Anfang Januar 2013 erschien in The Epoch Times Deutschland ein Interview mit Mojib Latif über die bevorstehende Klimakatastrophe. Latif darf darin seine altbekannten Thesen verkünden und drückt kräftig auf die Moraldrüse:
Wir denken nur an das Hier und Jetzt, nicht aber an die langfristigen Folgen unserer vielfältigen Aktivitäten. […] Wir führen in gewisser Weise ein gewaltiges Experiment mit unserem Planeten aus.
Kennen wir ja alles schon. Wir wissen aber auch, dass Latifs Interesse an den wissenschaftlichen Fakten in den letzten Jahren stark abgenommen hat und er dadurch immer mehr zum Prediger ohne solide Grundlage wurde. In seinen zahlreichen Interviews stellt er regelmäßig Behauptungen auf, die einer seriösen, fachlichen Überprüfung kaum standhalten (siehe z.B. unsere Blogartikel „Keine guten Nachrichten für Mojib Latif: Neue Studie im Journal of Geophysical Research hinterfragt den stratosphärischen CO2-Fingeradruck„, „Mojib Latif will nicht mit Fritz Vahrenholt diskutieren: Dann eben hier !“ und „Pelzig hält sich – nicht an die wissenschaftlichen Fakten: Mojib Latif im ZDF-Kabarett„. Eigentlich würde es sich gar nicht lohnen, das besagte Interview an dieser Stelle zu analysieren, wenn Latif dann nicht doch noch ein, zwei ganz interessante Aussagen gebracht hätte. Zuvor wollen wir uns jedoch kurz um die Zeitung selbst kümmern, in der das Interview erschienen ist. The Epoch Times Deutschland ist eine von Auslandschinesen gegründete Wochenzeitung, die der Falun Gong-Bewegung nahesteht. The Epoch Times schreibt über sich selbst (Fettsetzung ergänzt):
Seit dem Jahr 2005 erscheint die unabhängige Epoch Times Deutschland als Wochenzeitung in deutscher Sprache, um neben anderen Themen ein Verständnis für die Situation des chinesischen Volkes zu wecken, das seit 5.000 Jahren die älteste ununterbrochene Kultur der Welt besitzt. […] Viele Inhalte der Epoch Times geben Hoffnung auf eine lebenswerte Zukunft. Sie lesen in der Epoch Times von Chancen und Betrachtungsweisen, die den Menschen nützen. Sie entdecken, wie ein Miteinander gelingen kann. Das Team der Epoch Times verkörpert diese Sicht und schreibt für eine Welt, die miteinander verbunden ist durch ein tiefes Verständnis und Respekt füreinander. Zitat aus einem Leserbrief: „Die Epoch Times atmet Ehrlichkeit!“
Ehrlichkeit ist immer gut. Schon beim ersten Blick auf das dem Artikel beigefügte Himalaya-Gletscherfoto kommen jedoch erste Zweifel. In der Bildunterschrift lesen wir:
Selbst die Gletscher des Himalayas schmelzen gefährlich schnell.
Äh, wie bitte? Die schmelzen doch im Moment gar nicht! Kennt The Epoch Times etwa die neuesten Forschungsarbeiten zu diesem Thema nicht? Bei uns im Kalte-Sonne-Blog haben wir die Arbeiten bereits vorgestellt: „Heftiger Schneefall der letzten drei Jahre lässt Himalaya-Gletscher anwachsen„, „Himalaya-Schmelzkatastrophe abgeblasen: Das Neueste aus der Welt der Gletscher„, „Überraschung: Himalaya-Gebirgsgletscher haben in den letzten 10 Jahren gar kein Eis verloren!„. Ziemlich peinlich und kein guter Einstieg. Naja, ein bisschen Mitschuld hat Latif daran auch. Er sagt im Interview simplistisch:
Infolge dessen [gemeint ist die globale Erwärmung aufgrund des CO2] schmilzt bereits das Eis der Erde und der Meeresspiegel steigt.
Da kann man als Epoch Times-Redakteur auch schon leicht auf das falsche Gleis geraten. Dies wäre nicht passiert, wenn Latif wissenschaftlich genauer ausgeführt hätte, nämlich z.B. dass der ostantarktische Eisschild derzeit anwächst (siehe „Neue ICEsat-Satellitendaten sind da: Antarktischer Eisschild hat an Masse zugelegt„) oder dass im letzten Südwinter das antarktische Meereis seine größte Ausdehnung der gesamten Satellitenära erreicht hatte (siehe Bericht auf Spiegel Online). Offensichtlich ist der Reporter der Epoch Times nicht vom Fach. Schauen wir daher kurz nach, wer das Interview mit Latif geführt hat. Laut Artikel handelt es sich um den „Gastautor“ Roland R. Ropers. Ropers bezeichnet sich selbst als Transformationsphilosoph und betreibt eine asiatisch-spirituelle Webseite, auf der er sich mit den Lehren von Mahatma Gandhi und Bede Griffiths beschäftigt. In Ropers Online-Lebenslauf lesen wir zudem über einige Fachgebiete des Autors:
1966 und 1967 Teilnahme am Berufswettkampf der Deutschen Angestelltenjugend. Als Landessieger mit dem Senatspreis der Freien und Hansestadt Hamburg ausgezeichnet. […] Nebenher hippologischer Fachberater namhafter Zeitungen, Mitherausgeber des historisch bedeutsamen Dokumentarwerks „Die Geschichte des deutschen Turniersports“, München 1970, mit einem Vorwort von S.K.H. Prinz Philipp von England.
