Am 11. September 2015 herrschte in Potsdam Feierstimmung. Als Stefan Rahmstorf beim Frühstück den Tagesspiegel aufschlug, glänzten seine Augen:
Stärkster El Niño aller Zeiten: Klimaphänomen bedroht Korallen im Pazifik
El Niño trifft den Pazifik: Papua-Neuguinea kämpft mit der schlimmsten Dürre seit 20 Jahren, im September wüteten gleich drei Hurrikans.
Hier stimmte einfach alles: Jede Menge Extremwetter, Klimachaos und dem Tode geweihte Korallen. Noch wichtiger war aber die mit einem El Nino typischerweise einhergehende Temperaturentwicklung: Die globalen Temperaturen würden in den kommenden Monaten wie eine Rakete in die Höhe steigen, das war sicher. Und genau so ist es auch gekommen, wie die RSS-Satellitentemperaturdaten heute in der Rückschau zeigen. Innerhalb von wenigen Wochen, schoss der globale Mittelwert der Temperaturen um ein halbes Grad nach oben (Abbildung 1):
Abb. 1: Verlauf der globalen Mitteltemperaturen seit 2015 (RSS-Satellitendaten, Graphik: Woodfortrees).
Natürlich war die Hitzespitze wie üblich bei El Ninos nur von kurzer Dauer, jedoch erkannte Stefan Rahmstorf sofort seine Chance, dieses Naturphänomen für sich zu instrumentalisieren. Er wollte den kurzen Höhenflug der Temperaturen nutzen, um den lästigen Klimaskeptikern einen Denkzettel zu verpassen. Ganz besonders wollte er es den Autoren des Sachbuches „Die kalte Sonne“ zeigen, denn Fritz Vahrenholt und Sebastian Lüning hatten es in den vergangenen Jahren doch tatsächlich geschafft, den einen oder anderen vom klimaalarmistischen Glauben abzubringen. Rahmstorf schnappte sich die Prognose aus dem Buch, die eine Fortsetzung der seit anderthalb Jahrzehnten anhaltenden Erwämungspause bis in die 2030er Jahre annimmt, wobei in den kommenden Jahren das Wärmeplateau aufgrund sinkender Sonnenaktivität und kühlenden Ozeanzyklen sogar noch leicht absacken könnte.
Es war selbstverständlich noch viel zu früh für einen Vergleich von Prognose und realer Entwicklung, denn üblicherweise glättet man die Temperaturdaten über mehrere Jahre, um wilde Zappler – speziell El Ninos und La Ninas – auszumerzen. Da die Prognose erst 2012 veröffentlicht wurde, blieben für die Operation nur 4 Jahre, also 48 Monate. Bei üblichen Glättungszeiträumen von 3-4 Jahren reicht die geglättete Kurve nur bis Ende 2014, was einen völlig untureichenden Vergleichszeitraum von mageren zwei Jahren ergibt. So richtig viel zu vergleichen gibt es also nicht.
Rahmstorf setzte sich darüber hinweg, die Gelegenheit war einfach zu gut, muss er sich wohl gedacht haben. Als nächstes musste er einen geeigneten Temperaturdatensatz wählen. Hier gibt es ähnlich wie bei den verschiedenen Box-Weltverbänden eine ganze Reihe von ‚Ausrichtern‘. Rahmstorf konnte zwischen Satellitendatensätzen wie RSS auswählen (Abbildung 2) oder auch Datenbanken wie GISS verwenden, die Wetterstationsdaten der Erdoberfläche als Basis verwenden. Allerdings ist das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwendbarkeit der GIS-Daten in den letzten Jahren massiv gesunken, nachdem bekannt wurde, dass die Verantwortlichen NASA-Angestellten am Originalmessdatensatz starke nachträgliche Veränderungen vorgenommen haben, die schwer nachzuvollziehen sind. Diese Eingriffe haben wiederholt stattgefunden, wobei die Manipulationen mittlerweile sogar einen Untersuchungsausschuss des US-Kongresses beschäftigen. Stefan Rahmstorf war die Problematik der GISS-Daten bekannt. Trotzdem entschied er sich bewusst für die GISS-Temperaturkurve, da sie von allen verfügbaren Temperaturdatensätzen den kürzlichen El Nino am dramatischsten zeigte (Abbildung 3).
Abbildung 2: Globale Temperaturentwicklung seit 1980 laut RSS-Satellitendaten. Graphik: Woodfortrees.
Abbildung 3: Globale Temperaturentwicklung seit 1980 laut GISS-Bodentemperaturdatensatz. Quelle: Woodfortrees.
