Im April 2013 erschien in der Wirtschaftswoche ein Interview mit dem Klimawissenschaftler Hans von Storch, in dem er eine klare Grenze definierte, an der die aktuellen IPCC-Klimamodelle unglaubwürdig werden:
WIRTSCHAFTSWOCHE: Wie lange müsste der Stopp der Erderwärmung anhalten, damit Sie ins Grübeln kommen?
VON STORCH: Wenn die Phase weitere zehn Jahre andauern würde, würde ich die These hinterfragen, dass die Treibhausgase wesentliche Ursache für die Erderwärmung sind. Es war ein Fehler, nicht abzuschätzen und zu sagen, wie lange die Stagnation sein kann, ohne inkonsistent zur Erklärung der klimatischen Erwärmung zu werden.
Ein ähnliche Grenze sah der britische Klimawissenschaftler Phil Jones in einer Email aus dem Jahr 2009 an Mike Lockwood, die im Zuge der Climategate-Enthüllungen ans Tageslicht kam:
Bottom line – the no upward trend has to continue for a total of 15 years before we get worried. We’re really counting this from about 2004/5 and not 1998. 1998 was warm due to the El Nino.
Für von Storch ist die Grenze im Jahr 2023, für Jones bereits 2020 erreicht. Am 21. August 2014 meldete die ansonsten IPCC-freundliche BBC nun, dass die Erwärmungspause wohl sogar über 2023 hinaus anhalten könnte:
Global warming slowdown ‚could last another decade‘
The hiatus in the rise in global temperatures could last for another 10 years, according to new research. Scientists have struggled to explain the so-called pause that began in 1999, despite ever increasing levels of CO2 in the atmosphere. The latest theory says that a naturally occurring 30-year cycle in the Atlantic Ocean is behind the slowdown. The researchers says this slow-moving current could continue to divert heat into the deep seas for another decade.Weiterlesen bei der BBC.
Was nun, Herr Storch? Offenbar setzt sich die Erwärmunsgpause nun doch viel länger fort als vom IPCC für möglich gehalten. Im Text der BBC-Meldung geht es um Papers einer Wissenschaftlergruppe um Ka-Kit Tung von der University of Washington, die die kühlende Wirkung von Ozeanzyklen wie der PDO und AMO als Ursache für die fehlende Erwärmung sehen (siehe unsere Blogartikel „Neues Paper halbiert die anthropogene Erwärmungsrate der letzten 50 Jahre“ und „Neue Arbeit in PNAS: 40% der Erwärmung der letzten 50 Jahre ist durch Ozeanzyklen bedingt„). Die neueste Publikation hierzu erschien im August 2014 im Fachmagazin Science:
Varying planetary heat sink led to global-warming slowdown and acceleration
Xianyao Chen and Ka-Kit Tung
A vacillating global heat sink at intermediate ocean depths is associated with different climate regimes of surface warming under anthropogenic forcing: The latter part of the 20th century saw rapid global warming as more heat stayed near the surface. In the 21st century, surface warming slowed as more heat moved into deeper oceans. In situ and reanalyzed data are used to trace the pathways of ocean heat uptake. In addition to the shallow La Niña–like patterns in the Pacific that were the previous focus, we found that the slowdown is mainly caused by heat transported to deeper layers in the Atlantic and the Southern oceans, initiated by a recurrent salinity anomaly in the subpolar North Atlantic. Cooling periods associated with the latter deeper heat-sequestration mechanism historically lasted 20 to 35 years.
