In jedem Berufsleben gibt es Höhen und Tiefen. Für die Klimawissenschaftler waren die 1990er Jahre eine goldene Ära. Die Temperaturen und Klimaangst stiegen parallel zueinander kräftig an und die Forschungsgelder sprudelten üppig. Karrieren wurden gemacht, Einfluss auf die Weltpolitik ausgeübt, persönliche Vortragshonorare eingestrichen. Ein wahrer Rausch. Anfang des 21. Jahrhunderts kam dann jedoch das bittere Erwachen. Das Thermometer wollte einfach nicht mehr weiter. Die Erwärmung stoppte. Katerstimmung machte sich breit. Die Party neigte sich allmählich dem Ende zu. Noch jedoch hatte man die Medienhoheit. Seilschaften hatten sich gebildet. Gemeinschaftlich mit Journalisten wurden wie am Fließband schaurige Klima-Sensationsstories produziert.
Sprung in die Heutezeit. Auch 15 Jahre nach Beginn des Erwärmungsstopps will sich die Natur einfach nicht an die simplistischen Hitzeszenarien der IPCC-Forscher halten. Krisenstimmung. Man möchte sich gar nicht vorstellen, wie es im Inneren von Stefan Rahmstorf aussieht. Den Spaß an der Arbeit hat er höchstwahrscheinlich schon lange verloren. Seine Fachkollegen haben ihn jedenfalls bereits vor mehreren Jahren als Ewiggestrigen aufgegeben, wie Der Spiegel Ende 2009 berichtete:
„Die Erwärmung ist in den letzten Jahren weitergegangen“, behauptet Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) trotzig. Mit dieser Ansicht steht er allerdings weitgehend allein. Der Hamburger Max-Planck-Forscher Marotzke hält dagegen: „Ich kenne keinen seriösen Kollegen, der leugnen würde, dass es in den letzten Jahren nicht mehr wärmer geworden ist.“ […] Marotzke urteilt deshalb, Rahmstorf habe es „argumentativ aus der Kurve getragen“. Marotzke und auch Latif halten die von Forschern wie Rahmstorf betriebene Schwarzrechnerei sogar für kontraproduktiv. „Wir müssen der Öffentlichkeit erklären, dass die Temperaturen durch die Treibhausgase nicht von einem Rekord zum anderen eilen, sondern natürlichen Schwankungen unterliegen“, sagt Latif.
Rahmstorf ist ein echter Dickkopf. Noch immer hält er krampfhaft an seiner Version fest, die Erderwärmung ginge einfach so weiter. Die Fachwelt schüttelt nur noch mit dem Kopf. Die Daten zeigen eindeutig, dass Rahmstorf kräftig daneben liegt. Einige wenige Seilschaftskameraden hat Rahmstorf jedoch noch. Hierzu gehört zum Beispiel Christopher Schrader von der Süddeutschen Zeitung. Am 19. September stellte die Zeitung Rahmstorf noch einmal ihr Blatt als Bühne für einen vielleicht letzten Auftritt zur Verfügung („Die fünf großen Klima-Irrtümer“). Bereits im Aufmacher darf Rahmstorf seine seltsamen Ansichten einer großen Öffentlichkeit präsentieren:
„Ist die Angst vor der Erderwärmung übertrieben? Macht der Klimawandel Pause? Nein, die Erde heizt sich immer weiter auf. Und es gibt keinen Grund zur Beruhigung, auch wenn manche Menschen das Gegenteil behaupten.“
Die Ironie an der Sache: In der kommenden Woche erscheint der neue Bericht des Weltklimarats IPCC. Und schon jetzt ist durchgesickert, dass die Organisation erstmals die Erwärmungspause einräumen wird. Einige europäische Regierungen hatten den IPCC hierzu quasi durch Nachfrage gezwungen. Am Bericht selber hat Rahmstorf nicht mehr mitwirken dürfen. Man hatte ihn bei der 5. Auflage nicht mehr dabeihaben wollen und entfernte ihn kurzerhand aus dem Autorengremium.
In seinem Beitrag in der Süddeutschen Zeitung versucht Rahmstorf nun den Anschein zu erwecken, alles wäre beim Alten geblieben. Der vormals ausgegebene Klimaalarm würde unverändert Geltung besitzen. Er führt fünf Argumente an, die in der mittlerweile zu seinen Ungunsten umgeschlagenen öffentlichen Diskussion seiner Meinung nach fehlerhaft sind. Rahmstorf schreibt:
Erster Irrtum: Die Klimaforscher seien sich nicht einig. […] Dass unsere Treibhausgasemissionen zu einer globalen Erwärmung führen, gehört zum gesicherten Fundament der Klimaforschung. Eine Reihe von Studien zeigt übereinstimmend, dass es darüber einen Konsens von 97-98 Prozent der Klimaforscher gibt. Wir verstehen die Energiebilanz unseres Planeten gut genug. […] Unsicher und umstritten sind in der heutigen Klimaforschung ganz andere Dinge, zum Beispiel die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf Tropenstürme oder wie instabil die Eismassen der Erde sind.
