Nachdem sich die Temperatur seit 14 Jahren nicht mehr an die IPCC-Vorgaben hält, haben sich die Anhänger der Klimakatastrophe ein neues Betätigungsfeld gesucht, nämlich das Extremwetter. Dieser Bereich hat einige Vorteile. Seit jeher wird die Erde regelmäßig von Gewittern, Überschwemmungen, Dürren und Waldbränden heimgesucht. Jedes Jahr gibt es auf der ganzen Welt zahlreiche dieser Ereignisse, so dass es stets einen guten Aufhänger für das Schüren der Extremwetterangst gibt. Das Thema ist zudem ausreichend gruselig, so dass die Medien gerne darüber berichten. Und wer könnte an diesem Wetterchaos wohl Schuld haben? Natürlich, es muss ja wohl der alles kontrollierende Mensch sein, wer denn sonst. Beim nächsten Gewitter sollten wir uns daher ernsthaft Gedanken darüber machen, wie wir unser Benehmen auf dieser Erde verbessern könnten, damit wir in Zukunft von derlei atmosphärischen Strafen verschont bleiben. So oder so ähnlich wird es uns jedenfalls immer erzählt.
Am 25. Juli 2012 lief auf 3SAT die Wiederholung einer Klimatalkshow der anderen Art aus dem Genre des „Extremwetterhorror“. Der Film „Terra X: Wilder Planet – Mit Feuer und Flut“ stammt ursprünglich aus dem Jahr 2009 und ist in der Online-Mediathek des ZDF aufrufbar. Schon die Ankündigung lässt einen kalten Schauer über den Rücken laufen:
„Das Wetter wird immer extremer – mit Schuld daran ist der Klimawandel. Auch in Europa können sich in Zukunft extreme Unwetterszenarien abspielen: Hagelstürme, Trockenperioden, harte Winter. Naturgewalten sind unberechenbar. Sobald die Naturgewalt Wetter ihre gewohnten Bahnen verlässt, ist sie imstande regelrechte Katastrophen auszulösen – auch Europa blieb von solchen Schicksalsschlägen in der jüngsten Vergangenheit nicht verschont. Orkane, Starkniederschläge, extreme Hitze- und Kälteperioden, all das hat es auch in Europa gegeben. Wissenschaftler mahnen: Unwetter können sich in Zukunft häufen.“
Genüsslich werden im Film die Highlights der Extremwetterszene aus dem letzten Jahrzehnt präsentiert:
- 2002: Jahrhundertflut in Deutschland und Osteuropa
- 2003: Extremsommer mit Dürre in Südeuropa, starkes Gletscherschmelzen in den Alpen
- 2005: Extremwinter in Europa, Alpenhochwasser
- 2006: Sturm Kyrill
- 2006: Überflutungen nach extremem Schneefall und anschließender Schmelze,
- 2007: extreme Dürre südlich der Alpen
Zur Umrahmung der Handlung hat das ZDF eine Talk-Runde in einem Schuppen des Kieler Geomar Instituts inszeniert. Mit dabei ist der unvermeidliche Lokalmatador Mojib Latif, der Alpenexperte Albert Sudy von der Österreichischen Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik sowie der Katastrophenmanager Wolf Dombrowsky. Der ganze Auftritt wirkt jedoch so steif und wenig spontan, dass die scripted reality schnell auffliegt. Etwas unbeholfen geben sich die Forscher gegenseitig Stichworte, was etwas komisch wirkt.
Die Wissenschaftler diskutieren drei Extremwetter-Szenarien die es in der Vergangenheit immer gegeben hat: (1) Ungewöhnlich kalte Winter mit starken Orkanen, (2) Hitzesommer mit Dürren und Waldbränden sowie (3) Dauer-Starkregen mit Überflutungen. Damit das Ganze auch etwas hermacht, steigern sie die Intensität der Ereignisse auf ein nie gekanntes Niveau und erlauben sich dann den Grusel-Spass, alle drei Extremwetterlagen dicht aufeinander folgen zu lassen. Grundlage hierfür ist die Vermutung der drei Talk-Teilnehmer, dass die Klimaerwärmung in den kommenden Jahren zu einer signifikanten Steigerung der Extremwettergefahr führen wird. Latif erläutert es dem Zuseher ganz genau:
„Wenn das Wettersystem die Norm verlässt, wenn das System kippt, dann sind wir diesen enormen Kräften wirklich ausgesetzt.“
Da hat Latif ganz genau recht: WENN das Wetter die Norm verlässt. Wenn das Wörtchen wenn nicht wäre, wär ich Millionär. Die hier zu klärende Frage ist also, OB das Extremwettergeschehen denn überhaupt schon diesen Normbereich verlassen hat. Da die globale Temperatur in den letzten 150 Jahren um knapp ein Grad angestiegen ist, bietet sich diese Zeitspanne als geeignetes Testintervall an. Wie haben sich Flutkatastrophen, Stürme, Dürren und Waldbrände seit 1850 entwickelt? Falls die Klimawandel-Extremwetter-These stimmt, dann müsste in den letzten Jahrzehnten doch eine ungewöhnliche Häufung dieser Ereignisse stattgefunden haben. Leider versäumt es der Film, diese wichtige Frage zu klären. Aber keine Sorge: Das Kalte-Sonne-Team hilft gerne aus.