Zunächst stellt Ropers den Epoch Times-Lesern in einer Einführung den Kieler Klimawissenschaftler näher vor:
Der 1954 in Hamburg geborene Mojib Latif gehört zu den renommiertesten Klimaexperten und Ozeanographen unseres Landes. Gemeinsam mit zwei Brüdern und einer Schwester verbrachte er seine Kindheit in Hamburg, wo sein pakistanischer Vater und Iman im Jahr 1957 die Fazle-Omar-Moschee erbaute. […] Vor dem Hintergrund der Überschwemmungskatastrophe in Pakistan und der Waldbrände in Russland im Jahr 2010 warnte Professor Latif, dies sei eine „Blaupause für das, womit wir uns in der Zukunft anfreunden müssen“. Der Klimawandel werde zu einer Häufung der Wetterextreme führen mit mehr Trockenheit einerseits und extremen Niederschlägen andererseits.
Unklar ist, auf welcher Grundlage Latif die Extremwetterwarnungen behaupten kann. Die neuesten Forschungsresultate sehen nämlich ganz anders aus (siehe unseren Blogbeitrag „Überraschung: Globale Niederschläge sind in den letzten 70 Jahren weniger extrem geworden„). Und wie stehts mit der Hitzewelle und den Waldbränden im Sommer 2010 in Russland? Wirklich ein Zeichen der menschengemachten Klimakatastrophe wie Latif behauptet? Die Wissenschaft hat diese Frage untersucht und kommt zu einem anderen Schluss: Die Dürre war ein rein natürliches Phänomen, das in der Vergangenheit bereits mehrfach aufgetreten ist. In unserem Buch Die kalte Sonne schrieben wir hierzu:
Als die Temperaturen ab Mitte August langsam wieder auf Normalwerte absackten, die Feuer gelöscht waren und der Rauch sich allmählich gelegt hatte, machten sich einige amerikanische Wissenschaftler schließlich daran, die Ursachen der Hitzewelle [in Russland] genauer zu untersuchen. Und sie fanden etwas ganz Erstaunliches heraus: Die Hitzewelle hatte wohl weniger mit dem Klimawandel zu tun, sondern vielmehr mit einem ganz natürlichen Phänomen, nämlich einer blockierten Wetterlage. Dabei verharrte das für die Hitzeglocke verantwortliche Hochdruckgebiet viele Wochen lang über dem westlichen Russland und verhinderte damit den Zustrom kühler Luft sowie die Entstehung von sommerlichen Stürmen. Die Forscher stellten fest, dass es während der vergangenen 130 Jahre in der Region bereits mehrfach zu solchen besonderen Wetterlagen gekommen war – und dass sich das Klima im westlichen Russland im gleichen Zeitraum gar nicht erwärmt hatte. So kann man sich irren.
Die entsprechende Studie wurde 2011 von einem Team um Randall Dole vom Earth System Research Laboratory der NOAA in Boulder, Colorado, durchgeführt und in den Geophysical Research Letters veröffentlicht. Kommen wir schließlich zum wirklich interessanten Punkt des Interviews:
Epoch Times: Welche gravierenden Fakten werden der Bevölkerung bewusst vorenthalten?
Latif: Bewusst oder unbewusst, das kann ich nicht beurteilen. China ist inzwischen der größte Emittent von CO2, aber nicht Hauptverantwortlicher des jetzt stattfinden Klimawandels. Weil das CO2 viele Jahrzehnte in der Luft verweilt, zählen nur die kumulativen Emissionen, d.h. die über viele Jahrzehnte aufsummierten Emissionen. Und da haben die USA und die anderen Industrieländer ganz klar die Nase vorn. Im Klartext: Das CO2, das wir heute in der Luft messen, stammt nur in geringem Maße von den Schwellen- und Entwicklungsländern. Und genau deswegen haben die Industrieländer die historische Verantwortung, beim Klimaschutz voranzugehen. Das betrifft insbesondere die USA mit einem Anteil von etwa einem Viertel an den kumulativen Emissionen seit Beginn der Industrialisierung. China hat nur einen Anteil von etwa 10 Prozent. Darüber hinaus produziert ein Land wie China sehr viel für die Industrieländer. Diese „grauen“ Emissionen werden aber China allein angerechnet, obwohl die Industrieländer sie verursachen. Die Industrieländer rechnen sich schön.
China hat kaum etwas mit der Klimakatastrophe zu tun, sagt Latif. Beruhigend zu wissen. Ein bisschen Recht hat Latif hier sicher. Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht. Spielt es wirklich keine Rolle, dass in China derzeit alle zwei Wochen ein neues, großes Kohlekraftwerk ans Netz geht? Und ist es wirklich vollkommen egal, dass China gerade dabei ist, die EU sogar bei den pro-Kopf-CO2-Emissionen zu überholen? (Siehe unseren Blogbeitrag „CO2-Emissionen in der EU, den USA und Japan gefallen: Überholt China schon dieses Jahr die EU bei den pro-Kopf-CO2-Emissionen?„). Zur gleichen Zeit sind die Emissionen aufgrund des Schiefergas-Erfolges in den USA auf den niedrigsten Stand der letzten 20 Jahre gefallen. Von Latif hierzu natürlich keine Silbe. The Epoch Times war natürlich mit Latifs Auftritt sehr zufrieden. Sie erinnern sich: Eine der selbsterklärten Aufgaben der Zeitung ist es, für „Verständnis für die Situation des chinesischen Volkes“ zu werben. Ob Latif zum Dank anschließend eine Frühlingsrolle geschenkt bekam, ist leider nicht bekannt.
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