Die Sonne im Januar 2015 und atlantische Prognosen

Von Frank Bosse und Fritz Vahrenholt

Die Sonne erreichte im Vormonat eine SSN (SunSpotNumber) von 67,0 und war damit wiederum unterdurchschnittlich aktiv: Sie erreichte 85% des in diesem Zyklusmonat üblichen.

Abb. 1: Die mittlere Aktivität der Sonne (blau) seit dem ersten systematisch beobachtetem Zyklus und die aktuelle (der 24. Zyklus, rot) sowie dem bisher relativ ähnlichem Zyklus 1 vor ca. 260 Jahren.

 

An der roten Kurve könnte man ablesen, dass das Fleckenmaximum nun endgültig vorbei ist. So einfach war das bisher nicht zu identifizieren, denn statt eines relativ üblichen markanten Maximums (vgl. die Mittelwertkurve in Abb. 1) gab es zwei Spitzen und eine deutliche Delle. Gewissheit statt visuellem Schätzen bringt die Beobachtung der polaren magnetischen Felder der Sonne. Wir hatten darüber vor Jahresfrist ausführlicher berichtet. Kurz gesagt haben die polaren Felder beim Maximum der Sonnenflecken einen Nulldurchgang, sie wechseln beide die Vorzeichen. Die Differenz nordpolare Felder minus südpolare Felder wird ebenfalls null, allerdings kann das mehrfach geschehen, wenn die Felder nicht gleichzeitig reversieren, was oft der Fall ist. In diesem Zyklus war das Oszillieren um die Nulllinie jedoch schon recht heftig:

Abb.2: Die Differenz der polaren Felder der Sonne, Quelle: leif.org.

 

Zum  ersten Mal wurde „Null“ im Herbst  2012 getestet, später  im Frühsommer 2013 und nochmals Anfang 2014. Das Maximum zog sich über 15 Monate hin, nun scheint der Kurs jedoch deutlich von Null weg zu führen und das Maximum  vorbei zu sein. Der Monat mit der höchsten Aktivität war Nummer 63 des Zyklus, der Februar 2014 mit SSN= 102,8. Im langjährigem Mittel ist es der mit der Nummer 40, also nahezu 2 Jahre früher mit SSN=122. Wir sehen gegenwärtig einen sehr ungewöhnlich schwachen Zyklus mit verspätetem Beginn und Maximum. Was ebenfalls auffällt: Die polaren Felder bauen sich nur sehr zögerlich auf, besonders der solare Nordpol dümpelt nach wie vor um  Null. Ob das ein Fingerzeig auf einen noch viel schwächeren Folgezyklus ist? Noch kann man sich nicht festlegen, in ein paar Jahren jedoch gewiss. Der Vergleich der Zyklen untereinander:

Abb.3: Die aufsummierten Abweichungen zum Mittelwert (blau in Abb.1) aller Zyklen für alle Monate bis zum aktuellen. Der rechte rote Balken in Abb.3 wächst und wächst nach unten, Ausdruck der stark verminderten Sonnenaktivität seit ca. 2006.

 

Wie Sie sich vielleicht erinnern, hatten wir hier vom Nordatlantik berichtet und vermutet, dass eine relativ deutliche Reduktion der Atlantic Meridional Overturning Circulation (AMOC) bevorstehen könnte. Inzwischen liegen weitere direkte Messungen dieser oberflächennah  warmen Strömung  vor, die zumindest den atlantischen Teil der Nordhalbkugel beeinflusst und  weitere große Gebiete der Nordhalbkugel mittelbar. Sie bestätigen unsere Prognosen von damals.

Abb.4: Die Stärke der AMOC zwischen 2004 und Frühjahr 2014 Quelle: climate-lab-book.ac.uk.

 

Sie ist das entscheidende Element, das die AMO (die Atlantische Multidekadische Oszillation) steuert und damit eine wahrscheinlich ca. 65-jährige Schwankung der Temperaturen dort. Sie war bisher auf „positiv“ gepolt, der Übergang von der negativen zur positiven Phase liegt genau in dem Zeitfenster, in dem die meisten Klimamodelle parametriert wurden: zwischen 1975 und 2004.

Abb.5: Die AMO seit 1870, Quelle: climatedataguide.ucar.edu. Das Signal wird ermittelt, indem die Oberflächentemperaturen des  gesamten Nordatlantiks vom linearen Langzeittrend befreit werden. Die AMO ist damit Ausdruck einer internen Variabilität.

