Von Eike Roth
KURZFASSUNG
Weltweit sind Ziele für den „Klimaschutz“ festgelegt worden, insbesondere im Pariser Klima-Abkommen. In diesem Beitrag wird untersucht, wie weit diese Ziele sachlich begründet sind und wie sie optimiert werden können. Der Verlauf der global gemittelten Temperatur wird mit dem der CO2-Konzentration verglichen, Übereinstimmung und Unterschiede werden herausgearbeitet und es wird versucht, diese zu begründen und zu erklären. Die Zuverlässigkeit und Aussagekraft von Klimamodellen wird untersucht und bewertet. Mögliche Beiträge anderer Ursachen zur Klimaentwicklung werden diskutiert. Die in Deutschland beschlossenen Maßnahmen zum Klimaschutz werden hinsichtlich ihrer Erfolgschancen überprüft. Als Ergebnis werden viele offene Fragen identifiziert.
ABSTRACT
Goals for climate protection have been established globally, particularly in the Paris Climate Agreement. This paper analyzes the reasons behind and how to optimize the goals. The development of global temperatures is checked against the concentration of carbon dioxide, matches and discrepancies are identified and reasons and explanations are discussed. Reliability and validity of climate models are examined and assessed. Possible contributions of other causations to global warming are examined. Climate protection measures Germany has decided on are checked regarding their chances of success. As a result, a lot of open questions are identified.
Über den Autor:
Eike Roth, Jahrgang 1941, studierte Experimentalphysik an der Uni Wien, Promotion 1967. Berufliche Tätigkeit im Kernenergiegebiet, zuletzt als Technischer Leiter des Kernkraftwerkes Mülheim Kärlich in der Nähe von Bonn. 2001 pensioniert. Seit 40 Jahren intensive Beschäftigung mit Energie- und Umweltfragen und dem Klimaproblem, einschlägige Vorlesungen, Fachveröffentlichungen und populärwissenschaftliche Bücher.
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Vorbemerkungen
Beim Klima ist die Welt gespaltener denn je. Auf der einen Seite werden die Warnungen vor anthropogenen Klimaänderungen immer drastischer. Wir müssten sofort und durchgreifend handeln, auch wenn das schwer fällt. Darüber sei sich die Wissenschaft einig. Wir müssten unsere Anstrengungen sogar verdreifachen. Auf der anderen Seite gibt es immer mehr Skepsis. Trump hat den Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen beschlossen, der neu gewählte Präsident Bolsonaro in Brasilien hat ihn angekündigt und andere Länder könnten folgen. Fast überall wächst der Widerstand gegen teure Klimaschutzmaßnahmen. In Frankreich hat er bereits zu gewalttätigen Protesten geführt. Viele Menschen sehen andere Probleme als wichtiger an.
In der veröffentlichten Meinung wird die Einigkeit der Wissenschaft immer wieder betont. Hält das einer Überprüfung stand? In diesem Beitrag möchte ich auf 4 Problembereiche näher eingehen, bei denen meiner Meinung nach noch ganz erheblicher Diskussionsbedarf besteht. Vielleicht könnte die Klärung dieser Punkte die Diskrepanz zwischen den beiden Seiten verkleinern.
- Klimaoptimum: Wo liegt dieses tatsächlich? Wie weit dürfen wir es überschreiten?
- Gegenrechnung: CO2 ist auch nützlich (erhöht das Pflanzenwachstum) und zu viel Klimaschutz ist auch schädlich (erschwert die Lösung anderer Probleme). Wo liegt das Gesamt-Optimum?
- Klimamodelle: Wie gut sind die und wie belastbar sind ihre Ergebnisse?
- Gegenmaßnahmen: Wie wirksam sind die beschlossenen? Können sie überhaupt Erfolg haben?
Als Ergebnis wird sich zeigen, dass tatsächlich vielfach noch weitere Überlegungen und Forschungen notwendig sind, um dann mit mehr Klarheit zielgerichtet die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Anderenfalls sind mit hoher Wahrscheinlichkeit Misserfolge zu erwarten. Allem Anschein nach befinden wir uns auf geradem Weg dorthin.
1 Wo liegt das Klimaoptimum tatsächlich?
Klimageschichte
„Klima“ ist der langjährige (meist 30 Jahre) Mittelwert von Wetterdaten. Sein Wesensmerkmal ist der Wandel. Geändert hat es sich schon immer, es ändert sich jetzt und es wird sich auch in der Zukunft ändern. Bekannt sind vor allem die Wechsel zwischen Warm- und Eiszeiten in etwa 100000-jährigem Rhythmus (wobei – wenn man die Geschichte fortschreiben darf – der nächste Wechsel langsam fällig wird, denn die Warmzeiten waren immer viel kürzer als die Kaltzeiten).
