Die norwegische Forschungsbehörde „The Research Council of Norway“ veröffentlichte am 24. Januar 2013 eine Pressemitteilung, in der die Klimawirkung des CO2 gegenüber den bisherigen IPCC-Annahmen deutlich heruntergestuft wurde. Dies stellt einen historisch bedeutenden Schritt auf dem Weg zu mehr Realismus in den Klimawissenschaften dar. Im folgenden geben wir die Meldung in voller Länge in der deutschen Übersetzung wieder:
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Globale Erwärmung weniger extrem als befürchtet?
Politiker versuchen derzeit, die globale Erwärmung auf weniger als 2 Grad zu beschränken. Neue Ergebnisse eines norwegischen Forschungsprojektes zur Klimaabschätzung zeigen, dass dieses Ziel wohl nun doch einfacher zu erreichen ist, als viele Experten befürchtet hatten. Die international anerkannte Klimawissenschaftlerin Caroline Leck von der Universität Stockholm hat das norwegische Projekt begutachtet und ist enthusiastisch: „Die Ergebnisse sind regelrecht sensationell“, sagt Dr. Leck. „Falls sie durch weitere Studien bestätigt werden, könnte dies weitreichende Auswirkungen auf die Bemühungen haben, die politischen Klimaziele einzuhalten.“
Der Temperaturanstieg flacht langsam ab
Nachdem die globale Oberflächentemperatur während der 1990er Jahre steil angestiegen war, stagnierten die Temperaturen seitdem auf dem Niveau von 2000. Ebenso hat sich die Ozeanerwärmung mehr oder weniger stabilisiert, obwohl die CO2-Emissionen und andere menschengemachte Faktoren, die als klimaerwärmend eingestuft wurden, weiter im Anstieg begriffen sind. Die Beschäftigung mit dem Erwärmungsstopp seit 2000 ist der Ausgangspunkt für die Neuberechnung der Klimaerwärmung im Rahmen des norwegischen Projektes.
Die Klimawirkung von Treibhausgasen
Die Klimasensitivität ist ein Maß dafür, wie stark die Temperatur ansteigt, wenn CO2-Emissionen fortgesetzt in die Atmosphäre eingebracht werden. CO2 ist das bedeutendste von den Menschen emittierte Treibhausgas. Üblicherweise wird die Klimasensitivität ausgedrückt, in dem die Erwärmung bei einer CO2-Verdopplung angegeben wird. Im Falle, dass sich der CO2-Ausstoß mit der heutigen Rate weiter fortsetzt, würde sich der CO2-Gehalt im Jahr 2050 gegenüber dem vorindustriellen Niveau von 1750 verdoppelt haben.
Gegenseitige Beeinflussung
Eine Reihe von Faktoren trägt zur Klimaentwicklung bei. Die Komplexität wird zusätzlich durch ein Phänomen erhöht, das als Rückkopplungsmechanismus bekannt ist. Hierbei geht es um die Frage, wie Faktoren wie Wolken, Verdunstung, Schnee und Eis sich gegenseitig beeinflussen. Bestehende Unsicherheiten über das endgültige Resultat der Rückkopplungsprozesse machen es sehr schwer, genau vorherzusagen, wie hoch der Temperaturanstieg der durchschnittlichen Erdoberflächentemperatur aufgrund der menschengemachten Emissionen ausfallen wird. Laut dem Zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) liegt die Klimasensitivität bei einer Verdopplung der CO2-Konzentration zwischen 2°C und 4,5°C, mit einem wahrscheinlichsten Wert von 3°C. Im aktuellen norwegischen Projekt kommen die Forscher jedoch nur auf einen Wert von 1,9°C als wahrscheinlichste Erwärmung bei einer CO2-Verdopplung.
Klimabeeinflussung durch den Mensch
„In unserem Projekt haben wir versucht, den Gesamtwert aller bekannten Rückkopplungsmechanismen zu ermitteln“, sagt der Leiter des Projekts Terje Berntsen, der Professor im Fachbereich Geowissenschaften an der Universität Oslo ist sowie als Forscher am Center for International Climate and Environmental Research in Oslo (CICERO) tätig ist. Das Projekt wurde mit Mitteln der Norwegischen Forschungsbehörde aus dem großmaßstäblichen Programm zum Klimawandel und seine Auswirkungen auf Norwegen („Large-scale Programme on Climate Change and its Impacts in Norway“, NORKLIMA) gefördert.
„Wir haben eine Methodik gewählt, mit der wir das Gesamtsystem Erde als ein großes „Labor“ betrachten, in dem die Menschheit durch den Ausstoß von Treibhausgasen sowie anderen Schwebteilchen, die Abholzung der Wälder und weitere klimabeeinflussende Aktivitäten derzeit ein großes Experiment durchführt.“ In ihrem Modell berücksichtigten Professor Berntsen und seine Kollegen alle menschlichen Einflussfaktoren, die seit 1750 das Klima beeinflusst haben könnten. Zusätzlich rechneten sie natürliche Klimafaktoren in ihre Analyse ein, wie zum Beispiel Vulkanausbrüche und Schwankungen der Sonnenaktivität. Die Kalibrierung erfolgte durch Temperaturmessreihen der Luft, am Boden und in den Ozeanen. Die Wissenschaftler verwendeten ein Klimamodell, das seine Berechnungen millionenfach wiederholte, um eine Grundlage für statistischen Analysen zu schaffen. Die hochspezialisierten Berechnungen auf Basis von Bayesscher Wahrscheinlichkeit wurden hierzu am Norwegischen Rechenzentrum durchgeführt.
