Wissenschaftssendung Nano lässt der Sonne keinen Nanometer Klimawirkung: Fehlende Neutralität in der Berichterstattung wirft Fragen auf

Am 20. August 2012 beschäftigte sich die 3SAT-Wissenschaftssendung Nano wieder einmal mit dem Klimawandel. Frage diesmal: „Ist die Sonne Schuld, dass es wärmer wird?“. Eine spannendes Thema. Aber irgendwie ist schon in der Frage der Wurm drin. Weiß die Moderatorin Kristina zur Mühlen eigentlich, dass es in den letzten 12 Jahren gar nicht mehr wärmer geworden ist? Offensichtlich nicht, denn sonst hätte sie sich diesen Satz verkniffen:

“Überall auf der Erde steigen ja Schritt für Schritt die Temperaturen.”

Es wäre auf jeden Fall viel interessanter zu diskutieren, was denn eigentlich für den Erwärmungsstop verantwortlich ist, den keines der IPCC-Modelle vorhergesehen hat. Aber wollen wir mal nicht gleich so streng sein, und schauen uns an, was Nano zur Klimawirkung der Sonne so zu sagen hat. Und vor allem: Wen die Redaktion so zu Wort kommen lässt, denn die wissenschaftliche Ansichten gehen in dieser Diskussion bekanntlich weit auseinander.

Zum Einstieg in die Thematik zeigt Nano die Entwicklung von Temperatur, Sonnenaktivität und CO2-Gehalt für die letzten 100 Jahre (siehe Video oben ab Minute 2:06). Eine gute Idee möchte man meinen. Aber halt, warum ist denn die Sonnenkurve so flach? Wer sich ein bisschen in der Materie auskennt, weiß, dass die Sonnenaktivität im 20. Jahrhundert signifikant zugenommen hat. Nano hat jedoch die y-Achse so sehr gestaucht, so dass man kaum noch Änderungen in der Sonnenaktivität wahrnehmen kann. Das ist ziemlich unsportlich, liebe Nano-Redaktion! Also, hier ist die Abbildung nochmal in neutraler, unparteiischer Darstellung (Abbildung 1):

Abbildung 1: Entwicklung der Sonnenaktivität während der letzten 150 Jahre am Beispiel der Sonnenflecken und des Sonnenmagnetfeldes (nach Mufti & Shah 2011).

 

Man erkennt schön den Anstieg von Temperatur und Sonnenaktivität bis in die 1940er Jahre hinein, dann bildet sich in beiden Kurven eine Art Plateau aus. Auch das passt. CO2 steigt während dieser Plateau- bzw. Abkühlungsphase unbeirrt weiter an. Dies ist dem Nano-Team jedoch keinen Kommentar wert. Ende der 1970er Jahre steigt dann die Temperatur wieder, während die Sonnenaktivität auf einem hohen Niveau verharrt. Da das CO2, wie bereits zuvor, weiter ansteigt, wird dies schnell als Beweis für die Klimakraft des Treibhausgases herangezogen. Hier „wird der wahre Auslöser der Erwärmung mehr als deutlich“. Ein seltsamer Beweis, denn: Korrelation ist nicht gleich Kausation. Wenn man die Nano-Denkweise anwenden würde, hätte sich das CO2 als Klimatreiber in der Zeit 1940-1977 bereits selbst disqualifiziert, denn da laufen Klima- und CO2-Kurven eklatant auseinander.

Nachdem dies schon mal schön schiefgegangen ist, fallen weitere wichtige Auslassungen auf: Warum weist das Fernsehteam nicht auf die Wirkung der Ozeanzyklen hin? Ein nicht unbedeutender Anteil der Erwärmung 1977-2000 geht auf die anteigenden Ozeanzyklen im Pazifik und Atlantik zurück (PDO und AMO). Und warum nimmt Nano überhaupt die Sonnenflecken als Maß für die Sonnenaktivität. Es gibt doch noch etliche andere Näherungsgrößen, zum Beispiel das Sonnenmagnetfeld (Abbildung 1). Und gerade dieses zeigt Erstaunliches: Der Spitzenwert der Entwicklung war nicht etwa in den 1950/60er Jahren sondern in den 1980/90er Jahren, also zur Zeit der letzten Erwärmungsphase. Plötzlich sieht dies doch alles schon ganz anders aus. Wenn Nano jetzt noch auf die Trägheit des Klimasystems eigegangen wäre, nämlich dass auch ein hohes solares Aktivitätsniveau durchaus die Temperaturen noch mehrere Jahrzehnte aufheizen kann, bis endlich ein klimatisches Gleichgewicht erreicht wird, dann wäre es perfekt. Leider bringt die Redaktion gar nichts davon. Passte wohl nicht in die Story.