Rahmstorfs Punkt verfehlt glatt das Thema. Von klimaskeptischer Seite wird meist gar nicht in Zweifel gezogen, dass CO2 eine Klimawirkung hat. Vielmehr dreht es sich in der Diskussion darum, wie hoch diese Klimawirkung ist. Beträgt die CO2-Klimasensitivität wirklich gefährliche 3°C pro CO2-Verdopplung wie der IPCC in seinem letztem Bericht schrieb, oder muss man eher von der Hälfte oder noch weniger ausgehen, wie eine Serie neuerer Arbeiten zeigt und wie wir es in unserem Buch „Die kalte Sonne“ dargelegt haben? Ein schwacher Einstieg von Rahmstorf in die Diskussion. Er schreibt weiter:
Zweitens: der Weltklimarat übertreibe. Das ist leider eine schwache Hoffnung. Denn das Konsensverfahren des IPCC, bei dem sich viele Forscher auf gemeinsame Formulierungen einigen müssen, führt im Gegenteil zu einer Art kleinstem gemeinsamen Nenner. Tatsächlich haben der heute gemessene Meeresspiegelanstieg und die Eisschmelze in der Arktis die früheren IPCC-Szenarien längst überholt. Schlecht quantifizierbare Risiken wie die Methanfreisetzung aus Permafrostböden bleiben in den Zukunftsszenarien des IPCC ganz außen vor. Es gibt in der Fachliteratur eine ganze Reihe von Projektionen, die einen deutlich rascheren Anstieg des Meeresspiegels erwarten lassen. Der IPPC nimmt sie nicht in seine Prognosen auf, sehr wohl aber werden sie bei den Empfehlungen zum Küstenschutz berücksichtigt, unter anderem in den USA.
Eine böse Irreführung der SZ-Leserschaft. Wenn es überhaupt eine Art Konsens gibt, dann gehen Rahmtorfs Kollegen mittlerweile davon aus, dass der Meeresspiegel eher gemächlich ansteigen wird (siehe unseren Blogbeitrag „Europäisches Forschungskonsortium verwirft extreme Meeresspiegelprognosen“). Auch die Potsdamer Methanbombe ist schon lange nicht mehr aktuell (siehe „In der Fachwelt durchgefallen: Fragwürdige arktische Methan-Schadensstudie ohne robuste wissenschaftliche Grundlage“). Auch hat sich der US-Bundesstaat North Carolina ganz bewusst gegen die Rahmstorfschen Katastrophenszenarien entschieden (siehe „Senat von North Carolina erteilt Rahmstorfs beschleunigtem Meeresspiegel eine Absage“). Wie kann man nur so viel Mist in einen einzigen Absatz verpacken? Gibt es bei der Süddeutschen Zeitung denn überhaupt keine Faktenchecker mehr? Kommen wir nun zu Rahmstorfs drittem Punkt:
Drittens: Vielleicht komme ja alles halb so schlimm, denn die Erwärmung mache gerade Pause. Leider ist das Wunschdenken. Zwar verlief der Temperaturanstieg in den vergangenen 15 Jahren nur halb so schnell wie der langfristige Klimatrend von 0,16 Grad Erwärmung pro Jahrzehnt, aber dies liegt innerhalb der bekannten natürlichen Schwankungen (und ist übrigens wegen der Datenlücke in der Arktis, die sich zuletzt besonders rasch erwärmt hat, auch gar nicht so klar belegt.
Willkommen in Absurdistan! In den letzten 15 Jahren ist es laut offizieller Datenbasis kein bisschen wärmer geworden. Das kümmert Rahmstorf offenbar wenig, er erfindet einfach eine Erwärmung von fast einem Zehntelgrad. Dies ist in höchstem Maße unseriös. Wie kann er dies mit seinem wissenschaftlichen Ethos vereinbaren? Schnell weiter mit Rahmstorfs nächstem Punkt:
Viertens: Das Klima habe sich schon immer verändert. Das ist Fakt, wird aber oft als Grund zur Entwarnung missverstanden. Schon immer hat das Klima drastisch auf Veränderungen der Strahlungsbilanz reagiert – ob das nun die Eiszeiten aufgrund der Erdbahnzyklen waren oder das warme Treibhausklima der Kreidezeit, als aus Gründen der Plattentektonik mehr Kohlendioxid in der Atmosphäre war. Genau deshalb können wir ja praktisch sicher sein, dass das Klima auch jetzt wieder stark reagieren wird, wo der Mensch die Strahlungsbilanz tief greifend verändert. […] Die Erdgeschichte warnt uns auch vor den Folgen: Infolge der Erwärmung am Ende der letzten Eiszeit stieg der Meeresspiegel innerhalb von zehntausend Jahren um über 100 Meter. Wir erwarten in diesem Jahrhundert einen vergleichbar großen Temperaturanstieg – nur rund fünfzigmal schneller als damals.
