Die Sonne im Dezember 2018 und wie uns neue Erkenntnisse zum Klima immer wieder überraschen

Von Frank Bosse und Fritz Vahrenholt

Unser Stern war auch im Dezember des vorigen Jahres sehr unternormal aktiv. Wir schreiben den 121ten Monat seit Beginn des Zyklus Nummer 24 im Dezember 2008 und seit 2012 ( als wir den Blog hier begannen) konnten wir nur ein einziges Mal den Eingangssatz umformulieren: Im September 2017, als die Sonne 13% aktiver war als das langjährige ( seit 1755) Mittel. Alle anderen Monate waren unterdurchschnittlich. Mit der festgestellten SSN (für SunSpotNumber) von 3,1 für das Monatsmittel und insgesamt 24 Tage ohne jeden Fleck (in der gesamten zweiten Monatshälfte war die Sonne „spotless“) befinden wir uns mitten im Minimum des Zyklus.

Abb. 1: Der SC ( Solar Cycle) 24 –rot- ist fast zu Ende. Seit Oktober 2017 (Zyklusmonat 108) befinden wir uns im Minimum und der nächste Zyklus sollte Anfang 2020 starten. In blau der jeweilige monatliche Mittelwert über die bisherigen vollendeten 23 Zyklen. In schwarz zum Vergleich der SC5, der um 1815 aufgezeichnet wurde und ähnlich schwach ausgeprägt war wie der aktuelle.

 

Wir wollen die Aktivitäten der einzelnen Zyklen vergleichen:

Abb. 2: Die Fleckenaktivität unseres Zentralgestirns seit dem Zyklus 1 (1755). Die Zahlen errechnen sich, indem die monatlichen Differenzen zum Mittelwert ( blau in Abb.1) bis zum aktuellen Zyklusmonat 121 aufsummiert werden.

 

Eindeutig ist die seit dem Dalton Minimum (SC 5,6,7) um 1810 so nicht festgestellte geringe Aktivität das SC24, die sich zeigt, wenn man den gesamten Zyklusverlauf und nicht nur die Maximal-Aktivität in kurzen Spitzen ( vgl. Abb.1) als Maßstab benutzt. Wann „zündet“ der neue Zyklus 25? Das ist sehr schwer zu sagen. Im Dezember wurden insgesamt 3 Flecken beobachtet, die zum neuen Zyklus gehören, weil sie magnetisch anders herum gepolt sind als die des alten Zyklus. Im Januar sehen wir gegenwärtig wieder viel „alten Zyklus“, sodass Prognosen wohl verfrüht sind. Wenn sich hier etwas tut, erfahren Sie es mit als erste!

 

Klimaüberraschungen

Eine  sehr lesenswerte Arbeit aus den USA vom Januar 2019 in Science (Geoffrey Gebbie ,vom Woods Hole Oceanographic Institution/Peter Huybers von der Harvard University, im Folgenden GH19) trägt den Titel „The Little Ice Age and 20th-century deep Pacific cooling“. Sie zeigt faszinierende Wissenschaft. Die Autoren werteten Temperaturmessungen in der Tiefsee der berühmten Expedition der  „HMS Challenger“ in den 1870er Jahren aus. Das Segelschiff befuhr den Atlantik und Pazifik und lieferte die wohl ersten Daten über die Ozeane bis zu Tiefen von über 2000m. Allein die Rekalibrierung der alten Daten ist eine Meisterleistung! Was in der Arbeit gefunden wird: der Pazifik hat sich in der Tiefe abgekühlt von 1870  bis heute, der Atlantik nicht. Mit einem Strömungsmodell der globalen Wässer bis in solche Tiefen gingen die Autoren der Ursache auf den Grund und folgerten: Die Zirkulation der Tiefsee bringt es mit sich, dass die pazifischen Tiefen noch heute von der mittelalterlichen Warmperiode (MWP, etwa 950-1250) und dem Übergang zur kleinen Eiszeit (ca.  1500-1800) beeinflusst werden. Das erwärmte Wasser von vor 1000 Jahren braucht so lange, bis es im Pazifik in Tiefen um 3000 m ankommt! Das impliziert zweierlei: Die MWP war ein global großskaliges Ereignis, wie wir es auch im Projekt MWP nachweisen. Sie wird so in Klimamodellen nicht abgebildet, daher ist es ein dem IPCC „unbekanntes Wesen“. Sie wirkt jedoch noch heute, die Arbeit GH19 ist ein Beleg. Die Temperaturentwicklung im Pazifik aus der Arbeit:

Abb. 3: Die Temperaturentwicklung im Pazifik bis in Tiefen von 5500m. Die MWP an der Oberfläche wärmte das Wasser in der Tiefe bis 1300 AD und die folgende Abkühlung der „Kleinen Eiszeit (Little Ice Age, LIA) wirkte später auch kühlend in der Tiefe das Pazifiks. Nach 1750 war der Ozean noch „angewärmt“ und das Abkühlen dauert bis heute an. Quelle: Supplements Fig. S5 aus GH19

 

