Spiel mit der Sonne

Am 3. Juli 2017 gab das Kieler Geomar bekannt, dass es nun eine neue solare Aktivitätskurve gäbe, die in den Klimamodellen als Referenz verwendet werden wird:

Sonnenschwankungen in Klimamodellen besser berücksichtigt

Neuer Referenzdatensatz für Vergleichsstudien veröffentlicht

Bei zukünftigen Vergleichsstudien zur Klimaentwicklung können Forscher nun auf einen neuen, deutlich verbesserten Datensatz der solaren Einstrahlung zurückgreifen. Ein internationales Forscherteam unter Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und des Instituto de Astrofísica de Andalucía (CSIC) in Granada (Spanien) publizierte jetzt in der Fachzeitschrift Geoscientific Model Development die Details der neuen Rekonstruktion des Referenzdatensatzes. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erwarten dadurch insbesondere in der Stratosphäre einen deutlich stärkeren Einfluss der solaren Strahlung.

Wieviel Einfluss haben die Schwankungen der solaren Einstrahlung auf unser Klimasystem? Könnten zukünftig die steigenden Erdtemperaturen durch eine abnehmende Sonnenaktivität abgeschwächt werden? Mit solchen Fragen befasst sich die Klimaforschung schon seit längerem. Um unter anderem diese Fragen möglichst genau beantworten zu können, ist es wichtig, die Schwankungen der solaren Einstrahlung mit dem 11-jährigen Sonnenfleckenzyklus möglichst gut zu kennen und diese als Eingangsparameter in Klimamodellsimulationen zu nutzen. Ein internationales Forscherteam unter Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und des Instituto de Astrofísica de Andalucía (CSIC) in Granada (Spanien)  hat nun einen neuen Datensatz veröffentlicht, der als Basis für zukünftige Modellvergleiche genutzt und in den nächsten Klimazustandsbericht des Weltklimarates (IPCC) einfließen wird.

„Für die solare Einstrahlung haben wir im wesentlichen zwei Datensätzen, einen von unseren amerikanischen Kolleginnen und einen vom Max-Planck Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen kombiniert“, erläutert die Erstautorin Prof. Dr. Katja Matthes vom GEOMAR. „In diesem neuen Datensatz ist die Variabilität im kurzwelligen Teil des Sonnenspektrums, dem sogenannten UV-Bereich stärker als bisher. Das führt im Maximum der Sonnenaktivität zu einer Erwärmung der Stratosphäre und erhöhter Ozonproduktion“, so Matthes weiter. Davon versprechen sich die Forscher insbesondere im Bereich der Stratosphäre zwischen 15 und 50 Kilometern Höhe, deutlichere Signale, die über komplizierte Wechselwirkungsmechanismen auch das Klima am Erdboden beeinflussen. Weitere Neuerungen sind ein neuer Referenzwert für die sogenannte „Solarkonstante“, die mittlere Einstrahlung am Außenrand der Atmosphäre, die mit 1361 Watt pro Quadratmeter etwas niedriger ausfällt, sowie die Berücksichtigung von Teilchenstrahlung.

Der neue Datensatz wird in den kommenden Jahren als Referenz für den sechsten Zyklus von international koordinierten Vergleichsrechnungen mit gekoppelten Ozean-Atmosphäre Modellen verwendet. Die sogenannten CMIP (Coupled Model Intercomparison Project)-Experimente gibt es schon seit Jahrzehnten. Sie stellen einen wichtigen Qualitätscheck für Klimamodelle dar und  sind die Grundlage für den Klimazustandsbericht des IPCC.

Was erwarten die Wissenschaftler von dem neuen Datensatz? „In unserem Zukunftsszenario für CMIP6 haben wir eine bessere Abschätzung der zukünftigen Entwicklung der solaren Aktivität nach 2015 gemacht“, erläutert Dr. Bernd Funke, Co-Autor vom CSIC. „Bis 2070 ist demnach eine Abnahme der mittleren Sonnenaktivität zu einem kleineren solaren Minimum zu erwarten. Dies wirkt dem anthropogenen Klimawandel entgegen, wird aber auf die Entwicklung der globalen Temperatur keinen spürbaren Einfluss haben“, erwartet Dr. Funke.  Nicht zu unterschätzen seien allerdings die regionalen Auswirkungen. Außerdem wird es erstmals möglich sein, die solaren Strahlungseffekte und die Effekte von energetischen Teilchen zu quantifizieren.

