Außertropische Vulkane beeinflussen das Klima stärker als vermutet

Pressemitteilung des Geomar vom 28. Januar 2019:

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Außertropische Vulkane beeinflussen das Klima stärker als vermutet:
Studie zeigt überraschend starke Abkühlung nach Eruptionen in hohen und mittleren Breiten

Der Ausbruch des Pinatubos im Jahr 1991 hatte erhebliche Auswirkungen auf das Klima und senkte die globale Durchschnittstemperatur um etwa 0,5 Grad. Wie die berühmten Eruptionen des Krakatau (1883) und Tambora (1815) liegt der Pinatubo in den Tropen. Das wurde bislang als wichtiger Faktor für den starken Klimaeinfluss angesehen. Eine internationale Forschungsgruppe unter der Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel hat heute jedoch eine Studie in der Fachzeitschrift Nature Geoscience veröffentlicht, die zeigt, dass auch explosive Eruptionen außerhalb der Tropen einen starken Einfluss auf das Klima haben können.

In den vergangenen Jahrzehnten haben mehrere Vulkaneruptionen außerhalb der Tropen Schwefel bis in die untere Stratosphäre transportiert. Dazu gehören beispielsweise der Ausbruch des Kasatochi (Alaska, USA, 2008) und des Sarychev (Kurilen, Russland, 2009). Die Auswirkungen auf das Klima waren jedoch schwach und kurzlebig. Bisher ist die Wissenschaft davon ausgegangen, dass dies einer allgemeinen Regel entspricht: Vulkanausbrüche außerhalb der Tropen haben einen schwächeren Einfluss auf das Klima als ihre tropischen Pendants. Forscherinnen und Forscher des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, der Universität Oslo, des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg sowie Kollegen aus der Schweiz, Großbritannien und den USA widersprechen dieser Annahme nun in einer Studie, die heute in der internationalen Fachzeitschrift Nature Geoscience erscheint.

„Unsere Untersuchungen zeigen, dass viele extratropische Vulkanausbrüche in den letzten 1250 Jahren zu einer ausgeprägten Oberflächenabkühlung auf der Nordhalbkugel geführt haben. Tatsächlich sind extratropische Ausbrüche sogar effizienter als tropische, wenn man die Abkühlung auf der jeweiligen Halbkugel im Verhältnis zur ausgestoßenen Schwefelmenge sieht“, sagt Dr. Matthew Toohey von GEOMAR, Erstautor der aktuellen Studie.

Eine großräumige Abkühlung nach Vulkanausbrüchen erfolgt, wenn diese große Mengen an Schwefelgasen in die Stratosphäre transportieren. Sie ist die zweitniedrigste Schicht der Atmosphäre und beginnt etwa bei 15 Kilometern Höhe. Dort erzeugen die Gase einen schwefelhaltigen Aerosolschleier, der über Monate oder Jahre anhält. Die Aerosole reflektieren einen Teil der einfallenden Sonnenstrahlung, der die unteren Schichten der Atmosphäre und die Erdoberfläche nicht mehr erreichen kann.

Bisher wurde angenommen, dass Aerosole aus Vulkanausbrüchen in den Tropen eine längere Lebensdauer in der Stratosphäre haben, da sie erst in mittlere oder hohe Breiten wandern müssen, bevor sie wieder aus der Stratosphäre entfernt werden. Dadurch hätten sie einen größeren Einfluss auf das Klima. Aerosole aus Eruptionen in höheren Breitengraden würden dagegen schneller aus der Atmosphäre entfernt.

Die jüngsten Ausbrüche außerhalb der Tropen, die minimale, aber messbare Auswirkungen auf das Klima hatten, passen in dieses Bild. Diese Ausbrüche waren jedoch viel schwächer als der des in den Tropen liegenden Pinatubo 1991. Um die Klimaauswirkungen von extratropischen und tropischen Eruptionen besser einschätzen zu können, verglichen Dr. Toohey und seine Kolleginnen und Kollegen neue, auf Eiskernanalysen beruhende Langzeitrekonstruktionen des vulkanischen Schwefeleintrags in die Stratosphäre mit drei Rekonstruktionen der Sommertemperatur der nördlichen Hemisphäre aus Baumringen, die bis 750 n. Chr. zurückreichen. Überraschenderweise fanden sie heraus, dass explosive extratropische Eruptionen im Verhältnis zu ihrer geschätzten Schwefelfreisetzung eine viel stärkere Abkühlung auf der jeweiligen Erdhalbkugel erzeugten als tropische Eruptionen.

Um diese Ergebnisse besser zu verstehen, führte das Team Simulationen von Vulkanausbrüchen in mittleren bis hohen Breitengraden durch. Sie nutzten virtuelle Schwefelmengen und Eintragshöhen in die Stratosphäre, die denen des Pinatubo entsprachen. So fanden sie heraus, dass die Lebensdauer des Aerosols aus diesen explosiven Ausbrüchen außerhalb der Tropen nur geringfügig geringer war als bei Eruptionen in den Tropen. Darüber hinaus verteilte sich das Aerosol nicht weltweit, sondern nur über der Erdhalbkugel des Ausbruchs, was die Klimaauswirkungen innerhalb dieser Hemisphäre verstärkte.

Die Studie zeigt weiterhin die Bedeutung der Höhe des Schwefel-Eintrags in die Stratosphäre für die Klimaauswirkungen. „Kommen die Schwefelgase nur in die untersten Schichten der außertropischen Stratosphäre, sind die Aerosole sehr kurzlebig. Erreichen sie jedoch Höhen wie bei den großen tropischen Eruptionen, entspricht die Lebensdauer der Aerosole in etwa denen der tropischen Eruptionen“, sagt Co-Autorin Prof. Dr. Kirstin Krüger von der Universität Oslo.

Die Ergebnisse werden helfen, die Auswirkungen von Vulkanausbrüchen auf vergangene Klimaschwankung besser zu verstehen. Sie deuten auch darauf hin, dass das zukünftige Klima von explosiven extratropischen Ausbrüchen beeinflusst wird. „In den vergangenen Jahrhunderten gab es in den mittleren und hohen Breiten im Vergleich zu den Tropen relativ wenige große explosive Eruptionen. Aber sie passieren definitiv“, sagt Dr. Toohey. Die stärkste Abkühlungsepisode der vergangenen 2500 Jahre auf der Nordhalbkugel begann mit einem extratropischen Vulkanausbruch im Jahr 536 n. Chr. Die neue Studie hilft zu erklären, wie diese Eruption zu einer so starken Abkühlung geführt haben könnte.

Originalarbeit:
Toohey, M., K. Krüger, H. Schmidt, C. Timmreck, M. Sigl, M. Stoffel, R. Wilson (2019):  Disproportionately strong climate forcing from extratropical explosive volcanic eruptions. Nature Geoscience, https://doi.org/10.1038/s41561-018-0286-2