8 oben  können Sie sich selbst ein Bild machen: Die „Tipping Point-Theorie“ sagt voraus, dass von einem Jahr zum anderen auf einmal nur noch ElNino- Bedingungen im Ostpazifik herrschen sollen. Sehen Sie unser Bild 7 an: Nino3,4  zeigt einen Trend von null und die Reihe der Beobachtungen der Meeresoberflächentemperaturen  wurde NICHT vom Trend befreit wie es zwar für den Zweck üblich,  jedoch unnötig ist! Man sollte nicht auf den revolutionären Umschwung in eine neue Qualität warten sonst tritt man in die Fußstapfen von Karl Marx, der in der Analyse der Gesellschaft treffsicher wie kaum ein anderer war. In der Prognose scheiterte er grandios!