Nachträgliche Korrekturen der Satelliten-Meeresspiegeldaten: Was nicht passt wird passend gemacht?

Der Meeresspiegel steigt, das steht fest. Um den Anstieg genau zu verfolgen, wurden an den Küsten der Erde Messlatten eingerammt, die seit vielen Jahrzehnten regelmäßig abgelesen werden. Die Daten sprechen eine klare Sprache. Seit mehr als 50 Jahren steigt der Meeresspiegel im globalen Durchschnitt um knapp 2 mm pro Jahr an. Eine Beschleunigung dieses Anstiegs ist jedoch nicht verzeichnet worden, trotz der jetzt um einige Zehntelgrade höheren Temperaturen.

Nun sind die Pegel leider nicht gleichmäßig über den Globus verteilt, so dass an einigen Orten Datenlücken klaffen. Außerdem heben sich einige Küsten, während andere absinken. Beides verfälscht die Meeresspiegelmessungen. Daher gibt es immer wieder kontroverse Diskussionen, ob die Messreihe eines bestimmten Meeresspiegelpegels für den Rest des Globus wohl repräsentativ wäre oder nicht.

Zum Glück gibt es seit 1993 Satelliten die über unseren Köpfen kreisen und einen globalen Blick über das Meeresspiegelgeschehen erlauben. Damit ist nun endlich eine hochpräzise und flächendeckende Vermessung des Meeresspiegelanstiegs möglich. Digitale Raumfahrttechnik des 21. Jahrhunderts mit wohlklingenden Namen wie Jason, Topex und Envisat gegen dahinmodernde und mit Miesmuscheln verkrustete Messstäbe im Küstenschlamm: Man könnte meinen, dass eigentlich klar sein sollte, welche Methode hier auf der Pole Position steht.

Aber leider ist es nicht ganz so einfach wie es scheint. Es fängt bereits damit an, dass die Satelliten einen Meeresspiegelanstiegswert anzeigen, der mehr als einen Millimeter pro Jahr höher liegt als der real an den Küsten gemessene. Wie kann dies eigentlich sein? Wem soll man nun wirklich glauben? Dem Satelliten, der aus 1300 km Höhe den Meeresspiegel auf einen Millimeter genau zu bestimmen versucht, oder der Pegel-Messlatte, die im direkten Kontakt mit dem Wasser steht? Gibt es möglicherweise Fehlermöglichkeiten oder Interpretationsspielräume bei den Satellitendaten, von denen wir in unseren Tageszeitungen in der Regel nichts lesen? Ja, es gibt sie leider. Wenn man das erste Mal davon hört, reibt man sich verwundert die Augen. Rudolf Kipp erzählte im April 2012 im Science Skeptical Blog die faszinierende Geschichte einer Datenkorrektur, die ein ungutes Gefühl in der Magengegend hinterlässt:

Der “Environmental Satellite” (Envisat) ist so etwas wie das Prunkstück der European Space Agency (ESA). Der 8 Tonnen schwere Umweltsatellit stellte die größte Nutzlast dar, die jemals mit einer Ariane Rakete ins All befördert wurde und ist mit 2,3 Milliarden Euro auch der bislang teuerste Satellit der ESA. Zu den Aufgaben dieses Satelliten gehört unter anderem die Vermessung der Ozonschicht, der Eisbedeckung, die Dokumentation von Vulkanausbrüchen und die Vermessung des Meeresspiegels. Allerdings hat die Auswertung letzterer Daten bislang zu Ergebnissen geführt, die weder mit den Aussagen eines beschleunigten Meeresspiegelanstiegs, noch mit den Messungen der amerikanischen Jason Satelliten in Einklang standen. 

