Von Frank Bosse und Fritz Vahrenholt
Unser (nahezu) einziger Energielieferant im Zentrum unseres Planetensystems war auch im Januar sehr schwach, auch wenn uns bewusst ist, dass wir uns in diesen Monaten im Minimum der Fleckenaktivität befinden. Die festgestellte SSN (für Sun Spot Number) von 7,8 erreichte nur 24% des Mittelwertes im Monat 122 aller bisher berücksichtigten 23 Zyklen seit 1755. Hier muss man allerdings hinzufügen, dass eine ganze Reihe von Zyklen im jeweiligen laufenden Monat 122 seit Beginn bereits beendet war.
An 16 Tagen war die Sonne gänzlich fleckenlos, alle Aktivität an den übrigen Tagen spielte sich vorrangig durch eine Fleckengruppe des Zyklus 24 auf der Nordhemisphäre der Sonne ab. Der neue langsam sich entwickelnde Zyklus machte sich erst wieder im Februar 2019 mit entsprechend umgekehrt gepolten Magnetfeldern von winzigen Flecken bemerkbar. Der Januar gehörte also gänzlich dem vergehenden SC (für Solar Cycle) 24.
Abb.1: Der Verlauf des SC24 (rot) im Vergleich zu einem errechneten monatlichen Mittelwert der Zyklen 1-23 (blau) und dem seit 2013 sehr ähnlichen SC 5 (schwarz).
Weiterhin „dümpelt“ die Sonnenaktivität auf sehr niedrigem Niveau, deutlich geringer als im Mittel (Abb. 2).
Abb. 2: Die Aktivität der einzelnen Zyklen im Vergleich. Die Zahlen entstehen durch das Aufaddieren der monatlichen Differenzen zum Mittelwert (blau in Abb.1) bis zum jeweiligen Monat 122 der Zyklen, so diese noch andauerten.
Das einzig spannende bleibt: wie lange verharrt der Zyklus im Minimum und wann „zündet“ der neue SC25? Bisher gibt es dafür keine Anzeichen. Es kann dauern, zumal schwache Zyklen öfter länger brauchen ehe sie endgültig vorüber sind.
Hitzewelle im adriatischen Raum: der anthropogene Klimawandel begünstigte ihn (?)
Eine interessante Arbeit erschien recht aktuell. Die Autoren um Sarah Kew vom niederländischen KNMI untersuchten die Hitzewelle im August 2017. Sie benutzten verschiedene Datenquellen um dieses Ereignis zu bewerten: War es Klimawandel und wie stark wirkte er sich aus: Wie viel öfter haben wir mit solchen Ereignissen zu rechnen durch die anthropogene Erwärmung? Der Schauplatz wird in Abb. 1b der Arbeit dargelegt:
Abb.3: Die Lokalisation der Hitzewelle Anfang August 2017 mit den Temperatur-Abweichungen vom langjährigen Mittelwert dieser Tage. Das schwarz gezeigte Viereck ist das Untersuchungsfeld. Quelle: Abb.1b von Kew et al. (2019).
Solche Hitzewellen kommen vor in dieser Gegend, davon kann der Mitautor (FB) dieses Artikels ein Lied singen, wenn er im Sommer die griechischen Gestade segelnd befährt. Entsprechend hoch sind für diese Tage dann auch die Abweichungen vom mittleren Temperaturwert, eben weil die heißen Tage „ausgemittelt“ werden bei 30 betrachteten Jahren. Mit regionalen und globalen Klimamodellen forschten die Autoren nach dem menschgemachten Anteil am gegebenen Ereignis. Bei sich generell erhöhenden Temperaturen werden wohl auch Hitzewellen heißer. Das Ergebnis der Arbeit: so einfach ist es nicht! Die Autoren stellen fest, dass die benutzten Modelle nicht ausreichen, einen soliden Zusammenhang zu etablieren. Sie schreiben:
„A formal attribution to anthropogenic climate change is therefore not possible but is very plausible given the attributed rise in seasonal mean temperatures“
Dann geben sie sogar Zahlen an, mit der genau diese Hitzewelle durch den Klimawandel heutzutage öfter vorkommen wird als um 1950: etwa 5 fach häufiger! Wie machen sie das? Sie erzeugen einen Zusammenhang mit der globalen Temperaturanomalie und der Amplitude der Tmax (maximale Tagestemperatur) sowie mit der Rückkehrwahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses. Wer will kann dies mithilfe von Abb.2 in der Arbeit nachvollziehen. Der Schluss ist also: es wurde global wärmer und das führt zu einer 5-fache erhöhten Wahrscheinlichkeit für sehr heiße Tage im Sommer in diesem Raum. Wir halten diese Aussage für nicht haltbar und wollen dies begründen.