Der Unterschied der beiden globalen Temperaturkurven könnte nicht größer sein. In den RSS-Satellitendaten ist die El Nino-Spitze von 1998 gut zu erkennen und liegt in ihrer Ausprägung nur wenig hinter der El Nino-Spitze von 2015/16. Bei der GISS-Variante fällt der El Nino von 1998 hingegen kaum auf. Das gefiel Rahmstorf offenbar so gut, dass er den GISS-Datensatz wählte. Der Leiter des GISS-Instituts der NASA ist übrigens Gavin Schmidt, ebenfalls wie Rahmstorf bekennender Klimaaktivist. Die beiden sind ein bewährtes Tandem und regelmäßige Autoren der klimaalarmistischen Webplattform ‚Real Climate‚. Die Aktivisten-Buddy-Konstellation macht es schwer, Vertrauen in die instabilen GISS-Daten zu fassen.
Die El Nino-Spitze 2016 entwickelte sich wie gesagt prächtig. Auf dem Höhepunkt setzte sich Rahmstorf an seinen Computer und verfasste den provokativen Beitrag „Rekordwärme auf der Erde trotz kalter Sonne“ für sein Blog „Klimalounge„, der dort am 8. September 2016 erschien. Kernstück war die handgepickte GISS-Temperaturkurve – von seinem Kumpel Schmidt in den letzten Jahren stetig „verbessert“ und auf Linie getrimmt (Abbildung 4). Rahmstorf hielt es dabei im Blogartikel nicht einmal für notwendig, den verwendeten Temperaturdatensatz als GISS-Datensatz zu kennzeichnen (mittlerweile wurde offenbar „NASA“ als Quelle ergänzt – leider wurde der Blogbeitrag nicht von der Wayback-Maschine verfolgt). Der in der Materie nicht so bewanderte Leser musste also annehmen, dass dies der einzige Datensatz wäre bzw. dass sich alle Datensätze ähneln.
Abbildung 4: Stefan Rahmstorfs Darstellung der Temperaturentwicklung seit 1960 und Vergleich mit der Prognose aus dem Buch „Die kalte Sonne“. Quelle: Klimalounge.
Blick in die psychologische Trickkiste von Stefan Rahmstorf:
–Rahmstorf wählt die dramatischste und umstrittenste aller Temperaturkurven und „vergisst“ dabei nebenbei sogar GISS als Quelle anzuführen. Möglicherweise war die heute genannte Quelle „Nasa“ in der Urversion ebenfalls nicht enthalten (unklar).
–Zur optischen Dramatisierung färbt Rahmstorf das Temperaturplateau der letzten 18 Jahre in rot ein, während er die 1960er in kühlem blau erscheinen lässt.
–Das Wort El Nino erscheint im gesamten Blogbeitrag keine einziges Mal. Ein schlimmer Fauxpas.
–Stefan Rahmstorf lässt die Temperaturkurve an der höchsten Stelle einfach abbrechen, obwohl die Temperaturen zur Zeit der Veröffentlichung des Blogartikels bereits wieder fast Normalniveau erreicht hatten. Die „Temperaturrakete“ war bereits lange wieder auf der Erde gelandet, während sie Rahmstorf noch immer am Firmament darstellte. Heute, Mitte Oktober 2016, hat die Temperaturkurve sogar schon wieder den violett gefärbten Unschärfe-Bereich unserer Prognose erreicht. Wir warten nochmal ein paar Monate und plotten im Frühling 2017 den weiteren GISS-Kurvenverlauf in Rahmstorfs Abbildung um die Absurdität seiner Darstellung herauszuarbeiten.
Zum Amüsement hier das Highlight aus Rahmstorfs Blogartikel:
Falsche Prognosen
Klimaverwirrer oder -verwirrte wie Fritz Vahrenholt („Grönland im Mittelalter fast eisfrei“) wagen sich auch an Prognosen. […] In seinem 2012 erschienenen Buch Die kalte Sonne (mit Sebastian Lüning) präsentierte er dann seine eigene Prognose für die globale Temperaturentwicklung bis 2030 – in Abb. 3 ist sie mit den Messdaten verglichen. Jeder Kommentar erübrigt sich.[Hinweise: Bei der genannten Abbildung handelt es sich um die obige Abbildung 4. Zum angeblichen Grönland-Knüller: Ein klassischer Versprecher in einem Interview, den Rahmstorf genüsslich aufbauscht. Im Buch wird die Eisentwicklung Grönlands detailliert und korrekt geschildert].
