Führender IPCC-Wissenschaftler im Streitgespräch über die kalte Sonne: Thomas Stocker vs. Fritz Vahrenholt auf dem Berner Bundesplatz

Mitte September 2012 stritten sich der leitende IPCC-Wissenschaftler Thomas Stocker und Fritz Vahrenholt auf dem Bundesplatz in Bern über die Klimakatastrophe. Im Rahmen des Swiss Energy und Climate Summit diskutierten die beiden das Thema “Ist die Sonne schuld an der Klimaerwärmung?”

Das Vortragsvideo mit Folien ist auf der Webseite des Veranstalters verfügbar. Es lohnt sich auf jeden Fall, den kurzweiligen Schlagabtausch anzuschauen. Es ist interessant zu hören, wie Außenstehende das Streitgespräch empfunden haben. Die Berner Zeitung war dabei und kommt zu einem bemerkenswerten Ergebnis:

Der deutsche Energiemanager Fritz Vahrenholt attackiert die Wissenschaft, der Berner Physiker Thomas Stocker schlägt zurück. Das Streitgespräch am Berner Klimagipfel endet mit einem knappen Punktsieg für den Angreifer.

Beide Seiten nennen ihre Argumente. Es liegt jedoch in der Natur der Sache, dass die verschiedenen Aspekte auf dem Podium nur angerissen und Behauptungen nicht ausführlich auf Herz und Nieren getestet werden können. So kann der Großteil des Publikums natürlich nicht abschließend bewerten, ob die „Hockey Stick Kurve“ von Michael Mann wirklich so unangreifbar ist wie Stocker sie darstellt. Wir wollen daher im Folgenden einigen Punkten der Diskussion hier etwas genauer nachgehen.

Zunächst ist Fritz Vahrenholt an der Reihe und gibt einen Überblick zur Thematik. Das CO2 ist in der Tat in den letzten 150 Jahren angestiegen, und auch die Temperatur. Das ist unbestritten. Aber auch die Sonnenaktivität war in den letzten Jahrzehnten so hoch wie nur selten in den letzten 10.000 Jahren. Dies wird oft vergessen. Zudem modulieren Ozeanzyklen die langfristige Klimaentwicklung.

Ab Minute 8:44 (im Youtube-Video) kommt dann Thomas Stocker zu Wort. Er versucht mit einer alten Masche zu punkten, indem er auf hunderte und tausende von Wissenschaftlern verweist, die angeblich alle so wie er und der IPCC denken würden. Dies ist das mittlerweile reichlich abgenutzte Konsens-Argument. Stocker verschweigt dabei, dass unter diesen vielen Wissenschaftlern auch sehr viele sind, die einzelne Punkte des IPCC-Gedankengebäudes anfechten und wichtige Alternativszenarien vorschlagen. Andere Forscher wiederum publizieren ohne großes Aufsehen zu verursachen neue Ergebnisse, die so gar nicht in das IPCC-Modell passen wollen. Eben diesen Wissenschaftlern haben wir in unserem Buch „Die kalte Sonne“ eine Plattform verschafft und berichten zudem hier in diesem Blog regelmäßig über entsprechende neue Publikationen. Anstatt diese Ergebnisse zu ignorieren bzw. in den numerischen Modellen einfach unberücksichtigt zu lassen, sollte der IPCC diese Ergebnisse ernst nehmen und eine ergebnisoffene Diskussion beginnen. Stocker übergeht all diese wichtigen Aspekte in seinem simplistischen Ansatz, der offensichtlich das alleinige Ziel verfolgt, die Komplexität der Materie und die vielen Fragezeichen unter den Wissenschaftlern der Öffentlichkeit gegenüber zu verschleiern.