Zunächst einmal zu den kalten Wintern. In der Tat hat es da in den vergangenen Jahren eine Häufung gegeben. Riesige Schneemengen sind in Deutschland niedergegangen, mit denen die Klimaexperten vor etlichen Jahren noch nicht gerechnet hätten. Der Spiegel berichtete im Jahr 2000:
„In Deutschland gehören klirrend kalte Winter der Vergangenheit an: „Winter mit starkem Frost und viel Schnee wie noch vor zwanzig Jahren wird es in unseren Breiten nicht mehr geben“, sagt der Wissenschaftler Mojib Latif vom Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie.“
Ups, das ist ja der gleiche Mojib Latif, der jetzt in der ZDF-Sendung als Extremwetter-Warner tätig ist. Hat er mittlerweile seinen Irrtum eingesehen? Wie passen die kalten Winter zur Klimaerwärmung? Glücklicherweise entwickelten Potsdamer Forscher kürzlich einen Bug-Fix. Anhand von Modellierungen kann man jetzt schön zeigen, dass die kalten Winter in Europa durch die Klimaerwärmung verursacht werden. Kleines Gedankenspiel: Was würde wohl passieren, wenn die Winter jetzt wieder wärmer werden würden? Dies wäre dann natürlich ebenfalls eine Folge der Klimaerwärmung, ist doch klar. Man kann es drehen und wenden wie man will, an der Klimaerwärmung kommt man eben nicht vorbei, auch wenn sich seit nunmehr 14 Jahren gar nichts mehr erwärmt hat.
Wie sieht es dann mit den genannten Stürmen aus? Werden die noch stärker und häufiger? Auch danach sieht es nicht aus. Untersuchungen haben gezeigt, dass die stärksten Stürme während der Kleinen Eiszeit vor ein paar hundert Jahren wüteten. Je kälter die Temperaturen, desto stürmischer war es. Die Klimaerwärmung würde daher wohl eher ein weiteres Abflauen der Stürme in Mitteleuropa hervorrufen (siehe unser Blogartikel „Eine unbequeme Wahrheit: Während der Kleinen Eiszeit waren die Stürme in Europa stärker als heute“).
Schauen wir uns jetzt die Hitzewellen an. So richtig lange Zeitreihen haben wir offenbar nicht. Statistiken über 40 Jahre aus Zürich (Abbildung 1 hier) und Charlotte in North Carolina zeigen ein ziemliches Auf- und Ab. Eine kleine Anhäufung in den letzten 10 Jahren könnte man sich einbilden, allerdings sollte man hierzu wirklich längerfristige Zeitreihen betrachten.
Über die Dürre-Entwicklung haben wir bereits im Beitrag „Dürre Beweislage für mehr Dürren“ berichtet. Einen belastbaren Trend zu mehr Dürren gibt es nicht. Das Gleiche gilt für die Überschwemmungen, die wir im Beitrag „Mehr Überschwemmungen? Vermutlich eher nicht“ besprochen haben.
Die im Film erwähnte extreme Alpen-Gletscherschmelze im Sommer 2003 hat es in der Vergangenheit immer wieder gegeben. Hier sei z.B. die Mittelalterliche Wärmeperiode vor 1000 Jahren genannt, als die Alpengletscher ordentlich Federn lassen mussten.
Aber der Film hatte auch einige interessante Passagen. Dazu gehören die Ausflüge zu den verschiedenen Instituten, darunter das Leipziger Institut für Troposphärenforschung, wo 3 mm kleine Wolken erzeugt werden. An der Bundeswehr-Universität München hat man eine Miniatur-Wunderwelt erschaffen und einen mehrkilometrigen Flussabschnitt detailreich im Mini-Maßstab nachgebastelt. Ein weiteres Highlight ist der Bericht über das Impfen von Wolken zwecks Hagelvermeidung zum Schutz der Landwirtschaft. Mutige Hagelflieger versprühen hierzu Silberjodid an der Basis von Wolken, wodurch die Wolke ausregnet noch bevor die Tropfen aufsteigen können und sich Hagelkörner bilden.
Der Film schließt bedenklich. Obwohl es dafür keine empirische, statistische Basis gibt, behauptet Latif erneut, dass sich Klimaextreme in Folge der Klimaerwärmung häufen werden. Auch mit der Schuldfrage hält er sich nicht lange auf:
„Eines wissen wir aber sicher: Unsere Art zu leben wird das Risiko erhöhen“.
Also doch Strafe des Himmels für unser sündiges Verhalten. Aber das hatten wir ja auch schon vor dem Film vermutet.
Siehe auch unser Blogartikel: „Ist das noch normal? Die extrem schwierige Analyse von Extremwetter“