Auftritt Georg Feulner vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Stolz darf er seinen Supercomputer zeigen, mit dem er angeblich zeigen kann, dass ein neues Großes Solares Minimum im 21. Jahrhundert nur 0,3°C Abkühlung bringen würde, was die CO2-bedingte Erwärmung jedoch nur marginal bremsen würde.

Dass dieser Abkühlungsbetrag viel zu gering ist, können die meisten der Zuseher nicht wissen. Man braucht aber nur die vergangenen 10.000 Jahre anzuschauen, dann wird schnell klar, dass jedes einzelne der im Millenniumstakt auftretenden großen Sonnenminima mindestens 1 Grad Abkühlung gegenüber den warmen, sonnenaktiven Phasen eingebracht hat (siehe S. 68-75 in „Die kalte Sonne“ sowie Sebastian Lünings Vortrag auf der International Conference on Climate Change). Ein besonders schönes Beispiel für solch eine Solarflauten-bedingte Abkühlung ist die Kleine Eiszeit im 15.-19. Jahrhundert. Die Sonnenaktivität lag am Boden und die Temperaturen fielen weltweit. Wie konnte dies passieren, wenn die Sonne laut IPCC und Feulner kaum eine Klimawirkung hat?

Dann bringt Nano den höchst fragewürdigen CO2-Fingerabdruck in der Stratosphäre, den Mojib Latif immer so gerne verwendet, und der die enorme Klimawirkung des CO2 angeblich beweisen soll. Während sich die untere Atmosphäre (Troposphäre) erwärmt, soll sich die Stratosphäre abkühlen. Ein kurzer Blick auf die Temperaturkurve der Stratosphäre genügt: In den letzten 17 Jahren ist es in der Stratosphäre überhaupt nicht kälter geworden. Abgesehen vom solaren 11-Jahres-Zyklus ereigneten sich keine signifikanten Temperaturveränderungen mehr und die Werte oszillieren seitdem auf einem Plateau. Die registrierte stratosphärische Abkühlung 1980-1995 verlief zudem überraschend parallel zur Ausdünnung der Ozonschicht, die während dieser Zeit durch FCKW-Emissionen in Mitleidenschaft gezogen wurde. Auch eine neuere Modellierungsstudie bestätigt den enormen Einfluss des Ozons in der mittleren Atmosphäre (siehe auch unser Blogbeitrag „CO2-Fingerabdruck löst sich in Luft auf: Neue Studie belegt Ozonwirkung auf Temperatur in der mittleren Atmosphäre“). Der angebliche CO2-Beweis von Nano ist daher nicht stichhaltig.

Nun ist aber auch dem Nano-Team aufgefallen, dass vor 300 Jahre, zum Höhepunkt der Kleinen Eiszeit, die Sonnenflecken für längere Zeit komplett ausblieben, die Sonne also in einen Art Winterschlaf verfiel. Wieder darf Feulner ran und die Kälte mit Vulkanen erklären. Zufrieden stellt der Film daraufhin fest: „Für einen Effekt der Sonne bleibt hier kein Raum.“

Dass es sich bei Feulners Modell nur um einen IPCC-Reparatur-Patch handelt, entgeht den Nano-Redakteuren jedoch leider. Die abenteuerliche Vulkanhypothese haben wir kürzlich bereits in einem gesonderten Blogartikel behandelt, in dem wir feststellen konnten, dass das Vulkanmodell nicht stichhaltig ist (siehe Die Kleine Eiszeit als weltweite Kältephase: Welche Rolle spielten die Vulkane?). Weder Zeitpunkt noch Häufigkeit der angenommenen Ausbrüche können die bekannte Temperaturentwicklung plausibel erklären. Und wenn die Kleine Eiszeit durch Vulkane bedingt war, wie steht es dann mit den 8 vorangegangenen „Kleinen Eiszeiten“ die jeweils in sonneninaktive Phasen fielen? Auch alles Vulkanausbrüche? Und der zeitgleiche Rückgang der Sonnenaktivität jedes Mal jeweils nur Zufall? Aus wissenschaftlicher Sicht schlichtweg unmöglich. So weh es auch tut: Schuld an der Kleinen Eiszeit muss wohl doch die kalte Sonne gewesen sein, auch wenn es Feulner & Co. Nicht schmeckt.