Messwerte seit 2000 machen den Unterschied
Als die Wissenschaftler des CICERO Programms sowie des Norwegischen Rechenzentrums ihr Modell mit den Luft- und Ozean-Temperaturdaten des Zeitraums bis 2000 fütterten, errechneten sie eine wahrscheinliche Klimasensitivität von 3,7°C für eine Verdopplung der CO2-Konzentration. Dieser Wert ist sogar leicht höher als derjenige vom IPCC. Jedoch waren die Forscher überrascht, als sie die Temperaturdaten des Jahrzehnts von 2000 bis 2010 in ihr Modell hinzufügten. Unter Berücksichtigung der neuen Messdaten reduzierte sich die Klimasensitivität auf nur noch 1,9°C. Professor Berntsen erklärt, dass wir mit diesem Temperaturanstieg von 1,9°C bei einer Verdopplung der CO2-Konzentration zu rechnen haben. Außerdem verzögert sich die Erwärmung um mehrere Dekaden, da die großen Ozeanwassermassen als Puffer wirken.
Der Erwärmungswert von 1,9°C für eine Verdopplung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre ist ein Durchschnittswert. Bei einer Wahrscheinlichkeitsbetrachtung, bei der Messdaten bis 2010 einbezogen werden, konnten die Forscher ermitteln, dass die Klimasensitivität mit 90 prozentiger Wahrscheinlichkeit im Bereich zwischen 1,2°C and 2,9°C liegen muss. Der Maximalwert von 2,9°C dieser Bandbreite liegt signifikant niedriger als in vorherigen Berechnungen. Unter Berücksichtigung der Messwerte von 2000 bis 2010 kann man daher heute davon ausgehen, dass die schlimmsten Erwärmungsszenarien, die in der Vergangenheit aufgestellt wurden, als unrealistisch einzustufen sind.
Professor Berntsen erläutert den Wandel in den Prognosen: „Die Durchschnittstemperatur stieg in den 1990er Jahren stark an. Dies hat wohl dazu geführt, dass wir die Klimasensitivität überschätzt haben. Wir müssen höchstwahrscheinlich natürliche Schwankungen des Klimasystems miteinbeziehen, Änderungen die über mehrere Jahrzehnte ablaufen. Diese natürlichen Schwankungen müssen zusätzlich zum langfristigen Erwärmungstrend berücksichtigt werden. Die natürlichen Schwankungen führten zu dem starken Anstieg der globalen Temperaturen in den 1990er Jahren. Und in der Zeit von 2000 bis 2010 führten genau diese natürlichen Klimaschwankungen zu einem Stillstand der Erwärmung, der noch immer anhält.“
Das Klimaproblem muss angegangen werden
Terje Berntsen betont, dass die Ergebnisse seines Projektes nicht als Ausrede verwendet werden sollten, in den Bemühungen gegen den menschengemachten Klimaeinfluss nachzulassen. Jedoch zeigen seine Forschungsresultate auch, dass die Klimaziele wohl doch leichter zu erreichen sein werden, als noch zuvor angenommen. Auf jeden Fall müssten in den kommenden Jahren substantielle Klimaschutzmaßnahmen ergriffen werden, um die Erwärmung einzudämmen.
Sulfat-Schwebstoffe
Die Wissenschaftler des Projekts haben zudem neue Erkenntnisse zu einem weiteren wichtigen Klimafaktor gefunden, nämlich zu den schwefelhaltigen Schwebstoffen in der Atmosphäre. Das Verbrennen von Kohle ist die Hauptquelle für den menschlichen Eintrag von großen Mengen mikroskopisch kleiner Sulfatpartikel in die Atmosphäre. Diese Partikel agieren als Kondensationskeime bei der Wolkenbildung und könnten auf diesem indirekten Wege durch eine Vergrößerung der Wolkendecke einen Kühleffekt hervorrufen. Wenn Europa, die USA und vielleicht China in den kommenden Jahren ihre Partikel-Emissionen reduzieren, würde sich gemäß diesem Modell die Atmosphäre hierdurch erwärmen.
Die Ergebnisse des norwegischen Projektes deuten jedoch an, dass der Schwefel-Partikel-Ausstoß eine viel geringere Rolle für das Klimageschehen spielt als noch zuvor angenommen. Die gute Nachricht ist daher, dass der erhoffte Rückgang der Schwefelemissionen in den kommenden Jahren einen viel geringeren Erwärmungsbeitrag beisteuert und die Gesamt-Erwärmung daher weniger extrem ausfällt als gedacht.
Lesen Sie die Originalmeldung der Norwegischen Forschungsbehörde hier. Zur Erläuterung sei erwähnt, dass die neu berechnete Klimasensitivität nur noch wenige Zehntelgrade vom 1,5°C-Szenario abweicht, das wir in unserem Buch "Die kalte Sonne" angenommenen haben (siehe Kapitel 7). Ebenso haben wir über die begrenzte Klimawirkung der Schwefel-Aerosole in unserem Buch berichtet (Kapitel 5). Bereits im Dezember 2012 hat sich der Britische Wetterdienst von extremen Temperaturprognosen verabschiedet (siehe unseren Blogartikel "Die Lawine kommt ins Rollen: Britischer Wetterdienst reduziert Erwärmungsprognose bis 2020 drastisch").