Der von Envisat gemessene Anstieg des Meeresspiegels betrug im Zeitraum von Ende 2003 bis Ende 2011 lediglich 0,48 mm/Jahr, was 4,8 cm in 100 Jahren entsprechen würde [Abbildung 1]. Die Messungen des Jason-1 Satelliten haben für den gleichen Zeitraum einen Anstieg von 2,05 mm pro Jahr gefunden. Um diesem Umstand zu begegnen wurden bei der ESA bereits im letzten Jahr Methoden diskutiert, wie man die Envisat Daten rechnerisch an die Ergebnisse der Messungen der Jason Satelliten angleichen kann. Diese Anpassung wurde jetzt beim Umstellen auf die neueste Version der Envisat Daten (Version 2.1) offensichtlich vorgenommen. Aus dem bisherigen minimalen Anstieg von 0,48 mm/Jahr wurde dadurch quasi über Nacht ein Anstieg von 2,32 mm/Jahr [Abbildung 2]. 

Anpassungen dieser Art sind in der noch jungen Geschichte der Satelliten-Altimetrie nichts Ungewöhnliches. Wobei man sich im jeweiligen Fall durchaus die Frage stellen muss, ob die vorgenommenen Korrekturen nun die Wirklichkeit besser widerspiegeln, oder ob sie vorgenommen werden, damit die Ergebnisse besser zu einer vorgefertigten Meinung passen.  

Abbildung 1: Unkorrigierte Originaldaten der Envisat und Jason-Satelliten. Envisat zeigt einen minimalen Anstieg, während Jason-1 die an den Küstenpegeln gemessene Anstiegsrate reproduziert. Abbildungsquelle: Rudolf Kipp (Science Skeptical Blog).

 

Abbildung 2: Meeresspiegeldaten nach der „Korrektur“. Die Anstiegsrate von Envisat hat sich gegenüber den Originaldaten mehr als vervierfacht und auch Jason-1 hat noch etwas zugelegt. Rudolf Kipp (Science Skeptical Blog).

 

Zusammenfassend kann man wohl sagen, dass die Ermittlung des exakten Wertes der Veränderung des Meeresspiegels eine hochkomplexe Aufgabe darstellt, bei der man abhängig von den gewählten Daten und der verwendeten mathematischen Korrekturen und Modelle zu gänzlich unterschiedlichen Schlüssen kommen kann. Eine gute Beschreibung der Situation findet sich in dem äußerst lesenswerten Essay des 2004 verstorbenen Skeptikers John Daly (dessen Tod, wie manche sich vielleicht erinnern, vom damaligen CRU Chef Phil Jones als „aufheiternde Neuigkeiten” (“cheering news”) bezeichnet wurde): 

“Es wurde der Weltöffentlichkeit, den Medien und den politischen Entscheidern immer der Eindruck vermittelt, dass der Anstieg der Meeresspiegel von 18 cm im vergangenen Jahrhundert eine gemessene Größe wäre, die nicht zur Diskussion stünde. Was größtenteils nicht bekannt ist, ist der Umstand, dass diese Größe in weiten Teilen das Produkt von Modellen, und nicht von Messungen ist, und daher sehr wohl diskussionswürdig, ganz besonders da die Meeresspiegeldaten in vielen Teilen der Welt nicht den IPCC Annahmen entsprechen.” 

Wenn man die Entwicklung der Trends bei den Satellitendaten in den letzten 10 Jahren betrachtet, dann drängt sich einem der Eindruck auf, es soll nach Kräften verhindert werden, dass die publizierten Daten unter einen Wert fallen, der dann nicht mehr als besorgniserregend wahrgenommen würde. Kaum anders ist es zu erklären, dass die Satellitenmessungen der University of Colorado trotz des seit mittlerweile fast 7 Jahre andauernden Rückgangs des Anstiegs unvermindert hohe Werte von über 3 mm Anstieg pro Jahr angeben. Und auch die aktuell bei den Daten des europäischen Envisat Projektes vorgenommenen Korrekturen folgen nicht nur dem altbekannten Schema, dass diese Maßnahmen ausnahmslos in eine Richtung weisen, und zwar zu höheren Werten. Auch die Begründung, welche die Wissenschaftler anbieten trägt mehr zur Verschleierung bei, als dazu aufzuklären, warum ein so fundamentaler Eingriff in die Daten vorgenommen werden musste. 