Als nächstes wird im Schnellverfahren Svensmarks Solarverstärker niedergemacht und einfach behauptet, er hätte sich nicht bestätigt. Das ist falsch. Es gibt zahlreiche Erkenntnisstränge, die auf die Wirksamkeit des Mechanismus hinweisen (siehe Kapitel 6 in „Die kalte Sonne“). Das CERN-Experiment wird kurz angetippt. Fälschlicherweise wird behauptet, die durch kosmische Strahlung erzeugten Aerosolteilchen wären zu klein, um Wolkenkeime zu bilden. Richtig wäre gewesen, darauf hinzuweisen, dass genau dieser Schritt noch im CERN-Konsortium untersucht wird und das Ergebnis noch offen ist.

Carsten Denker vom Potsdamer Einsteinturm eifert dann seinem Fachkollegen Sami Solanki nach und behauptet, dass die Entwicklung der Sonnenaktivität in keiner Weise vorhersehbar wäre. Seltsam, denn damit stellt er sich zusammen mit Solanki gegen den Großteil der internationalen Astrophysiker, die ein Abflauen der Sonnenaktivität in den kommenden Jahrzehnten für recht wahrscheinlich halten. Glauben Sie nicht. Kein Problem, hier sind einige Fachpublikationen dazu: Li et al. 2011, Owens et al. 2011, De Jager & Duhau 2012, Stozhkov & Okhlopkov 2010, Penn & Livingston 2010, Bonev et al. 2004, Lockwood 2010, Feulner & Rahmstorf 2010, Barnard et al. 2011, Feynman & Ruzmaikin 2011).

Das Fazit von Nano kommt nicht überraschend: „Viel Lärm um nichts“ Die Sonne taugt klimatisch nichts. Das ist schon seltsam. Denn wenn man sich in der Geologie in bisschen auskennt, weiß man, dass die angeblich so wirkungslose Sonne in der Vergangenheit eine sehr wichtige Rolle im Klimageschehen der letzten 10.000 Jahre gespielt hat (siehe Artikelübersicht hier). Ein großes Paradoxon, das Nano vielleicht einmal in einer zukünftigen Folge beleuchten könnte.

Nachdem der Hauptfilm zuende ist, passiert jedoch noch etwas sehr Seltsames. Ein kleiner Zusatzfilm über die Sonnenflecken wird eingespielt. Und hier hören wir plötzlich, dass die Sonnenaktivität gar nicht so zufällig und planlos abläuft, wie von Denker gerade noch dargestellt. In diesem Zusatzbeitrag von Helmut Hetznecker hören wir von längerfristigen Zyklen über etliche Jahrzehnte und Jahrhunderte, die sich alle überlagern. Wenn es sich m „Zyklen“ handelt, ließe sich vielleicht doch etwas vorhersagen. Dies ist die logische Schlußfolgerung. Und dies hat auch die Mehrzahl der internationalen Astrophysiker erkannt. Was ist bloß in Deutschland los, werden sie sich fragen, wenn sie Denker und Solanki so reden hören. Tja, und auch Feulner bekommt in dem Filmnachklapp nochmal Gegenwind. Autor Hetznecker hält es durchaus für möglich, dass die Kälte der Kleinen Eiszeit dich durch die Sonnenflaute und nicht so sehr durch Vulkane verursacht wurde. Ein guter Schluss. Trotzdem sollte sich – mit Blick auf den Hauptteil des Films – die Nano-Redaktion ernsthaft fragen, ob sie ihre Verpflichtung zur neutralen Berichterstattung hier nicht verletzt hat. Wie kann es angehen, dass die oben genannten Kritikpunkte im Beitrag einfach übergangen wurden? Warum wurde die andere Seite der Klimadiskussion, die Fürsprecher der Sonne nicht gefragt? Dafür hätte man nicht weit gehen müssen. Vom Potsdamer PIK und Einsteinturm sind es nur wenige Meter bis zum Geoforschungszentrum Potsdam. Einen aktuelle Anlass hätte es auch gegeben, wie wir hier im Blog bereits berichtet haben („Geoforschungszentrum Potsdam: Solarflaute vor 2800 Jahren löste Kälteperiode in Mitteleuropa aus“).

 

Mit Dank an Rainer Hoffmann und Jochen Buthe.
Das Video ist auch in der ZDF-Mediathek archiviert.