Die UN-Klimakonferenz ist die jährlich stattfindende Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties, COP) der UN-Klimarahmenkonvention. Die letzten dieser Konferenzen fanden in Kopenhagen (2009), Cancun (2010) und Durban (2011) statt. Ziel der Klimakonferenzen war es ursprünglich, ein Nachfolgeregime für das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll zu entwickeln.
Der Mannheimer Kommunikationswissenschaftler Prof. Hartmut Wessler untersucht im Rahmen des DFG-Projekts „Nachhaltige Medienevents? Produktion und diskursive Wirkung globaler politischer Medienevents am Beispiel des Klimawandels“ die Berichterstattung zu den Klimakonferenzen. Am 25. Januar 2012 stellte Wessler sein Projekt während eines Vortrages auf dem KlimaCampus der Universität Hamburg vor. Er beleuchtete dabei insbesondere das Zusammenspiel zwischen PR-Leuten der verschiedenen teilnehmenden Nichtregierungsorganisationen (NGOs), wie etwa WWF oder Greenpeace, mit den vom UN-Klimagipfel berichtenden Journalisten.
Wessler ist als neutraler Beobachter anzusehen, ist in die kontroverse Klimadiskussion in keiner Weise involviert. Er ist weder Skeptiker noch Alarmist, sondern beleuchtet seine Fragestellung aus rein kommunikationswissenschaftlicher Sicht. Auf Basis von Voruntersuchungen während der letzten UN-Klimakonferenzen erarbeitete Wessler eine These, die er im Rahmen des laufenden Projektes weiter ausarbeiten wird. Seine Beobachtung: PR-Leute der NGOs und Journalisten koproduzieren und kooperieren intensiv während der UN-Gipfel, ganz im Gegensatz zur Normalsituation, wo beide Gruppen in kritischer Distanz zueinander und im Interesse einer unabhängigen Berichterstattung eher konkurrieren.
UN-Klimakonferenzen als „GIPME“
Wessler stuft die UN-Klimakonferenzen in die Kategorie Global inszenierter politischer Medienevents ein, sogenannter GIPME. Ein wichtiges Element dieser Konferenzen ist die symbolische Aufladung des Events als bedeutsam. NGOs nutzen diese Bühne um die „Schicksalsfrage“ zu stellen. So wurde aus Kopenhagen kurzerhand Hopenhagen. Wessler sieht in den UN-Klimakonferenzen drei Kommunikationsaspekte:
- Strategisch: Lobbyismus-Bühne für NGOs
- Rituell: Kollektives Erleben
- Diskursiv: Chance zum Austausch von Argumenten und nachfolgender Diskussion.
NGOs spielen eine große Rolle bei den Klimakonferenzen. Die Global Campaign for Climate Action vertritt etwa 300 NGOs in Klimafragen als Dachmarke, darunter z.B. WWF, Greenpeace oder tck tck tck. Selbstverständlich sind aber auch die einzelnen Mitgliedsorganisationen auf der Veranstaltung in großer Zahl mit viel Personal selbst anwesend. Die NGOs sind in der Regel sehr professionell organisiert. Die PR-Abteilungen der NGOs bieten zum Beispiel „Photo Ops“ an, Fotogelegenheiten um große Ballons mit ökologischer Botschaft oder aus Menschen gebildete Schriften zu fotografieren oder zu filmen. Solche Photo Opportunities stellen eine einflussreiche Berichterstattungsressource dar und werden von den Journalisten dankbar als Ersatz für langweilige „talking heads“ aufgenommen. NGOs betreiben auch ein aktives Erwartungsmanagement. So haben NGOs vor der Cancun-Konferenz laut Wessler bewusst die Erwartungen in der Öffentlichkeit gesenkt, um die nach-Cancun-Zeit nicht zu sehr zu belasten („even if….it will be useful“).