 

Der zusätzlich eingebrachte Anstieg durch die variable Oszillation könnte bewirkt haben, dass die Modelle einen zu hohen Antrieb durch Treibhausgase berechnen, denn die AMO wird auch in den neuesten Modellen „CMIP5“ nicht berücksichtigt; wenn es um die globalen/nordhemisphärischen Temperaturen geht. Doch zurück zur AMOC. Wenn sie nachlässt, sollte das dazu führen, dass der Wärmeinhalt des nördlichen Atlantiks in mittleren Tiefen zwischen 0 und 700 m Wassertiefe fällt und  weniger Wärme polwärts geführt wird. Genau das wird seit etwa 2007 beobachtet:

 

Abb.6: Der Wärmeinhalt der oberen 700m im Gebiet der Wirkung der AMOC, Bildquelle: „Climate Explorer“.

 

Sehr wahrscheinlich ist der Schwerpunkt der AMOC- Auswirkung im „Subpolaren Wirbel“ zu suchen, ein relativ kleines Seegebiet im nördlichen Atlantik um die Südspitze Grönlands herum: 45°N…60°N; 50°W…20W°. Hier sehen wir aktuell recht dramatische Vorgänge:

 

Abb 7.:  Der Wärmeinhalt der Wässer zwischen 300m Wassertiefe und 1250m des Subpolaren Wirbels. Die Begrenzung nach oben (300m) wurde gewählt, um Verfälschungen durch die Wirkung von atmosphärischen Vorgängen zu vermeiden. (Bildquelle: Argo Marine Atlas)

 

Ab dem Frühjahr 2014 (also nach Ende der vorliegenden direkten Messung in Abb. 4) gab es einen tiefen Einbruch. Auch die Vorhersage des britischen Metoffice für die nächsten Jahre berücksichtigt   z.T.  diese Entwicklung und sagt mit einiger Wahrscheinlichkeit für die nächsten 10 Jahre globale Temperaturen am unteren Ende der von Modellen angenommenen Bandbreite voraus. Das ist dort sehr vorsichtig ausgedrückt, es könnte auch einen Temperaturstillstand  über die nächsten 10 Jahre geben und das wäre für die Modelle dann wahrhaftig ein GAU. Wie wir schon im Januar 2014 schrieben:

„[Die AMO] kommt nicht vor in den Modellen des IPCC und würde die Trendsteigung der globalen Temperaturen seit Beginn der ausgeprägten Wirkung von Treibhausgasen auf etwa 1K/ Jahrhundert begrenzen.  Wie lange müssen wir noch warten, bis der IPCC endlich multidekadische Schwankungen akzeptiert, wie sie schon hier und in einigen anderen Arbeiten gezeigt wurden?“

Der Nordatlantik ist wohl ein ganz besonderer Ort und könnte viel zum tieferen Verständnis des Klimas beitragen. Auch ein viel höherer Sonneneinfluss als bisher konzidiert wäre möglich. Eine aktuelle Arbeit von Autoren aus China und Skandinavien untersucht zeitlich recht hoch aufgelöste Proxy-Sommertemperaturdaten aus dem Norden Islands und kommt zum Ergebnis, dass Schwankungen dort seit etwa 3500 Jahren mit Schwankungen der Sonnenaktivität korrespondieren, und zwar signifikant in längeren (Jahrhunderte/Jahrtausende) Zeitspannen.

 

Abb.8: Die Koinzidenz der nordatlantischen Sommertemperaturen mit der Sonnenaktivität im grauen Bereich seit ca. 3500 Jahren oben, mit der Korrelation (Mitte) und der Signifikanz  unten, (je niedriger der p-Wert desto sicherer) des Zusammenhanges. Quelle: Bild 5 der o.g. Arbeit.

 

Wenn Sie genau hinschauen, sehen Sie in Abbildung 8 ganz oben auch eine gewisse Zeitverzögerung der Temperaturen zu den Sonnenaktivitätskennzahlen. Wenn Sie jetzt die Abbildung 3 unseres Beitrages betrachten und die besonders hohe Aktivität bis Ende der 1980er Jahre bemerken und den ziemlich drastischen Absturz danach… was denken Sie, was der solare Antrieb mit den atlantischen Temperaturen anstellen wird? Es könnte ganz bitter kommen für die IPCC-Modellvorhersagen! Wir sind schon darauf gespannt, wie sich das Klima entscheiden wird.