Aber auch in der jetzigen Warmzeit gab es erhebliche Klimaschwankungen. Abb. 1 zeigt die Temperaturentwicklung. Man sieht insbesondere viererlei:
- Erstens ein dauerndes Auf und Ab.
- Zweitens nichts Besonderes am Ende des Betrachtungszeitraumes (hierzu später mehr mit verbesserter Auflösung).
- Drittens in den letzten ca. 4000 Jahren einen deutlich ausgeprägten Zyklus mit einer Warmperiode etwa alle 1000 Jahre ohne insgesamt steigende oder sinkende Tendenz.
- Viertens noch etwas wärmere Phasen vor ca. 4500 und 7000 Jahren.
Als Ursache für diese Veränderungen kommen wohl nur Schwankungen der Intensität der Sonne und der Parameter der Erdumlaufbahn um die Sonne in Frage, unterstützt vielleicht noch durch langfristige Änderungen der Meeresströmungen und der Vulkanaktivität. Der Mensch hatte in dieser Zeit sicher noch keinen Einfluss auf das (globale) Klima.
Abb. 1.: Entwicklung der global und jahreszeitlich gemittelten, bodennahen Lufttemperatur der Erde seit dem Ende der letzten Eiszeit. Quelle: Fritz Vahrenholt, Sebastian Lüning: „Die Kalte Sonne“, ISBN 978-3-455-50250-3, nach Kehl, H. (2008) „Das zyklische Auftreten von Optima und Pessima im Holozän“, http://lv-twk.oekosys.tu-berlin.de/project/lv-twk/002-holozaene-optima-und-pessima.htm.
Prinzipiell ist dieser Temperaturverlauf seit langem bekannt. Aus der Geschichte weiß man auch, dass es der Menschheit insgesamt in den warmen Zeiten immer besser gegangen ist als in den kalten. So hat z. B.
- das „Römische Klimaoptimum“ die kulturelle Blüte und den Aufstieg des Römischen Weltreiches begünstigt
- die Kaltzeit danach vermutlich wesentlich die Völkerwanderung mit verursacht und dadurch zum Untergang dieses Reiches beigetragen
- das mittelalterliche Klimaoptimum einen Aufschwung in Europa, die Besiedelung von Island und Grönland und die ersten Fahrten nach Amerika (als “Vinland“ bezeichnet) mit sich gebracht und
- die „Kleine Eiszeit“ danach zu weit verbreitetem Hunger und Elend in Europa (und damit ganz wesentlich zur Auswanderung nach Amerika) beigetragen.
Folgerichtig hat man die wärmeren Zeiten immer schon als „Klimaoptimum“ bezeichnet. Dabei wissen wir gar nicht, ob diese Bezeichnung überhaupt berechtigt ist. Es waren zwar die warmen Zeiten immer besser als die kalten, ob aber „noch etwas wärmere Zeiten“ nicht „noch bessere Zeiten“ gewesen wären, wissen wir nicht, da fehlt uns ganz einfach die Erfahrung. Bei Rückschlüssen aus den beiden „holozänen Klimaoptima“ (Abb. 1) mit tatsächlich höheren Temperaturen ist Vorsicht geboten, weil die Informationen aus so alter Zeit spärlich sind. Aber immerhin hatte sich die Menschheit damals gewaltig weiterentwickelt und die Sahara war damals fruchtbares Grünland. „Noch besser“ bei „noch wärmer“ ist daher keineswegs abwegig.
Zwischenergebnis: Wo das Klimaoptimum liegt, wissen wir nicht. In den 400 Jahren seit dem Höhepunkt der Kleinen Eiszeit ist es zweifelsfrei wärmer geworden. Der Rückgang der Gletscher in den letzten 150 Jahren macht das für Jedermann ersichtlich. Aber die Erfahrung sagt uns, dass das gar nicht so schlecht ist. Der Menschheit insgesamt ist es immer umso besser gegangen, je wärmer es war. Ob das auch über das heutige Niveau hinaus noch so weiter geht, wissen wir nicht. Wir wissen auch nicht, wie rasch es bei Überschreiten des Optimums wieder schlechter wird. Hier besteht dringender Forschungsbedarf.