„Faktenwäsche“?

Von Uli Weber

Das Verschleiern der Herkunft von Geld nennt man „Geldwäsche“. Nun werden in der medialen Darstellung einer „menschengemachten Klimakatastrophe“ manchmal Aussagen verbreitet, deren wirklicher Informationsgehalt sich dem geneigten Betrachter nicht so ganz einfach zu erschließen vermag, weil Kernaussage und Fakten sehr weit auseinanderliegen. Beispielsweise hatte ein Klimaexperte vor knapp 20 Jahren geweissagt, es würde heutzutage durch den „Einfluss des Menschen“ gar keine Winter mehr geben (spiegel.de). Und gerade eben herrschte in den Alpen noch ein Schneechaos, das von anderen Klimaexperten wiederum mit dem „menschengemachten Klimawandel“ begründet wird

Verfolgen wir einmal eine aktuelle Klima-Alarm-Meldung zu ihren Wurzeln zurück: Am 22.01.2019 erschien auf der Internet-Plattform von t-online.de ein Artikel mit der Überschrift „Grönland-Eis schmilzt viel schneller als angenommen“ (mit Dank an G. K. für diesen Link). Dort werden dann „Wissenschaftler der Universität in Ohio“ zitiert, die „ ihre Ergebnisse nun in einer Studie in dieser Woche veröffentlicht“ haben, aber noch nicht einmal der Titel der zugrunde liegenden wissenschaftliche Veröffentlichung, deren Autoren oder das veröffentlichende Medium werden konkret genannt.
Vielmehr bezieht man sich in diesem Artikel auf zwei Sekundärquellen:

–Scinexx: Grönland: Schmelzrate vervierfacht
–NYT: Greenland’s Melting Ice Nears a ‚Tipping Point‘, Scientists Say

Auf Scinexx wird dann bereits im Fließtext ein konkreter Bezug hergestellt, und zwar „Michael Bevis von der Ohio State University und sein Team“, und am Ende dieses Artikels wird auf die Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) mit der entsprechenden wissenschaftlichen Originalveröffentlichung verlinkt: doi: 10.1073/pnas.1806562116. Wenn wir jetzt einmal in diese Originalveröffentlichung mit dem Titel „Accelerating changes in ice mass within Greenland, and the ice sheet’s sensitivity to atmospheric forcing“ von Bevis et al. (2019) einsteigen, dann stolpern wir dort sofort über eine Abbildung, aus der sich eine eindeutig gegenteilige Aussage zu der oben zitierten Überschrift ableiten lässt:

 

Abbildung: Diagramme A bis D aus Fig. 1 von Bevis et al. (2019). Quelle: Michael Bevis, Christopher Harig, Shfaqat A. Khan, Abel Brown, Frederik J. Simons, Michael Willis, Xavier Fettweis, Michiel R. van den Broeke, Finn Bo Madsen, Eric Kendrick, Dana J. Caccamise II, Tonie van Dam, Per Knudsen, and Thomas Nylen: Accelerating changes in ice mass within Greenland, and the ice sheet’s sensitivity to atmospheric forcing, PNAS published ahead of print January 22, 2019 https://doi.org/10.1073/pnas.1806562116 (Open access article distributed under Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives License 4.0 (CC BY-NC-ND))

 

Wir setzen für die nachfolgende Interpretation dieser Diagramme einmal voraus, dass die dort von Bevis et al. (2019) dargestellten Daten des Gravity Recovery and Climate Experiments (GRACE) messtechnisch korrekt ermittelt worden sind. Und wenn wir uns dann die jeweils dargestellten Kurvenverläufe in den einzelnen Diagrammen genauer anschauen, dann müssen wir feststellen:

Diagramm „A“ zeigt, dass die tatsächlichen Masseverluste des Grönlandeises seit Mitte 2013 (ab der vertikalen grünen Linie) deutlich geringer sind als es die beiden Trendberechnungen aus dem vorher dargestellten Zeitraum vorgeben.
Das nach einem „Mass Trajectory Model“ (MTM, Verlauf in Diagramm „C“) korrigierte Diagramm „B“ stellt den eben beschriebenen Verlauf dann noch deutlicher dar.
Und folgerichtig steigen die Residuen in Diagramm „D“ (Residuen=Abweichungen zwischen MTM-korrigiertem Trend und Messwerten) seit 2013 deutlich an.