Wenn man lokale Extremereignisse untersucht, so sollte man sich vergewissern, dass man zumindest alle großskaligen dort wirkenden Einflüsse berücksichtigt. Es ist lange bekannt, dass die Sommertemperaturen in Europa auch von der atlantischen multidekadischen Oszillation (AMO) beeinflusst werden. Erst unlängst erschein hierzu eine hoch interessante Arbeit von einem Team unter Bo Wu vom Institut für Atmosphärenphysik in Bejing sowie auch zwei Wissenschaftler vom MPI Hamburg und vom Deutschen Wetterdienst DWD. Sie suchen Wege, die dekadischen Vorhersagen der sommerlichen Landtemperaturen der Extratropen der Nordhalbkugel zu verbessern, was u.a. auch für die Landwirtschaft von großer Wichtigkeit ist. Diese Vorhersagen waren bisher von eher schlechter Qualität und daher ist das Ziel der Arbeit nachvollziehbar. Was wirken da für Faktoren? Es sind zwei, die bestimmend sind: Eine Langzeiterwärmung vor allem durch den anthropogenen Antrieb, so die Autoren, und die AMO. Mit ausgeklügelten statistischen Werkzeugen berechnen die Wissenschaftler die relative Stärke der Einflüsse und zeigen das in ihrem Bild 2b der Arbeit. Wir haben das Gebiet (vgl. Abb.3) vergrößert:
Abb. 4: Der Einfluss der AMO , je mehr rot desto stärker, in der Spitze etwa 25%, recht genau in dem Gebiet, das von der Hitzewelle 2017 betroffen war. Quelle: aus Abb. 2b, Wo et al. (2019)
Die Wirkung der Langzeiterwärmung geht zu ca. 45% ein, folgt man Wu et al.(2019). Der Rest ist Wetter. Die Einflüsse der AMO (manche nennen sie auch AMV für –Variabilität) auf die Sommertemperaturen in Europa sind schon sehr lange bekannt und oft bestätigt, es gibt dutzende Arbeiten hierzu und auch wir hatten dazu schon 2016 berichtet. Umso mehr muss es verwundern, dass in einer Arbeit über Sommerereignisse in Europa (Kew et al.) das Wort AMO oder AMV nicht ein einziges Mal erwähnt wird! Es gibt diesen nachgewiesenen natürlichen Einfluss schlicht in der Studie nicht. Wenn man natürliche Einflüsse „vergisst“ wird jede Veränderung dem anthropogene Antrieb zugeschlagen.
Zumindest ein Mit-Autor hätte es wohl wissen sollen: G.-J.-v. Oldenborgh schrieb 2009 eine Arbeit, in der er einen später oft benutzten AMO-Index entwickelte. Nun, wir können aushelfen. Wir haben die Methode der Arbeit nachvollzogen. Sie bildet zunächst 3-tägige Mittelwerte der Tmax in dem Gebiet, die von einer europäischen meteorologischen Reihe des KNMI stammen. Alsdann suchten wir die Maximaltemperaturen der einzelnen Jahre (Hitzewellen) und trugen diese auf. Das gleiche mit der AMO nach dieser Arbeit.
Abb. 5: Die heißesten Tage des Jahres im Gebiet definiert in Abb. 3 und die AMO, beides leicht 5-jährig geglättet.
Der Zusammenhang ist nicht nur offensichtlich sondern auch statistisch hoch signifikant, R²=0,18; p=0,00026, und damit sind die Ergebnisse aus Wu et al. (2019)-Abb.4- bestätigt. Wir haben das Verfahren auch erprobt, indem wir noch die Dauer von Hitzewellen über 30°C einfließen ließen, es ist das gleiche Ergebnis. Den Hitzerekord hält tatsächlich 2017 mit 34,6°C, es folgt 2007 mit 34,2°C und mit auf dem Podest steht 1950 (!) mit 33,9°C. Donnerwetter: 2017 war 0,7°C in der Spitze wärmer als 1950!
Die AMO hatte ihr Maximum vor 1950 in den 30er und 40 er Jahren, zumindest bis dahin zurück sollte man die europäischen Hitzewellen also untersuchen, um irgendeine Aussage zu treffen, die hier notwendigerweise die Berücksichtigung der AMO erfordert. Für Nordamerika ist das jedenfalls in der Literatur auch gut bekannt: 30% mehr Hitzewellen in warmen AMO-Phasen. Es ist wie so häufig: Natürliche Einflüsse werden in solchen „Attributierungs-Arbeiten“ oft vernachlässigt, hier ist es total unverständlich. Dadurch wird der anthropogene Anteil übertrieben dargestellt.
Wir möchten uns hier nicht die Mühe machen, den Einfluss der AMO auf die konkrete Hitzewelle in 2017 bestimmen zu wollen. Vermutlich ist das auch nicht möglich, da zu viel „Wetter“ einfließt. Den Autoren hätten wir als Editoren jedoch die Arbeit zurück geschickt mit dem Hinweis, dass die Vernachlässigung der natürlichen AMO die Ergebnisse ihrer Arbeit stark infrage stellt. Warum die vielen Fachleute unter den Autoren selbst und die lange Liste der Editoren (5 Personen!) dies nicht erkannten, darüber kann nur gemutmaßt werden. Sollte also in einigen Medien alsbald die These vertreten werden: „5 mal so viele Hitzewellen durch den Klimawandel in Europa!“ dann wissen Sie, dass das auf einer Arbeit beruht, die fundamental korrigiert gehört.