Stocker geht in seinem kurzen anfänglichen Redebeitrag auf vier Hauptaspekte ein:

Erstens: Die CO2-Konzentration wäre heute so hoch wie noch nie  in den letzten 1 Millionen Jahren. Damit hat er Recht. Aber warum geht er nicht auf den wichtigen Punkt der CO2-Klimasensitivität ein? Die Hauptfrage ist doch, wie viel Erwärmung dieses zusätzliche CO2 bringt. Und hier schwanken die Meinungen unter den Experten noch immer massiv. Vieles deutet mittlerweile darauf hin, dass die Klimawirkung des CO2 stark überschätzt wurde, da natürliche Klimafaktoren zu wenig berücksichtigt wurden. Dazu von Stocker kein Wort.

Zweitens: Stocker zeigt die Temperaturkurve der letzten 130 Jahre und bestätigt, dass es natürliche Klimazyklen gibt. Das ist interessant. Meint er hier eventuell den markanten 60-Jahres-Zykus, der deutlich in den Daten zu erkennen ist? Dies stünde dann im krassen Gegensatz zur bisherigen IPCC-Sichtweise, die die Abkühlung 1940-1977 noch immer mit Schwefelabgasen von Kohlekraftwerken zu erklären sucht. Das Absacken der Pazifisch Dekadischen Oszillation (PDO), eines wichtigen Ozeanzyklus, wäre dann purer Zufall? Wenn Stocker nun plötzlich Ozeanzyklen als Klimafaktoren zuließe, würde dies automatsh bedeuten, dass ein Teil der Erwärmung 1977-2000 den Ozeanzyklen und nicht dem CO2 zuzuschreiben wäre. Die Klimakraft des CO2 müsste dann entsprechend nach unten korrigiert werden. Stocker lässt diese logische Schlussfolgerung einfach aus. Dafür geht er auf den Unterschied der Temperaturentwicklung von Nord- und Südhemisphäre ein. Das ist nett und gut. Aber es steht überhaupt nicht im Widerspruch zum Inhalt unseres Buche „Die kalte Sonne“.

Drittens: Stocker sagt, dass der Meeresspiegel in den letzten 130 Jahren um 18 cm angestiegen sei. Das stimmt. Aber auch dieses Statement ist im Einklang mit unserem Buch, wo dies ausführlich beschrieben ist. In der Klimakatastrophendebatte geht es vielmehr um die Frage, ob sich der Anstieg in den letzten Jahrzehnten weiter beschleunigt hat, was jedoch auf Basis objektiver Messdaten klar verneint werden kann.

Viertens: Dann versucht Stocker den altbekannten IPCC-Taschenspielertrick. Das CO2 wäre angestiegen und auch die Temperatur, und weil beides gleichzeitig hochgegangen sei, muss das CO2 wohl die Ursache der Erwärmung sein. Kleine Fanfare. Hier wundert sich der aufmerksame Zuhörer. Hatte nicht Fritz Vahrenholt soeben gesagt, dass neben dem CO2 und der Temperatur auch die Sonnenaktivität angestiegen ist? Warum nimmt Stocker nicht den Ball auf und geht auf diesen überaus wichtigen Punkt ein? Mittlerweile sollte doch klar sein, dass Korrelation nicht unbedingt Kausalität bedeutet. Auch den Trick mit dem Vergleich von natürlichen und anthropogenen Modellkurven haben wir bereits ausführlich besprochen (siehe S. 154-157 in „Die kalte Sonne“). Wenn man die klimatische Kraft der Sonne schon im Rechenansatz aus fragwürdigen Gründen stark reduziert, kann man auch bei der Modellierung nicht erwarten, dass sich die Sonne in der Betrachtung plötzlich als starker Klimafaktor entpuppt. Hier gilt das schöne alte Sprichwort: Rubbish in – rubbish out. Man muss sich wundern, dass Stocker und seine IPCC-Kollegen noch immer mit dieser alten Masche versuchen zu punkten, obwohl der Logikfehler so offensichtlich ist. Anstatt hier ehrlich zu argumentieren, streut Stocker dem Publikum noch mit Floskeln wie „Nach bestem Wissen und Gewissen“ Sand in die Augen und macht dabei ein sehr ernstes Gesicht.