Bedenklich starker Einfluss von NGO-Lobbyisten auf die Berichterstattung
Inwieweit ist nun das Bild von den UN-Klimakonferenzen in der Öffentlichkeit durch NGOs gesteuert? Ganz erheblich, sagt Prof. Hartmut Wessler. In seinen Voruntersuchungen zum laufenden DFG-Projekt hat er einen hohen Grad von Co-Produktion und Adaption zwischen NGO-PR-Vertretern und Journalisten erkannt. Durch den Event-Charakter der Veranstaltung, die große räumliche Nähe und die langen gemeinsam auf der Konferenz verbrachten Stunden entsteht eine Art Camp-Feeling, die die Vertrautheit von NGO-PR-Leuten und Journalisten stark fördert. Aufgrund der wiederholten Teilnahme an den UN-Klimakonferenzen kennen sich zudem die Akteure oftmals bereits, was die persönliche Vertrauensbasis weiter verstärkt. Aufgrund dieser engen Verbandelung kommt es nicht selten vor, dass PR-Vertreter den Journalisten „Empfehlungen“ zu Themen und Inhalten geben.
Und die NGOs wissen genau, was Journalisten brauchen. Lobbyisten der PR-Abteilungen der NGOs produzieren in großer Geschwindigkeit kurze prägnante Statements, die die unter Produktionsdruck stehenden Journalisten dankbar aufgreifen. So dampfte Greenpeace in Cancun das 25 Seiten-Abschlussdokument in Windeseile auf pressetaugliche 3 Seiten ein. Hierbei sprechen sich die PR-Leute der NGOs offensichtlich untereinander ab, um das normalerweise ernüchternde Ergebnis möglichst positiv und optimistisch darzustellen. Die Journalisten übernehmen dann in vielen Fällen die Abschlussbewertungen der NGOs (z.B. von Greenpeace).
Wessler stellte auf Basis seiner bisherigen Forschungen fest, dass das NGO-Framing die Medienbewertung erheblich beeinflusst. Die koproduzierte Deutung setzt gleichgerichtete Impulse. Ähnliches gilt auch für die PR-Vertreter von Drittweltländern, die bereitwillig Material liefern. Diesen Ländern winken laut Klimavertrag in Zukunft hohe Ausgleichszahlungen für „Klimaschäden“. Und wie sieht es mit der anderen Seite aus, den Unternehmen? Natürlich sind auch einige Unternehmensvertreter bei den UN-Konferenzen vor Ort, spielen aber laut Wessler keine große Rolle bei der öffentlichen Meinungsbildung. Die Deutungshoheiten sind klar verteilt: NGOs dürfen deuten und zu Wort kommen, Unternehmen in der Regel nicht. Wesslers Studien zeigen, dass NGOs einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Berichterstattung von den UN-Klimakonferenzen nehmen.
Einen ähnlich großen Einfluss besitzen NGOs auch im wissenschaftlichen Klimagremium, dem Weltklimarat, wie Donna Laramboise in ihrem Buch “The delinquent Teenager who was mistaken for the world’s top climate expert” eindrucksvoll zeigen konnte. In zwei Dritteln der 44 Kapitel des letzten IPCC-Klimaberichts arbeitete mindestens ein mit dem WWF verbandelter Wissenschaftler als Autor mit. In der sogenannten Arbeitsgruppe 2 war sogar an allen Kapiteln mindestens ein WWF-Autor dabei. Ein Drittel aller Kapitel des 2007er IPCC-Berichts wurde durch WWF-affiliierte Forscher geleitet. Drei Kapitel wurden sogar gleich von zwei WWF-Anhängern als koordinierende Leitautoren kontrolliert.
NGOs spielen sowohl bei der Berichterstattung von den UN-Klimakonferenzen als auch bei der Erstellung der dafür notwendigen wissenschaftlichen Grundlage, des IPCC-Berichts, eine bislang zu wenig beachtete Rolle. Die dringend benötigte Unabhängigkeit der politischen und wissenschaftlichen internationalen Klimagremien ist damit möglicherweise nicht gewährleistet.