Haben Sie schon einmal die Mitternachtssonne im arktischen Polarmeer genossen? Das exotische Ausflugsziel zieht immer wieder Politiker an, die sich unter dem Hinweis auf den Klimawandel zu einer Studienreise nach Spitzbergen aufmachen. Letztes Jahr war die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Prof. Dr. Johanna Wanka, auf Spitzbergen. Dabei ging so einiges schief (siehe unseren Blogbeitrag „Um Antwort wird gebeten: Weshalb lässt das AWI die heißen 1930er Jahre auf Spitzbergen unerwähnt?„).
Für die diesjährige Reisesaison hatte sich nun Wankas Kollegin, Bundesumweltministerin Barbara Hendricks für die Fahrt eingeschrieben. Per Pressemitteilung kündigte Hendricks am Tag der Abfahrt am 11. Juli 2016 ihre Fahrt an:
Hendricks: Arktis ist Frühwarnsystem für globalen Klimawandel Ministerin besucht Forschungsstationen in Spitzbergen
Die Arktis ist vom Klimawandel besonders betroffen und gilt als Frühwarnsystem für die globale Erderwärmung. Um sich über die konkreten Auswirkungen des Klimawandels und die Forschungsarbeiten vor Ort zu informieren, besucht Bundesumweltministerin Barbara Hendricks vom 11. bis 15. Juli Spitzbergen. Die Reise in die norwegische Arktis findet in Kooperation mit dem norwegischen Umweltministerium statt.
Hendricks: „Die Arktis ist besonders vom Klimawandel betroffen: Ob überdurchschnittlich ansteigende Lufttemperaturen, zurückweichende Gletscher, auftauender Permafrostboden oder schmelzendes Meereis – die Folgen sind bereits heute überall zu beobachten. Die Auswirkungen betreffen nicht nur die Region selber. Es gibt auch Rückwirkungen auf
uns: Zum einen durch steigende Meeresspiegel. Zum anderen weisen Forscher darauf hin, dass es einen Zusammenhang zwischen veränderten Extremwetterlagen in Europa, wie wir sie gerade im Juni in Deutschland erlebt haben, und schmelzenden Schnee- und Eisflächen in der Arktis geben könnte.“Am University Center Svalbard (UNIS) in Longyearbyen sowie in Ny Alesund wird die Ministerin deutsche und internationale Forscher treffen, die sich mit Grundlagenforschung zu Umwelt und Klimawandel befassen. Das deutsche Alfred-Wegener-Institut (AWI) und andere internationale Forschungseinrichtungen leisten am Standort Ny Alesund wertvolle Beiträge zur Erforschung des Klimawandels und seiner Auswirkungen. Die Leiterin des AWI, Frau Prof. Dr. Karin Lochte, wird Hendricks auf der Reise begleiten.
Wir hoffen, die Reisegruppe hatte viel Spass jenseits des Nordpolarkreises. Der behauptete Zusammenhang zwischen schwindendem Meereis und Extremwetter ist mittlerweile allerdings schon widerlegt, was man in Berlin im hektischen Alltag vielleicht nicht mitbekommen hatte:
- Studie der Colorado State University findet keinen Zusammenhang zwischen Kälte- oder Hitzewellen und schrumpfendem Meereis
- Neue Studie der ETH Zürich lehnt schwindendes arktisches Meereis als Hauptauslöser für kalte europäische Winter ab
Am vorletzten Tag der Reise (14.7.2016) freute sich das Alfred-Wegener-Institut via Pressemitteilung über den prominenten Besuch auf seiner Arktisstation:
Umweltministerin Hendricks besucht AWIPEV-Station
AWI-Direktorin Lochte und Wissenschaftler informieren über Forschung zum Klimawandel auf Spitzbergen.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks besucht Spitzbergen, um sich über den Klimawandel zu informieren. Gemeinsam mit Direktorin Karin Lochte und Wissenschaftlern des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) diskutiert sie über die globale Erwärmung, die in der Arktis besonders stark und rasch auftritt.
Zwei weitere dürre Absätze folgen, dann ist die Meldung auch schon wieder zuende. Außer Spesen nichts gewesen? Man kann nur hoffen, dass das AWI endlich das Missverständnis Meereis/Extremwetter aufgeklärt hat. Einen Tag zuvor (13.7.2016) hatte die Ministerin bereits einen Artikel auf der Ministeriumsseite veröffentlichen lassen:
Wie das nördlichste Dorf der Welt den Klimawandel erforscht
Jeden Tag um 13 Uhr lassen die Forscher vom Alfred-Wegener-Institut auf Spitzbergen einen Luftballon steigen – und das seit 25 Jahren. Letztes Jahr hat ihnen Ban Ki-moon dabei geholfen, der UN-Generalsekretär. Und an diesem Mittwoch ist es Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, die den Ballon in die Stratosphäre entlässt.
Ballonsteigen lassen auf Spitzbergen, allmählich wird klarer, worum es bei dem Besuch ging. Im folgenden Absatz der Pressemitteilung wird es dann etwas konkreter:
Denn dieser heliumgefüllte Ballon ist nicht nur außergewöhnlich groß, er zieht auch Sonden in die Höhe, mindestens 30 Kilometer hoch. Von dort oben funken sie Daten herab, die den Forschern in Ny Alesund zeigen, wie warm oder kalt die unterschiedlichen Luftschichten sind und wo welcher Wind herrscht. In den letzten zehn Jahren haben sich die Messwerte deutlich verändert. Hoch oben in der Stratosphäre wird es kälter. Denn die Wärme, die dort fehlt, hat sich nach unten verlagert – und macht nun Menschen und Tieren am Boden zu schaffen, vor allem in der Arktis. Während der Globus sich im Durchschnitt seit der Industrialisierung um knapp 1 Grad erwärmt hat, waren es hier auf Spitzbergen mehr als 2 Grad in den letzten 20 Jahren, denn wenn das Meereis schmilzt, wird weniger Sonnenlicht in die Stratosphäre reflektiert und heizt stattdessen das Meer auf – die Erwärmung verstärkt sich so selbst.
Hendricks‘ Mitarbeiter machen hier denselben Fehler wie bereits die von Wanka ein Jahr zuvor. Oder haben Sie voneinander abgeschrieben? In der Meldung fehlt etwas Entscheidendes. Siehe unseren Blogartikel „Temperaturen auf Spitzbergen seit Beginn der Messungen vor 20 Jahren dramatisch gestiegen – allerdings nur auf das Niveau von 1930„.
Unerwähnt bleibt auch die Mittelalterliche Wärmeperiode (MWP), die vor 1000 Jahre bereits schon einmal langfristig so warm wie heute war. In unserer MWP-Kartierung ist bisher nur eine Studie eingetragen – 87 Papers stehen allerdings in der Warteschleife, bereit zur Auswertung und Ergänzung. Mehr darüber demnächst in Kürze.
Nun sind Wanka und Hendricks also bestens über den Klimawandel auf Spitzbergen informiert. Wer fährt nächstes Jahr? Vielleicht hat ja Klimakanzlerin Angela Merkel ein paar Tage Zeit. Aber bitte dann nicht die Fehler der Vorgänger wiederholen, das wird langsam langweilig.