Auch in der anschließenden Diskussion kommen noch einige interessante Ansichten Stockers zum Vorschein. So hält Stocker die berühmt-berüchtigte Hockey Stick Kurve von Michael Mann noch immer für ein solides Stück Wissenschaft. Spätere Untersuchungen hätten sie bestätigt. Hier muss man schon etwas Schmunzeln, denn es war Michael Mann selbst, der die ursprüngliche Kurve einige Jahre später korrigierte, wobei die zuvor weginterpretierte Mittelalterliche Wärmeperiode und die Kleine Eiszeit plötzlich wieder zum Vorschein kam (siehe S. 123 in „Die kalte Sonne“). Es ist absolut rätselhaft, warum der IPCC und sein Arbeitsgruppenleiter Stocker diesen eklatanten Fehler nicht einfach zugeben können und sich stattdessen auf abenteuerliche Deutungsweisen einlassen. Auch die Ozeanzyklen sieht Stocker offenbar als Gefahr für das IPCC-Gesamtwerk. Stocker misst den Ozeanzyklen nur einen kleinen Effekt zu. Seltsam nur, dass dieser „kleine Effekt“ von 1940-1977 fast vierzig Jahre lang (im Zusammenspiel mit einer schwachen Sonne der 1970er Jahre) die Erderwärmung effektiv stoppte. Und auch seit 2000 beobachten wir wieder Ähnliches. Diesen Temperaturstopp der letzten 12 Jahre hat keines der hochgelobten IPCC-Modelle vorhergesagt. Stocker lässt dieses wichtige Detail aus.

Stocker hat sich unser Buch „Die kalte Sonne“ ganz genau angeschaut, sagt er. Er suggeriert dem Publikum in Bern, dass dieses Buch ganz alleine dastünde und gegen den IPCC-Konsens hoffnungslos unterlegen wäre. Meint er dies wirklich ernst? Unser Buch hat ein Literaturverzeichnis das 70 Seiten umfasst. Wir zitieren hunderte von wissenschaftlichen Arbeiten, deren Ergebnisse wir im Buch lediglich kompiliert haben. Wie kann Stocker da behaupten, wir stünden mit unserer Meinung ganz alleine da, die zudem unwissenschaftlich wäre? Stocker bemängelt, dass 37% der Zitate in unserem Buch graue Literatur und Zeitungsartikel wäre. Vahrenholt weist ihn darauf hin, dass es sich um ein populärwissenschaftliches Sachbuch für die breite Öffentlichkeit handelt, wo die Einbeziehung von zusätzlichen Quellen selbstverständlich ist. Stockers Vorwurf ist umso amüsanter, da der IPCC für seine eigenen Berichte erst vor wenigen Monaten die Verwendung von nicht begutachteter „grauer Literatur“ großzügig ausgeweitet hat.

Auf Vahrenholts Vorwurf, die Wolken wären in den Klimamodellen nicht gut verstanden, erwidert Stocker, dass die Wolken doch in den Modellen enthalten wären. Dies geht natürlich am Thema vorbei. Vielmehr ist doch die Frage, ob die Wolken denn KORREKT eingearbeitet sind. Dann gibt Stocker zu, dass die Modelle mit dem El Nino-Phänomen nicht richtig klar kämen, und erweckt den Anschein, als wenn dies fast das einzige kleine Problemchen wäre.

Das Schlusswort der Veranstaltung hat dann Fritz Vahrenholt. Er bringt es für das Publikum nocheinmal auf den Punkt: Der IPCC hat die Natur in den Gleichungen nicht ausreichend berücksichtigt. Es ist an der Zeit, dass der IPCC diesem offensichtlichen Problem selbstkritisch, ernsthaft und ergebnisoffen nachgeht. Dies ist angesichts der weitreichenden energiepolitischen Folgen nicht zuviel verlangt.

 

Eine Analyse und Kommentierung des Streitgesprächs gibt es auch auf notrickszone.com von Pierre Gosselin.
Mit Dank an Jürgen Uhlemann, Rainer Hoffmann und Dr. G. Franz.