Das ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass unser Klima eben NICHT im Gleichgewicht war um 1750 wie es alle Klimamodelle voraussetzen. Die Auswirkungen der MWP spüren wir bis heute. Wenn man nun für die Bestimmung der Sensitivität  „ECS“, also der langfristigen ( mehrere Jahrhunderte) Temperaturerhöhung bei Verdopplung des CO2- Gehaltes,  ein Gleichgewicht auch im Ozean um 1750 annimmt und die Erwärmung bis heute auf anthropogene Antriebe zurückführt, vernachlässigt man, dass da ja noch Restwärme (für Modelle wie gesagt völlig unbekannt) in den 1750ern war. Das Wachstum im Gesamtwärmeinhalt der Ozeane bis heute ist also kleiner als Modelle annehmen und das führt zu einer geringeren Empfindlichkeit gegenüber anthropogenen Wirkungen. Das stellte auch Nic Lewis in diesem Kommentar zur Arbeit fest, indem er eine signifikante Reduzierung der Größe ECS aus den Erkenntnissen von GH19 anmerkte, selbst wenn man in den folgenden Berechnungen den Vorgaben des IPCC folgt.

Wenn die Erkenntnisse von Gebbie und Huybers sich bestätigen, ist der IPCC-Bericht grundlegend zu überarbeiten, und zwar vor allen Dingen für die langfristigen Temperaturprognosen. Aber das gilt auch für die  bis 2100 zu erwartenden Erwärmungen, wie sie sich in den TCR (transient climate response) Abschätzungen bei Verdoppelung der CO2-Konzentration niederschlagen.

Der Mitautor (F.B.) stellte Anfang Januar 2019 einen Beitrag auf Judith Currys Blog zur Diskussion.  In ihm versuchte er, die natürliche Variabilität 1950-2016 aus Beobachtungen und NICHT aus Modellen abzuleiten. Letztlich ergibt sich unter Beachtung aller genau  so vom IPCC getroffenen Annahmen eine Klimasensitivität  TCR von ca. 1,3 °C/Verdopplung des Kohlendioxidgehaltes unserer Atmosphäre. Fügt man die bekannten Einflüsse durch Vulkane, die pazifischen ElNino/LaNina- Zyklen (kurz ENSO) und die (auch vom IPCC genau so angenommenen) Sonneneinflüsse hinzu und beachtet die interne Variabilität seit 1950, kann man den jährlichen Temperaturverlauf nur mit diesen Größen rekonstruieren:

 

Abb. 4: Der rekonstruierte globale Temperaturverlauf ab 1950 (dunkelblau) und der real beobachtete (grün).

 

Die Übereinstimmung ist verblüffend und sie entstand nicht durch übermäßiges anpassen (fitten, „tunen“) von vielen Parametern, wie es in vielen Klimamodellen gemacht wird. Dort spielt sogar die Reihenfolge beim „tunen“ der Parameter eine große Rolle für das Ergebnis.  Die gute Rekonstruktion ergibt sich, wenn man eine TCR von 1,3 ermittelt, anders als es die Modelle für den 5. Sachstandbericht des IPCC tun, indem sie 1,85 ansetzen. Das sind 30% weniger Erwärmung als es Modelle sehen, dies ist auch das Ergebnis von Lewis/Curry (2018), wir hatten hier berichtet.

Eine Begleiterscheinung von diesem IPCC- konformen Vorgehen ist, dass (nahezu) alle längerfristige Erwärmung, im gezeigten Beispiel seit 1950, durch „anthropogenes Forcing“ entsteht, im Wesentlichen CO2.   Auch längerdauernde Untersuchungen zeigen das: wenn man ein ähnliches Vorgehen wählt und die Zeitspannen ab 1870 untersucht, auch dann folgt zwangsläufig: Alle tendenzielle Erwärmung kommt von anthropogenen Antrieben, in diesem Fall seit 1870. Alle solchen Methoden beinhalten diese Vorgabe. Jede langfristig wirkende natürliche Quelle wird ausgeschlossen, indem man voraussetzt, dass unser Klima in den 1750er Jahren im „Gleichgewicht“ war, also keine langfristigen Antriebe wirken und nur (kurzfristige im Sinne von Dekaden) interne Variabilität,  Vulkane und  ENSO Einfluss auf das Klima hatten, von noch viel längerfristiger wirkenden Änderungen durch die Erdbahn (Eiszeiten, Zwischeneiszeiten)) einmal abgesehen.

Vor dem Hintergrund der oben vorgestellten Arbeit von Gebbie und Huybers ist es höchst fraglich, dass  auf längeren  Zeitskalen wirkende Einflüsse durch das Vorgehen nach IPCC von vornherein vernachlässigt werden dürfen.   Das bedeutet im Klartext, dass die oben genannte Schätzung der Sensitivität eher eine Obergrenze ist  und unter Einbeziehung der sich in den 1750er Jahren nicht im Klimagleichgewicht befindlichen Ozeanwärme  darunter liegen dürfte.

Wir hören immer wieder, dass die Wissenschaft kaum noch Neues finden kann zum anthropogenen Klimawandel. „The science is settled“. Fallen Sie nicht darauf rein! GH19 ist ein leuchtendes Beispiel für wahre Wissenschaft rund ums Klima. Wir freuen uns auf weitere Neuigkeiten und Beobachtungen helfen weiter. Wenn man sich nicht auf Modelle konzentriert, sondern die Empirik pflegt, sind wir immer wieder überrascht!