Von Frank Bosse und Fritz Vahrenholt
„Die Erderwärmung macht erst mal Pause“ – so titelte das Hamburger Abendblatt am 4. Januar 2013. Und das ist in der Temperaturkurve schwer zu übersehen:
Rot und grün: Temperatur; blau: CO2.
Dies bedarf natürlich einer Erklärung. Sie wird im besagten Artikel gleich von Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck Institut für Meteorologie in Hamburg, mitgeliefert: Es sind Meersströmungen, und die wären in den IPCC-Modellen sehr wohl enthalten. Aber irgendwas stimmt nicht, daran kommt auch Marotzke nicht dran vorbei, als er im Interview mit der Zeitung den Stillstand zu erklären versucht:
„In solchen Perioden wird die Wärme stärker vom tiefen Ozean aufgenommen. Wir können noch nicht erklären, warum dies so ist.“ Die Forscher haben den begründeten Verdacht, dass im südlichen Ozean Wärme von der Oberfläche in die Tiefe gelangt.“
Die Zirkulation in den Weltmeeren ist ja an sich kein unbekanntes Wesen, wie sie funktioniert ist schon bekannt:
Quelle: Bildungsserver
Wir sehen ein Transportband, und eine Stelle ist besonders markant: Der Nordatlantik bei 20-60 Grad Nord und 10-60 Grad West. Dort findet eine große Wärmeabgabe an die Atmosphäre statt. Am naheliegendsten wäre es doch, an dieser Stelle nach der fehlenden Wärme zu fahnden, statt geheimnisvolle Absenkungen von wärmeren Wässern im südlichen Ozean zu verdächtigen? Gehen wir also auf die Suche!
Zur Analyse brauchen wir Daten, die auch die Wärmemenge in tieferen Wasserschichten berücksichtigt. Die Modelle des IPCC begnügen sich oft mit den oberen 50 Metern. Daten bis zu 700 m Tiefe werden aber schon seit 1955 gesammelt, in jüngerer Vergangenheit sehr präzise durch automatisierte Tiefenbojen. Was in den oberen 700 m der Ozeane gemessen wurde, kann man in einer Datenreihe des „Ocean Heat Content“ (OHC) abfragen. Für die Nordatlantik-Region sehen wir folgende Entwicklung:
Das Diagramm zeigt die Abweichungen vom Mittelwert in Gigajoule pro Quadratmeter. Kommt uns die Form der Kurve nicht irgendwie bekannt vor? Aber ja! Die Ähnlichkeit mit dem Verlauf der globalen Temperaturen ist schon verblüffend:
[Fehlerhafter Text sowie eine Abbildungen wurden hier am 16.2.2013 entfernt. Siehe Update am Ende des Artikels]
Gibt es eine Vorhersagemöglichkeit mit einem Horizont von 12 Monaten für die globalen Temperaturen? Dazu führt man eine Regression durch und ermittelt die Temperaturen, die für 12 Monate im Voraus nach unserem „Modell“, das die aktuellen OHC- Werte für die Abschätzung der zukünftigen Temperaturen in einem Jahr benutzt, errechnet wurden und vergleicht sie mit den real gemessenen.
Das sieht schon nicht schlecht aus, oder? Wir konnten ja auch den Verlauf der quartalsweisen Temperaturreihe zu 57% Genauigkeit bereits ein Jahr im voraus prognostizieren. Wie verhält es sich mit den Abweichungen? Wir sehen ja einige doch recht große, man schaue auf das Jahr 1998! Also stellen wir die Zeitreihe der Differenzen zwischen den prognostizierten und realen Werten dar und gleichzeitig den Wechsel zwischen El Nino und La Nina – die „El Nino Südliche Oszillation“ oder kurz ENSO – dargestellt in Form der Reihe des „multivalenten ENSO-Indexes („MEI)“:
Siehe da: sehr viele Abweichungen sind sehr gut durch ENSO (MEI) zu erklären. Auch von großen Vulkanausbrüchen kann die Wärmemenge des tieferen Atlantiks nichts wissen, die negativen Abweichungen 1992-1995 sind darauf zurückzuführen. Wir könnten also schon eine Prognose wagen für 2013:
In rot ist der bisherige quartalsweise Verlauf der globalen Mitteltemperaturen dargestellt. Eine höhere Auflösung ist nicht möglich, da die Daten des Ocean Heat Content (OHC) auch nur so vorliegen. Es sollte nicht verwundern, wenn das erste Quartal 2013 um ca. ein Zehntel Grad kühler würde als die letzten Monate, das Pushen durch den Mini-El Nino bis Herbst 2012 ist dann beendet. Nach einer geringen Erwärmung im zweiten Quartal um wenige hundertstel Grad sollte es sich im Herbst 2013 nochmals um ein Zehntel Grad abkühlen – natürlich vorausgesetzt es kommt in der zweiten Jahreshälfte keines der größeren ENSO-Ereignisse. Diese wirken um ca. 4 Monate verzögert auf die globalen Temperaturen, deshalb sehen wir den Einfluss von ENSO auch schon bis Februar 2013 voraus. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit für einen El Nino in 2013? Das kann keiner genau sagen, lassen wir uns für das zweite Halbjahr überraschen.
Und weiter?