 

Anmerkungen:

In Diagramm „A“ gehen die blauen Datenpunkte und der rot durchgezogene „SLTM:Trend+Cycle“ ab der Modellgrenze Mitte 2013 immer weiter auseinander, weil der Ausnahmesommer 2012 im Trend fortgeschrieben wird. Die Amplituden der Zyklen in den Diagrammen „A“ („SLTM:Trend+Cycle“) und „C“ („Cycle Removed“) passen über den dargestellten Zeitabschnitt folglich nicht zusammen und können ohne eine weitere Anpassung an den individuellen Jahresverlauf nicht zu dem korrigierten Ergebnis in Diagramm „B“ geführt haben.

Der Autor bezweifelt, dass es sich bei der roten Ausgleichsgeraden in Diagramm „D“ (ab Mitte 2013) um einen RMS-Durchschnitt handelt (RMS=kleinste quadratische Abweichung zu den Datenpunkten).
In Diagramm „D“ fällt weiterhin auf, dass die Residuen auf einer verkürzten Zeitskala lediglich bis Mitte 2014 dargestellt werden, anstatt dort den vollständigen Datensatz bis Mitte 2015 abzubilden. Bei den Residuen in Diagramm „D“ fehlt also ein ganzes Jahr, obwohl die entsprechenden Daten für den Zeitraum von Mitte 2014 bis Mitte 2015 ja bereits in Diagramm „B“ abgebildet worden sind. Dieser Umstand wurde dadurch ausgeglichen, dass die Zeitachse in Diagramm „D“ auf die Zeitachse von Diagramm „B“ gestreckt und der Zeitsprung zwischen beiden Diagrammen von etwa einem Jahr durch schwarze Pfeile gekennzeichnet wurde.

Das fehlende Jahr zwischen den beiden Zeitskalen „B“ und „D“ wird in der zugehörigen Bildunterschrift übrigens nicht einmal erwähnt. Und der in Diagramm „B“  als „The Pause“ bezeichnete Teil wird in der besagten Veröffentlichung in Abbildung 1 dann nochmals im Detail als Diagramm „E“ herausgehoben (Abbildung unten). Allerdings werden dort die Daten in einer etwa 2-fachen Überhöhung gegenüber Diagramm „B“ dargestellt. Rein optisch reduziert sich „The Pause“ dadurch auf den Zeitraum 2013/2014 analog zur Zeitskala von Diagramm „D“, und für den weiteren Verlauf der Datenpunkte nach 2014 drängt sich ein paralleler Versatz zu dem extrapolierten Trend (rot gestrichelt) auf. Der Autor verkneift sich hier jegliche Mutmaßung über die zugrunde liegende Motivation für diese Auffälligkeiten und erweitert seinen graphischen Giftschrank um zwei weitere „geistige Zahlschranken“.

Abbildung: Diagramm E aus Fig. 1 von Bevis et al. (2019). (Quelle wie oben bereits angegeben)

 

Schlussendlich ist in Diagramm „B“ jedenfalls ganz deutlich zu erkennen, dass die Residuen von Mitte 2013 bis Mitte 2015 sukzessive immer weiter hinter die MTM-Trendlinie zurückfallen; man ist für diese Aussage also gar nicht auf ein vollständiges Diagramm „D“ angewiesen. Ergebnis: Aus den Diagrammen A bis D von Bevis et al. (2019) lässt sich ableiten, dass sich der Masseverlust des Grönlandeises entgegen dem vorausberechneten Trend seit 2013 erheblich vermindert hat.

Auch wenn der Autor gestehen muss, dass er sich nach dem Reizwort „tipping points“ die weiteren Ausführungen und Erklärungen in der Originalveröffentlichung von Bevis et al. (2019) erspart hatte hält er sich zugute, die dort als „The Pause“ bezeichnete Steilvorlage standhaft ignoriert zu haben. Es stellt sich umgekehrt allerdings auch die Frage, wie tief ein interessierter Betrachter wohl üblicherweise in die Abbildungen einer wissenschaftlichen Veröffentlichung eindringen mag, wenn er dem im Text vorgegebenen Argumentationsverlauf folgt. Jedenfalls ist es offenbar irgendwo auf dem Wege von den Originaldaten zu der oben zitierten Tertiärveröffentlichung zu der Befürchtung gekommen, das Schmelzen der grönländischen Eisbedeckung könne „bereits unumkehrbar“ sein, obwohl dort eindeutig eine Pause dokumentiert ist. Der Autor hingegen würde seine hier vorgetragenen Erkenntnisse eher unter der Überschrift „Entwarnung, die Eisschmelze auf Grönland hat sich seit 2013 deutlich verlangsamt“ zusammenfassen…