Die Beteiligung des CO2 an den Klimaveränderungen der Vergangenheit ist quantitativ nicht gut bekannt. Es ist daher nicht möglich, Klimaschwankungen der Vergangenheit als Beweis für die aktuelle CO2-Klimakraft anzuführen. Hier mangelt es dem Ozeanographen Rahmstorf einfach an geologischem Grundwissen. Dies gilt auch für Entwicklung des Meeresspiegels und der Temperaturentwicklung des Holozäns, also der letzten 10.000 Jahre. Kurz nach Ende der Eiszeit stieg der Meeresspiegel innerhalb kürzester Zeit stark an, mit Raten die etwa dem Zehnfachen des heutigen Wertes entsprachen. Mittlerweile ist dieser enorme initiale Anstieg aber stark abgeklungen. Rahmstorfs Darstellung ist erneut irreführend. Auch hat es in den letzten 10.000 Jahren immer wieder Erwärmungsraten gegeben, die der Erwärmung 1977-1998 entsprachen. Die letzten Jahrzehnte als ‚einzigartig‘ und ‚noch nie dagewesen‘ darzustellen ist schlichtweg falsch. Schließlich kommen wir zu Rahmstorfs letztem Punkt:
Fünftens: na und? Was soll so schlimm an einem wärmeren Klima sein? Darüber sollten wir uns keinen Illusionen hingeben. Bei der letzten Zwischen-Warmzeit vor rund 120 000 Jahren lag die globale Temperatur höchstens zwei Grad über dem vorindustriellen Temperaturniveau, der Meeresspiegel aber lag fünf bis zehn Meter höher. Damals lebten nur wenige Menschen – die dürfte das kaum gestört haben. Heute, mit Milliarden Menschen auf der Erde und riesigen Küstenstädten wie Tokio, Mumbai oder New York, wären die Folgen schon verheerend, wenn der Meeresspiegel um nur einen Meter stiege. Gut durch Messdaten belegt ist auch, dass sich die Zahl der Monats-Hitzerekorde verfünffacht hat, und das schon nach nur 0,8 Grad globaler Erwärmung. Der „Jahrhundertsommer“ 2003 hat europaweit zu circa 70.000 Todesopfern geführt; die Hitzewelle 2010 in Russland zu einem Exportstopp für Weizen. Wie häufig es künftig Überschwemmungen, Dürren und Ernteausfälle geben wird, da gibt es noch erhebliche Unsicherheiten.
Was Rahmstorf hier lieber nicht erwähnt, ist, dass es sehr lange dauert, bis die großen Eiskappen auf Temperaturveränderungen überhaupt richtig reagieren. Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass selbst während der erwähnten letzten Zwischeneiszeit das Eis unerwartet stabil geblieben ist (siehe unseren Blogbeitrag „Neue Eiskern-Studie: Grönlands Eisschild schrumpfte während der Eem-Warmzeit nur minimal“). Immer deutlicher wird, dass die Potsdamer Alarm-Truppe die Gefahr für die polaren Eisschilde massiv überschätzt hat (siehe unsere Blogartikel „Antarktischer Eisschild schmilzt wohl doch langsamer als gedacht“ und „Kehrtwende bei der grönländischen Eisprognose: Eine weitere Studie bestätigt ein langsameres Abschmelzen“). Auch Rahmstorfs Ausweichen auf das angeblich gesteigerte Extremwetter ist äußerst fragwürdig. Seriöse Studien konnten mittlerweile überzeugend belegen, dass trotz Klimaerwärmung der letzten 150 Jahre von fast einem Grad weder Hitzewellen, noch Dürren, Stürme oder Überschwemmungen häufiger geworden sind (siehe Übersicht hier). Vielleicht spielt hierbei eine Rolle, dass Rahmstorf früher Auftragsarbeiten für die Munich Re durchgeführt hat, eine Versicherung die nicht schlecht an Extremwetterversicherungen verdient.
Die Veröffentlichung des neuen IPCC-Klimaberichts wird es für Rahmstorf nicht einfacher machen. Es wäre für ihn nun wirklich an der Zeit, die Realität anzuerkennen und sich in nützlicher Weise am Neuaufbau der Klimawissenschaften 2.0 zu beteiligen. Wenn er sich dies aufgrund seiner Vergangenheit nicht zutraut, sollte er sich aus der öffentlichen Diskussion lieber zurückziehen und seine mit deutschen Steuermitteln finanzierte Forschung auf unverfänglichere Themen umstellen. Wie wäre es zum Beispiel mit der Erforschung des ozeanographischen Regimes im Bereich des Bermuda Dreiecks?
Foto Rahmstorf: Frédéric Batier / Lizenz: This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Germany license.