Es gibt Bräuche, die werden seit langer Zeit gepflegt. Oft ist damit ein zünftiges Essen und gesellschaftliches Beisammensein verbunden. Dazu gehört auch die Bremer Eiswette. Wikipedia schreibt dazu:
Die Eiswette (Plattdeutsch Ieswett) ist ein in Bremen jährlich am 6. Januar, dem Dreikönigstag, Schlag 12 Uhr am Punkendeich (Osterdeich in der Nähe vom Sielwall) stattfindender Brauch, der auf das Jahr 1829 zurückgeht. Es geht um die Wette, of de Werser geiht or steiht (Plattdeutsch für ‚ob die Weser geht oder steht‘). Diese öffentliche Eiswettprobe sowie ein internes Eiswettfest, das jeweils am dritten Samstag im Januar stattfindet, werden vom (nicht eingetragenen) Verein Eiswette von 1829 veranstaltet.
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Über die Statistik des Ausgangs der Wette findet man dort jedoch leider nichts. In welchen Jahren war die Weser zugefroren, in welchen war sie offen? Wäre dies nicht eine schöne historische Klimareihe? Auch dieses Jahr wird der „Schneider“ die Fluss-Passage wohl nicht zu Fuß auf dem Eis antreten können. Eine Folge des Klimawandels? Dazu muss man zunächst bedenken, dass die Eiswette 1829 während der Kleinen Eiszeit ins Leben gerufen wurde, der kältesten Phase der gesamten letzten 10.000 Jahre. Da war zunächst für Abwechslung gesorgt, denn in vielen kalten Wintern fror die Weser zu. Im Zuge der Wiedererwärmung nach Ende der Kleinen Eiszeit hat sich das natürlich grundlegend geändert und das Wesereis ist eher eine Seltenheit geworden.
Als Bischofsstadt und Kaufmannssiedlung reicht Bremens Geschichte bis ins 8. Jahrhundert zurück. Eigentlich schade, dass die Bremer Eiswette nicht schon damals existierte, denn zur Zeit der Mittelalterlichen Wärmephase war das Wesereis sich genauso selten wie heute. Auch auf der offiziellen Seite der Eiswette gibt es offenbar keine Statistik zum Ausgang der Wette. Das verwundert etwas. Der Weser Kurier weist auf eine frühe Weserbegradigung hin, die jetzt das Zufrieren erschwert:
Aus heutiger Sicht ist die Frage kein geeigneter Gegenstand für eine Wette. Denn wie sollte das schnelle, teilweise salzhaltige Wasser zufrieren? Schon die vom Bremer Oberbaudirektor Ludwig Franzius (1832 bis 1903) eingeleitete Weserkorrektion, also die Begradigung, hatte ab Ende der 1880er-Jahre das Zufrieren erschwert. Die große Bedeutung, die die Weser als Transportweg gehabt hat, schwingt in der Wette jedoch mit. Ein zeitweise zugefrorener Schifffahrts- und Handelsweg war eine existenzielle Bedrohung für Bremer Kaufleute. Nahezu sämtliche Güter wurden über die Weser in Richtung Meer oder von dort über Bremen ins Binnenland transportiert und dann verteilt. Die Landwege spielten noch eine untergeordnete Rolle.
Eine Eis-Statistik für die Zeit 1843-1904 zeigt Arndt Frommann in seinem Internetbuch „Die Geschichte der Bremer Eiswette“ (Bild 10 hier). Die Jahre mit zugefrorener Weser waren: 1845, 1847-1850, 1854, 1856, 1858-1861, 1863-1865, 1871, 1873, 1875, 1880, 1889, 1891, 1893-1894, 1900-1901, 1903. Insgesamt war die Weser während dieser Zeit 25 Mal zugefroren, während sie 37 Mal offen war. Anders ausgedrückt: In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist die Eiswette in 40% aller Fälle geglückt und die vereiste Weser konnte zu Fuß überquert werden. Frommanns spannende historische Übersicht können Sie hier kostenlos lesen (bitte Geduld beim Laden mitbringen, eventuell sogar 1x Reload, danach funktioniert alles einwandfrei).
Aber was ist mit den anderen Jahren? Vielleicht gibt es unter den Bloglesern jemanden, der eine vollständige Quelle zur Eiswetten-Statistik kennt? Für Hinweise wären wir dankbar. Obwohl die offizielle Statistik fehlt, kann man aus Barfuß et al. 2008* etwas zur Eislage Mitte des 20. Jahrhunderts erfahren. Ein zweimaliges Zufrieren ereignete sich im Januar 1946, als Eisgang die im Bau befindlichen Behelfsbrücken bedrohte und vor allem im Winter 1946/1947 als die Weser Ende Januar 1947 21 Tage lang zugefroren war (längster Eisstand bis heute seit 130 Jahren). Das am 8. März einsetzende Tauwetter führte zur größten Eiskatastrophe in der Bremer Geschichte. Die Flutwelle der aufgetauten Weser, die am 15. März innerhalb von 30 Minuten um zwei Meter gestiegen war, trieb die Eisschollen durch die Stadt und vernichtete alle (!) Brückenverbindungen zur Neustadt, wie auch sämtliche Gas-, Wasser- Strom- und Telefonleitungen.
*Karl Marten Barfuß, Hartmut Müller, Daniel Tilgner (Hg.), Die Geschichte der Freien Hansestadt Bremen von 1945 bis 2005. Band 1: von 1945 bis 1969. Edition Temmen. Bremen 2008, S.287.