Die Wissenschaftsgeschichte ist ein spannendes Feld. Wie sind die großen Erkenntnissprünge abgelaufen? Waren es Gruppenleistungen oder vor allem Genies wie Albert Einstein und Isaac Newton, die den Fortschritt voranbrachten? Anhand von antiquarischen Büchern können wir heute in die jeweilige Zeit hineinschnuppern. Heute wollen wir im Buch ‚Science and Common Sense‚ des US-amerikanischen Chemikers und Wissenschaftspolitikers James Bryant Conant schmökern, das 1953 erstmals erschien.
Conant diskutiert im einleitenden Kapitel die noch immer aktuelle Frage, auf welche Weise Entscheidungsträger in der Lage sind, die Ergebnisse von Fachwissenschaftlern zu bewerten. Conant:
Wie kann ein Mensch ohne wissenschaftliche Ausbildung wissen, ob die Ausführungen des enthusiastischen Chemikers, Mediziners oder Ingenieurs, der auf die Bewilligung von Finanzmitteln für dieses oder jenes Abenteuer drängt, Sinn machen? Diese Herausforderung ist relevant für jegliche Entscheidungen von Vorständen von Konzernen, Krankenhausverwaltungen, Universitätsleitungen, Regierungsvertretern sowie Kongressangehörigen. Es gibt leider keine magische Pille, die man einnehmen könnte, um auf die Schnelle ein Fachexperte in diesem oder jenem Fachgebiet zu werden. Jedoch ist es möglich, durch langjährige Erfahrung ein Verständnis für die Sichtweise und Methodik des Fachwissenschaftlers zu erlangen. […] Eine gute wissenschaftliche Kenntnis ist nicht das gleiche wie die Kenntnis über die Wissenschaft.
Ein hochaktuelles Thema. Wie sollen Politiker zum Beispiel auf neue Resultate eines bestimmten Instituts aus Potsdam reagieren? Sollte alles ungeprüft hingenommen werden und automatisch als Planungsgrundlage Verwendung finden? Conant taucht dann in die Wissenschaftsgeschichte ein und berichtet aus der Frühphase der Naturwissenschaften. Überraschenderweise passt die Beschreibung auch auf die Frühphase der Klimawissenschaften, in der wir uns nach 30 Jahren offenbar noch immer befinden. Conant schreibt:
Beim Durchkämmen der Geschichte der Naturwissenschaften wird klar, dass in der jeweiligen Frühphase der einzelnen Wissenschaftsdisziplinen eher rüde Polemik anstatt wohlüberlegte Argumentation vorherrschte. Wenn ich die Wissenschaftsgeschichte des 17. und 18. Jahrhunderts richtig deute, entwickelte sich nur allmählich die Idee, dass sich der Wissenschaftler äußerst selbstdiszipliniert verhält, sobald er das Labor betritt.
Wie wahr. Einige der heutigen Klimawissenschaftler scheinen in der Tat in ihrem Verhalten noch einige Jahrhunderte hinterherzuhinken, wie die Reaktionen aus dem Februar 2012 auf unser Buch „Die kalte Sonne“ aufschlussreich gezeigt haben. Es ist offensichtlich ziemlich schwer, sich ergebnisoffen mit einer wissenschaftlichen Fachargumentation zu beschäftigen. Immer scheint im Hinterkopf der Gedanke zu kreisen, welche Auswirkungen es wohl hätte, dem einen oder anderen Argument zuzustimmen. Conant beschreibt auch dieses tief verankerte Verhaltensmuster treffend in seinem Buch:
Wir sollten uns ein Beispiel an denjenigen nehmen, die unter Ausklammerung aller bestehender Beziehungsgeflechte mutig, ehrlich und intelligent Bewertungen vornehmen, ohne Berücksichtigung der eigenen oder anderer Loyalitäten und persönlicher Interessen. Dies gilt besonders, wenn die auf diese Weise entstandene Bewertung vom Entscheider erläutert werden kann, die Entscheidung auch später weiter beibehalten wird und dann entsprechende Maßnahmen auf dieser Grundlage getroffen werden.
Abschließend hier noch einige weitere interessante Gedanken in James B. Conants Buch:
Die erste Reaktion eines jeden Wissenschaftlers auf die Meldung einer neuen wissenschaftlichen Entdeckung ist Unglauben. […] Man könnte viele Bände über fehlerhafte experimentelle Entdeckungen in der Physik, Chemie und Biochemie schreiben, die in den letzten 100 Jahren ihren Weg in die Literatur gefunden haben. […] Einige der wichtigsten Entdeckungen in der frühen Entwicklung der Physik und Chemie wurden von Amateuren gemacht.
Die Wissenschaft bedient sich heute zwar moderner Supercomputer. Viele der psychologischen Verhaltensmuster sind jedoch so alt wie die Wissenschaft selber.