Nun gab es offenbar aber doch das eine oder andere zu kommentieren, wie oben festgestellt. Es wird für Rahmstorf schwer werden, mit der getricksten Graphik mittelfristig durchzukommen. Aber vielleicht ging es auch nur um einen kurzfristigen Effekt. Kurz nach Veröffentlichung des Kimalounge-Artikels erschien die irreführende Graphik sogleich in den Wikipedia-Profilen von Fritz Vahrenholt und Sebastian Lüning. War es letztendlich eine Auftragsarbeit von Klimaaktivisten, die in die Wikipediaseiten sehnsüchtig einen angeblichen Prognosefehlschlag eintragen wollten? Ganz offensichtlich sind die Wikipedia-Seiten zum Klimawandel noch immer voll im Griff der Aktivisten (siehe „Unglaublich aber wahr: Politikdoktorand und ehemaliger Greenpeace-Aktivist trimmt Wikipedia-Klimaartikel auf IPCC-Linie„). Alle Versuche, die Beschreibungen sachlich zu korrigieren scheitern, da sämtliche Änderungen nachts von Aktivistenhänden wieder rückgängig gemacht werden. Ein bisschen erinnert dies an das Gespensterschiff von Wilhelm Hauff, das über Nacht stets die bei Tag gesegelte Strecke wieder zurückzusegelt. Dazu muss man wissen, dass die Wikimedia Foundation als Betreiber von Wikipedia offenbar großzügige Spenden von grünen linken Gruppen bezieht.
Verbandelung mit dem Spektrumverlag
Stefan Rahmstorfs Blog „Klimalounge“ wird von SciLogs gehostet, einem Blogportal der Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH. Offenbar fand der Spektrumverlag Rahmstorfs Beitrag so gelungen, dass es den Artikel eine Woche später, am 15. September 2016, sogar auf seiner Verlags-Webseite spektrum.de erneut brachte, um einen noch größeren Leserkreis zu erreichen.
Angesichts der direkt an Fritz Vahrenholt und Sebastian Lüning gerichteten Kritik in Rahmstorfs Beitrag sowie der offensichtlichen fachlichen Mängel im Artikel, baten wir den Spektrumverlag um die Veröffentlichung eines Antwortbeitrags an gleicher Stelle auf spektrum.de. Der Verlag lehnte ab. Stattdessen regte man an, man könne ja im Forum unter Rahmstorfs Beitrag – wie jeder andere Leser auch – kommentieren. Ironischerweise hatten wir genau dies auf spektrum.de bereits getan, jedoch wurde unser Kommentar etliche Tage lang nicht freigeschaltet. Wurden wir zunächst gesperrt, um die Wirkung des Artikels nicht zu beeinträchtigen? Schwer zu sagen.
Als wir dem Online-Redakteur das Problem mitteilten, erschien unser Kommentar umgehend. Auch in der Klimalounge hinterließen wir einen längeren Kommentar (2.10.2016, 10:18h). Immerhin muss man Stefan Rahmstorf zugute halten, dass er zumindest prompt antwortet. Auch wenn die Antworten nicht immer zufriedenstellend sind, kann sich auf diese Weise zumindest ein Dialog entwickeln und Leser können beginnen, sich ein Bild von der Situation zu machen. Trotzdem ist die Weigerung des Spektrumverlags, einen Gegenbeitrag auf spektrum.de abzudrucken äußerst schwach. Hatte man vielleicht plötzlich Angst bekommen, der eigene Autor könnte bei diesem argumentativen Schlagaustausch den Kürzeren ziehen?
Abschließen wollen wir diesen Beitrag mit einer Darstellung des El Nino, den Rahmstorf instrumentalisierte ohne sein Wirken im Artikel auch nur mit einem einzigen Wort zu erwähnen (Abbildung 5). Beide El Ninos 1997/98 und 2015/16 fallen übrigens in dieselbe Kategorie „sehr stark“. Es ist wirklch schwer, einen Elefanten im Raum zu übersehen. Hatte Stefan Rahmstorf wirklich gedacht, dass niemand mitdenkt?
Abbildung 5: Abfolge und Stärke von El Nino und La Nina während der vergangenen 65 Jahre. Abbildungsquelle Dort auch größerformatig): ggweather.com
Abbildung 6: Über 48 Monate geglättete RSS-Temperaturkurve. Die geglättete Kurve reicht lediglich bis Ende 2014. Graphik: Woodfortrees.
Hinweis: Auf die von Rahmstorf in seinem Beitrag geäußerte Kritik an der Klimawirkung der Sonne wollen wir in einem späteren Blogbeitrag separat eingehen.