In unserem Buch „Die kalte Sonne“ hatten wir bereits 2012 die 60-jährigen Ozeanzyklen als Hauptgrund für die Erwärmungspause der letzten anderthalb Jahrzehnte identifiziert. Es ist schön zu sehen, dass die Wissenschaft nun langsam aufholt und sich unseren Thesen anschließt. Wie diese Ozeanzyklen genau funktionieren, weiß bislang noch niemand so genau. Eine Idee ist, dass alle 60 Jahre Wärme in den Ozeanen versenkt wird, die nach einem halben Zyklus, also nach 30 Jahren, wieder an der Oberfläche auftaucht. Im BBC-Beitrag wird Tung wie folgt zitiert:
But since the year 2000, the heat has been going deeper, and the world’s overall temperatures haven’t risen beyond the record set in 1998. „The floats have been very revealing to us,“ said Prof Tung. „I think the consensus at this point is that below 700 metres in the Atlantic and Southern oceans [they are] storing heat and not the Pacific.“
Ähnliches hatten wir auch hier in unserem Beitrag „Suche nach der angeblich im Ozean versunkenen Wärme endet mit Fehlschlag: Tiefe Meeresschichten kühlten sich in den letzten 20 Jahren ab“ berichtet. In Abbildung 13 des genannten Beitrags sind schön die beiden Wärmebebereiche im Atlantik und Südlichen Ozean zu erkennen, während der Großteil des globalen Tiefenwassers unterhalb von 2000 m Wassertiefe in den letzten 20 Jahren abkühlte. Unter dem Strich kommt im globalen Durchschnitt dann eine Abkühlung heraus, wie Wunsch & Heimbach (2014) zeigen konnten:
Abbildung: OHC-Entwicklung der letzten 20 Jahre. Das Tiefenwasser unterhalb 2000m hat sich in diesem Zeitraum offenbar stetig abgekühlt. Abbildung aus Wunsch & Heimbach 2014.
Auch die im BBC-Beitrag erwähnte Studie von Yu Kosaka und Shang-Ping Xie in Nature hatten wir bereits im Blog vor einem Jahr vorgestellt (siehe unseren Blogpost hier):
RECENT GLOBAL-WARMING HIATUS TIED TO EQUATORIAL PACIFIC SURFACE COOLING
Despite the continued increase in atmospheric greenhouse gas concentrations, the annual-mean global temperature has not risen in the twenty-first century, challenging the prevailing view that anthropogenic forcing causes climate warming. Various mechanisms have been proposed for this hiatus in global warming, but their relative importance has not been quantified, hampering observational estimates of climate sensitivity. Here we show that accounting for recent cooling in the eastern equatorial Pacific reconciles climate simulations and observations. We present a novel method of uncovering mechanisms for global temperature change by prescribing, in addition to radiative forcing, the observed history of sea surface temperature over the central to eastern tropical Pacific in a climate model. Although the surface temperature prescription is limited to only 8.2% of the global surface, our model reproduces the annual-mean global temperature remarkably well with correlation coefficient r = 0.97 for 1970–2012 (which includes the current hiatus and a period of accelerated global warming). Moreover, our simulation captures major seasonal and regional characteristics of the hiatus, including the intensified Walker circulation, the winter cooling in northwestern North America and the prolonged drought in the southern USA. Our results show that the current hiatus is part of natural climate variability, tied specifically to a La-Niña-like decadal cooling. Although similar decadal hiatus events may occur in the future, the multi-decadal warming trend is very likely to continue with greenhouse gas increase.
Ein ähnlicher Artikel wie von der BBC erschienen am selben Tag auch im Telegraph. Selbst die deutschsprachige Presse konnte das Thema nicht mehr ignorieren. Unglaublich aber wahr, sogar das Greenpeace-Magazin berichtete am 22. August 2014 pro-aktiv über die fortdauernde Erwärmungspause und bereitete seine Aktivisten auf die unplanmäßige Entwicklung vor. Auch Bild der Wissenschaft zitiert die neue Tung-Studie und dehnt die voraussichtliche erwärmungslose Zeit dabei interessanterweise auf 15 Jahre aus:
Erst hielt man es für eine Ausnahmeerscheinung, dann zeichnete sich ein Trend ab: In den letzten 15 Jahren sind die globalen Temperaturen deutlich weniger gestiegen, als am Ende des 20. Jahrhunderts. Doch warum? Nun präsentieren Klimaforscher eine stichhaltige Erklärung: Ihren Daten zufolge hat ein natürlicher Prozess eingesetzt, der warmes Oberflächenwasser in tiefe Meeresschichten absinken lässt. Dadurch wird Energie, die sonst die globale Erwärmung anfachen würde in den Meeresbecken abgespeichert. Doch vermutlich wird dieser Effekt nur noch etwa 15 Jahre anhalten, sagen die Forscher. Danach wird die Erwärmung wohl leider wieder Fahrt aufnehmen.