Wenn der Ocean Heat Content des Nordatlantiks eine ca. 65-Jahresperiode haben sollte, kann man die Kurve oben in die Zukunft fortschreiben und es würden OHC-Werte ähnlich den 90ern eintreten! Begründungen von Klimawissenschaftlern für das weitere Verharren oder gar geringe Sinken der Temperaturen könnten dann allmählich ausgehen.
Das tiefere Wasser ist in den Modellen des IPCC nicht ausreichend berücksichtigt. Wenn es jedoch den Einfluss hat, der sich hier andeutet, dann hat CO2 eine deutlich geringere Klimawirkung als bislang angenommen. Wahrscheinlich nur etwa 50% von dem, was vom IPCC angesetzt wurde, wenn man alle natürlichen Faktoren, einschließlich des Einflusses der Sonne, berücksichtigt.
Die nächsten Monate werden auf jeden Fall spannend. Wollen wir dochmal sehen, ob sich unserere kleine Temperaturprognose bewährt, erstellt ohne „geheimnisvolle“ Wärmetransporte in Antarktisnähe! Es lohnt sich also in den kommenden Monaten öfter einmal im kalte Sonne Blog vorbeizuschauen. Wir halten Sie auf dem Laufenden.
Zahlen übrigens ohne Gewähr, denn es gibt auch noch Wetterschwankungen und Vulkaneinflüsse, die wir nicht vorhersehen können…
Siehe auch englischsprachige Version auf notrickszone.com.
----------------------------------
UPDATE vom 16.2.2013: Korrektur und Ergänzung
In der ursprünglichen Version des obigen Beitrags ist den Autoren leider ein Fehler unterlaufen, auf den der User „Random Weather“ des „Wetterzentrale Forums“ dankenswerter Weise aufmerksam machte. Die lag-lead-Betrachtung (also die zeitliche Zuordnung von Ursache und Wirkung) zwischen dem Wärmeinhalt der oberen 700m Wasser (der Ocean Heat Content – OHC) des Nordatlantiks (NA) und den globalen Temperaturen nach der dort beschriebenen Methode war leider genau falsch herum beschrieben. „Über alles“ (1955-2012) führten die Atmosphärentemperaturen den OHC des NA mit etwa 12 Monaten Vorsprung an und nicht umgekehrt. Trotz einer zweimaligen Durchführung der Betrachtung schlich sich zum großen Bedauern der gleiche Fehler ebenfalls zweimal ein.
Zugleich macht das auch deutlich, wie komplex das Geschehen ist. Die im Beitrag verwendete Methode der Trendbefreiung beider untersuchter Reihen und der Versuch der zeitlichen Zuordnung der verbleibenden Abweichungen vom Trend (der Residuen) ist ungeeignet. Auf den Ozean wirken nämlich Antriebe (Forcings) „von oben her“ (top-down) ein, die sich unterscheiden vom gesuchten Effekt vom Ozean her auf die Atmosphäre (bottom – up). Beides wird mit der im ursprünglichen Beitrag verwendeten Methode „in einen Topf“ geworfen und daher wird das Gesuchte von allem anderen überdeckt.
Hier ein überarbeitetes Vorgehen. Zunächst werden beide Reihen ab 1990 wiederum vom linearen Trend befreit. Die Residuen wurden nun zur Glättung von hochfrequentem Wetter-Rauschen mit einem 36-Monatstiefpass behandelt.
Die zeitlichen Abläufe sieht man nun sehr gut. Im Jahre 1991 brach der Vulkan Pinatobu aus und erzeugte einen zeitlich begrenzten „Dip“ in den globalen Temperaturen (nach HadCRUT4 – rot), der im Frühjahr 1993 ein Minimum aufwies. Die Wassermassen des Nordatlantiks (NA – blau) sind viel träger, der Einbruch erreichte recht genau 12 Monate nach dem der globalen Temperaturen ein Maximum.
Auch ENSO hinterlässt in den globalen Temperaturen einen Abdruck, das Maximum in 1998 bildet sich sehr deutlich ab. Dem folgt der OHC des Nordatlantiks (NA) ebenfalls mit etwa 12 Monaten Verzögerung. Bis zum Herbst 2005 folgt der OHC des NA den globalen Temperaturen, danach ein anderes Bild: Zu diesem Zeitpunkt beginnt der OHC des NA zu fallen und mit einer Verzögerung von ca. 8 Monaten folgen die globalen Temperaturen. Zeitlich also ganz anders, als bei Forcings top-down. Der starke Einbruch der globalen Temperaturen in 2008 ist ein Zeichen einer La Nina, der Aufschwung in 2010 das eines ElNino. Im Allgemeinen folgen die Atmosphärentemperaturen dem OHC sehr innig.
Der Verlauf des OHC und der globalen Temperaturen ab 2006 ist nicht durch Forcings und ENSO zu erklären, die dafür typische Zeitverzögerung des NA-OHC fehlt völlig. Dieser ist vielmehr seitdem, von den ENSO-Ereignissen unbeeindruckt, auf Talfahrt. Ohne die lineare Trendbefreiung und stärker geglättet (mit einem 15- Jahrestiefpass) stellt sich das Geschehen (hier bei Betrachtung der Temperaturen der Nordhalbkugel) so dar:
An der Aussage im ursprünglichen Beitrag hat sich daher nichts Entscheidendes geändert: Die globalen Temperaturen folgen seit Beginn 2006 dem OHC des nördlichen extratropischen Atlantiks. Und der weist abwärts.