Von Uli Weber
Noch bis weit in die 60-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinein war die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, natürlich ohne Südfrüchte, weitgehend regional organisiert (Abbildung 1).
Abbildung 1: Schematische Versorgungslogistik bis in die 60-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts
Am Beispiel der Molkereien kann man den Verlauf der nachfolgenden Entwicklung ganz gut nachvollziehen. Viele dörfliche Gemeinschaften und Kleinststädte verfügten zu Beginn dieser Entwicklung nämlich noch über eigene Molkereien zur Versorgung der örtlichen Bevölkerung mit Milchprodukten. Rationalisierungen und Konkurrenzdruck haben dann im Laufe von wenigen Jahrzehnten zu einer Zentralisierung auf einige wenige nationale Anbieter geführt. Dazu dürfte sicherlich auch der steigende Marktanteil der Supermarktketten und deren steigende Einkaufsmacht beigetragen haben. Heute werden die Milchprodukte von wenigen zentralen Herstellern zu ihren Verbrauchern in ganz Deutschland transportiert. Und die einzelnen Versorgungsnetze dieser wenigen Großproduzenten dürften sich dabei fast vollständig überschneiden. Die Effizienzsteigerung auf der Verarbeitungsseite ist also mit einer deutlichen Ausweitung der Verteilungslogistik erkauft worden.
Rationalisierungen in der Produktion und die Vereinheitlichung von Produkten haben so oder ähnlich in vielen Bereichen der Nahrungsmittelproduktion zu einer Konzentration auf wenige Anbieter bei einer erheblichen Ausweitung der logistischen Verteilungsnetze geführt. Durch die Globalisierung hat sich dieser Prozess über Ländergrenzen hinaus immer weiter fortgesetzt (Abbildung 2). Das gilt auch für die Produktion von technischen Geräten, die sich dabei immer stärker auf die Schwellenländer mit industriellen Minimallöhnen konzentriert. Alle diese Rationalisierungsprozesse haben am Ende aber zu einer Ausweitung der Verteilungslogistik geführt und damit zu einem erhöhten CO2-Ausstoß.
Abbildung 2: Schematische Versorgungslogistik nach der Globalisierung
Heute fährt der Verbraucher in seinem Einkaufswagen also eine bunte Mischung von Produkten herum, deren Herkunft sich auf die halbe Welt verteilt. Diese Entwicklung war nur möglich, weil Rationalisierung immer als eine reine Reduzierung von direkten Kosten aufgefasst worden ist, und zwar auf Basis der Verbraucherpreise für das betreffende Produkt selbst inklusive der zugehörigen Verteilungslogistik.
Die Kosten für den Wegfall von Arbeitsplätzen in einer Region, für den Straßen-, Hafen- und Flughafenbau und für die CO2-Emissionen der Logistikketten werden dabei den Produkten selbst nicht zugerechnet. In den Verbraucherpreisen erscheinen vielmehr lediglich die anteiligen Nutzungsentgelte für diese Transportkette. Und so können dann schließlich Schnittblumen aus Brasilien auf einem Hamburger Wochenmarkt preislich günstiger angeboten werden als die Blumen aus dem Alten Land.
Grundsätzlich betrachtet lässt sich der Anfangszustand vor Zentralisierung und Globalisierung der Nahrungsmittelproduktion also als eine regionale Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, regional angesiedelten Arbeitsplätzen in der Nahrungsmittelproduktion und jahreszeitlichen Einschränkungen in der Produktverfügbarkeit beschreiben. Im Verlauf von Zentralisierung und Globalisierung wurden dann nationale und internationale Logistikketten aufgebaut, die, bei einer Einschränkung der regionalen Produktvielfalt, zu einer generellen und ganzjährigen Verfügbarkeit von Nahrungsprodukten geführt haben. Diese Entwicklung hat für den Einzelnen sicherlich zu einer Steigerung der Lebensqualität geführt.
Die beschriebene Entwicklung ist natürlich nicht ohne eine gewaltige volkswirtschaftliche Umverteilung abgelaufen. Eigentlich haben wir dabei am Ende ja regionale Arbeitsplätze, regionale Kaufkraft und kurze Verteilungswege in internationale Arbeitsplätze und internationale logistische Verteilungsnetze umgewandelt, wobei der wirtschaftliche Ertrag dieser Optimierung am Ende den Verbrauchern und den internationalen Konzerne zugutegekommen ist. Seit 1980 hat sich der internationale Außenhandel fast verzehnfacht und damit auch der CO2-Ausstoß für die entsprechende Transportlogistik. Die Abbildungen 3 und 4 zeigen diese Entwicklung für den Zeitraum zwischen 1980 und 2008. Man erkennt hier am Ende ganz deutlich das globale Nullsummenspiel, weil ja ständig genauso viele Produkte ein- wie ausgeführt werden.
Das heißt nun allerdings zwingend, dass wir die weltweite Logistik in den Maßnahmenkatalog für eine Dekarbonisierung der Welt aufnehmen müssen. Schließlich muss uns der für unsere Versorgung mittelbar notwendige CO2-Ausstoß ebenfalls anteilig zugerechnet werden.
Abbildung 3: Entwicklung des internationalen Importaufkommens für die Jahre 1980 – 2008 (Datenquelle: Statistisches Bundesamt)
Abbildung 4: Entwicklung des internationalen Exportaufkommens für die Jahre 1980 – 2008 (Datenquelle: Statistisches Bundesamt)
Bei einer Dekarbonisierung unserer Welt müssen wir also auch zwingend die weltweiten logistischen Verteilungsnetze aufgeben und wieder zu einer regionalen Verteilung von Nahrungsmitteln und Industriegütern zurückkehren. Der bisherige Globalisierungsprozess hatte sich über etwa ein halbes Jahrhundert entwickelt und dürfte sich jetzt gar nicht mehr so einfach umkehren lassen, jedenfalls nicht ohne ganz erhebliche Einschränkungen unseres Lebensstandards und unserer persönlichen Ansprüche. Insbesondere die Liebhaber von ökologischen Nahrungsmitteln, Vegetarier und Veganer müssen dann im Winter auf das Einfliegen von Produkten aus südlichen Anbauregionen verzichten und mit eingelagerter regionaler Ware vorlieb nehmen – also viel Spaß bei der Dekarbonisierung der Welt!
Literaturnachweis:
Abbildungen 1-4 und Teile des Textes aus „Klimahysterie ist keine Lösung“ (ISBN 978-3844806625)
Daten zum Welthandel: Zahlen des Statistischen Bundesamtes, Statistisches Jahrbuch 2010, A.18.1 Welthandel, Quelle dort: World Trade Organization, Genf