Was bleibt ist der Eindruck, dass hier Daten systematisch “schöngerechnet” werden. Schließlich steht der nächste Zustandsbericht des Weltklimarates (IPCC) für das Jahr 2014 an. Und dieser kann seine volle Wirkung nur entfalten, wenn alles sich noch viel schlimmer darstellt, als man im letzten Report 2007 bereits gesichert wusste. Ein seit Jahren langsamer werdender Anstieg des Meeresspiegels wäre hierzu ganz sicher nicht hilfreich.

Mittlerweile ist Envisat in Rente gegangen und sendet keine Daten mehr auf die Erde. Hier muss jetzt nichts mehr korrigiert werden. Ein animiertes Vorher-Nachher-Vergleichsbild der Envisat-Daten hat Steven Goddard auf Real Science gebastelt:

Abbildung 3: Vergleich der Envisat-Meeresspiegeldaten vor und nach der Korrektur (Achtung: die beiden Bilder liegen nicht exakt maßstäblich übereinander). Abbildungsquelle: Real Science.

 

Die Vermessung des Meeresspiegels per Satelliten begann im Jahr 1992. Damals hievte die NASA den TOPEX-Satelliten in den Orbit. Seine Nachfolger sind Jason-1 und Jason-2. Langjährige Küstenpegelmessungen hatten für die Vor-Satellitenzeit 1950-1991 einen Meeresspiegelanstieg von durchschnittlich 1,6 mm pro Jahr ergeben (Abbildung 4). Ab 1992 trudelten nun die neuen Satellitendaten ein. Aber irgendetwas stimmte nicht, der Anschluss an die bisherige Datenreihe wollte nicht so recht gelingen. Würde man den Satellitendaten Glauben schenken, hätte sich die Meeresspiegelanstiegsrate quasi über Nacht auf mysteriöse Weise verdoppelt. Die amerikanischen Satellitenmessungen suggerierten nun plötzlich einen Anstieg von satten 3,3 mm pro Jahr (Abbildung 4). Wie konnte dies sein? Das wäre schon ein toller Zufall, wenn die Beschleunigung des Meeresspiegelanstiegs just in dem Moment eingesetzt hätte, als das Messverfahren verändert wurde. Spiegel Online ließ im August 2011 zwei Meeresspiegelexperten dazu Stellung nehmen:

„Ob wir seit 1993 eine Beschleunigung haben, ist nicht klar“, sagt John Church vom australischen Klimaforschungsinstitut CSIRO. „Ich halte es für unwahrscheinlich, dass sich der Meeresspiegel-Anstieg ausgerechnet in dem Jahr beschleunigt haben sollte, als Satelliten in Dienst gestellt wurden“, ergänzt Simon Holgate, Meeresspiegel-Forscher am National Oceanography Centre in Liverpool.

Trotz der neuen Satellitenmessungen wurden die Pegelmessungen natürlich weitergeführt. Und die ließen sich nicht beirren und blieben stur bei ihrem alten Kurs von deutlich unter 2 mm/Jahr. Anstatt die Satellitendaten nun an die real am Boden gemessenen Daten anzupassen und nach unten zu korrigieren, besteht die Diskrepanz zwischen Pegel- und Satellitenmessungen aber leider bis heute weiter. Und es scheint irgendwie auch niemanden zu stören. Ein mysteriöser Fall.

Abbildung 4: Langjährige Pegelmessungen ergaben für 1950-1991 einen Meeresspiegelanstieg von durchschnittlich 1,6 mm pro Jahr. Die amerikanischen Satellitenmessungen begannen 1992 und suggerieren einen Anstieg von 3,3 mm pro Jahr. Abbildungsquelle: ClimateSanity.

 

Siehe auch Beiträge zur Envisat-Korrektur auf The Hockey Schtick, WUWT, JoNova und EIKE.
Mit Dank an Rudolf Kipp und Klaus-Eckart Puls.