In der Süddeutschen Zeitung beschreibt Christopher Schrader sehr schön, wieviel Unsicherheit in der ganzen Diskussion immer noch steckt. Während die Tung-Gruppe die abgetauchte Wärme im Atlantik vermutet, sehen sie andere Forscher sie eher im Pazifik versteckt:
Schnell wurde tiefes Wasser der Ozeane als wichtiger Grund genannt: Es habe sich besonders erwärmt, sodass der Oberfläche und der Atmosphäre Energie entzogen wurde. Dies haben Chen und Tung nun einerseits mit Daten bestätigt – andererseits den Blick auf den Atlantik gelenkt und weg vom bisher verdächtigten Pazifik. Dort betreffe die Erwärmung des Wassers vor allem oberflächennahe Schichten, sagen die Forscher aus Seattle (Science, Bd. 345, S. 897, 2014). Damit ist die Debatte keineswegs beendet, vielmehr nimmt sie Schwung auf. Erst am vergangenen Sonntag haben Wissenschaftler vom National Center for Atmospheric Research in Boulder, Colorado, ihre Sicht bekräftigt, der Pazifik sei der Ort der versteckten Wärme. Dort hätten die Passatwinde zugenommen, was womöglich Wärme ins Wasser gedrückt hat. Außerdem gab es in den vergangenen Jahren mehr der kühlenden La-Niña-Großwetterlagen als erwärmende El-Niño-Ereignisse.
Atlantik oder Pazifik, auch egal, Hauptsache wir können die vermisste Wärme irgendwo gedanklich zwischenlagern. Denn wenn die Ozeanzyklen dann wieder nach einigen Jahrzehnten in den wärmenden Modus umschalten, soll die Wärme als Geist aus der Tiefe wieder an die Oberfläche und das IPCC-Hitze-Inferno speisen. Was in der ganzen Diskussion noch unberücksichtig bleibt, ist unsere liebe Sonne. Sie hatte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine ihrer aktivsten Phasen der letzten 10.000 Jahre. Nun hat sie wieder in den Sparmodus geschaltet. Zahlreiche geologische Studien weisen auf eine erhebliche klimatische Bedeutung derartiger solarer Schwankungen hin. Vielleicht ist die Wärme gar nicht in vollem Umfang in der Tiefe der Ozeane verschwunden? Vielleicht existiert diese ominöse Wärme einfach gar nicht, da das Sonnenkraftwerk nur mt halber Kraft läuft?
Sehr schön auch die Titelschlagzeile in der Wirtschaftswoche:
Erderwärmung: Klimaforscher korrigieren ihre Prognosen
[…] Vielmehr müssen wir uns daran gewöhnen, dass Wissenschaftler in den nächsten Jahren die eine oder andere Aussage wieder einkassieren müssen – in der sich fortentwickelnden Forschung ist das normal. Unglaubwürdig wurden einige Vertreter nur durch „anscheinend unfehlbare Katastrophenszenarien“, sagt von Storch. […] Ein Teil der Klimamodelle reagiere womöglich zu empfindlich auf den Anstieg der Treibhausgase in der Atmosphäre, meint deshalb der britische Meteorologe Ed Hawkins. Sprich, die Simulationen überschätzen die Erwärmung. […] Andere Forscher sind da kühner. So sorgt aktuell eine Untersuchung eines Teams um den norwegischen Meteorologen Terje Berntsen von der Universität Oslo für Aufsehen. Er setzte die aktuellsten Klimadaten in ein Modell ein und rechnete in die Zukunft. […] Im Rahmen dieser Spanne müssten wir bis dahin wohl – so legen es Berntsens Ergebnisse nahe – mit einem Temperaturanstieg von zwei Grad rechnen. Bisher ging der Weltklimarat (IPCC) davon aus, dass sich die Erde bei einer CO2-Verdoppelung zwischen 2,0 und 4,5 Grad erwärmt – mit drei Grad als wahrscheinlichster Variante. Die Erderwärmung könnte also weniger stark ausfallen, als viele Experten bisher dachten. Noch ist die Studie von Berntsen nicht in einem Fachmagazin publiziert. Aber eine internationale Forschergruppe unter Leitung der Universität Oxford kommt zu ähnlichen Resultaten. […] Die ernüchternde Bilanz, die Jochem Marotzke aus dem Forscherstreit zieht: „Es passiert da etwas sehr Spannendes, aber wir verstehen es derzeit nicht wirklich.“Vollständigen Artikel auf wiwo.de lesen.
Ein interessantes Eingeständnis von Marotzke, dessen Klimamodelle ohne ein gutes Verständnis der Ozeanzyklen wenig wirksam bzw. prognosefähig sind.