An der Erstellung des neuen Datensatzes hat ein großes, interdisziplinäres Team von Sonnenphysikern über Teilchenexperten bis hin zu Klimamodellierern mitgearbeitet. Diese Arbeit wurde im Rahmen eines internationalen Modellvergleichsprojektes (http://solarisheppa.geomar.de/) des Weltklimaforschungsprogrammes durchgeführt. Unter der Leitung von Katja Matthes und Bernd Funke konnte so die weltweit vorhandene Expertise zu diesem Thema gebündelt werden, um die bestmögliche Abschätzung der solaren Variabilität der Vergangenheit und Zukunft zu erstellen.

„Der neue Datensatz wird dazu beitragen, unser Verständnis der natürlichen dekadischen Klimavariabilität weiter zu verbessern und von anthropogenen Prozessen klarer abzugrenzen“, so Prof. Matthes abschließend.

Originalarbeit:

Matthes, K, B. Funke, M. E. Andersson, L. Barnard, J. Beer, P. Charbonneau, M. A. Clilverd, T. Dudok de Wit, M. Haberreiter, A. Hendry, C. H. Jackman, M. Kretzschmar, T. Kruschke, M. Kunze, U. Langematz, D. R. Marsh, A. C. Maycock, S. Misios, C. J. Rodger, A. A. Scaife, A. Seppälä, M. Shangguan, M. Sinnhuber, K. Tourpali, I. Usoskin, M. van de Kamp, P. T. Verronen, and S. Versick, 2017: Solar forcing for CMIP6 (v3.2). Geosci. Model Dev., 10, 2247–2302, https://doi.org/10.5194/gmd-10-2247-2017 

Der UV-Ansatz ist gut, die Erwartung regionaler Klimaeffekte durch solare Aktivitätsschwankungen ebenfalls. Aber ist die neue Kurve wirklich realistischer geworden?Das Geomar hat die Kurve als Graphik beigefügt (Abb. 1). Im Gegensatz zur Vorgängerkurve hat man seltsamerweise die Sonnenaktivität in den 1960er Jahren deutlich nach oben gesetzt. Das ist seltsam, denn Rekonstruktionen über die kosmische Strahlung geben dies nicht her. Offenbar wurden hier die Sonnenflecken stärker in den Fokus gerückt, was fragwürdig ist. In der früheren Version erreichte die Sonnenaktivität gegen Ende des 20. Jahrhunderts ein Maximum, was politisch vermutlich schlecht vermittelbar war, da ja auch die globale Erwärmung zeitgleich kulminierte. Ein Schelm, der hier einen Zusammenhang ahnt.

 

Abbildung 1: Rekonstruktionen der solaren Einstrahlung. Bisherige Rekonstruktion: gelb, neue Rekonstruktion: schwarz, Beobachtungen: grau schattiert. Quelle: GEOMAR. 

 

In einer neuen Arbeit von Egeland et al. 2016  ist das Verhältnis genau andersherum:

Abb. 2: Entwicklung der solaren Aktivität während der letzten 100 Jahre. Graphik: Egeland et al. 2016.

 

Bedauernswerterweise beginnt die neue solare Kurve erst bei 1850, also gegen Ende der Kleinen Eiszeit. Wichtig wäre jedoch eine Forschreibung in die Vergangenheit gewesen, so dass auch frühere Wärmephasen wie die Mittelalterliche Wärmeperiode mit der Sonnenkurve verglichen werden können. Im Rahmen des offiziellen Begutachtungsverfahrens zum Papers hat Sebastian Lüning diese Kritik angebracht (siehe hier). Die Leitautorin des Papers antwortete, dass ja auch die Klimamodelle erst um 1850 anfangen. Dies scheint das Hauptproblem zu sein, dass sich die Modellierer bewusst nicht an die Zeit vor der Kleinen Eiszeit heranwagen. Dort würde schnell klar werden, welchen geringen Wert die Modelle haben. Zwar arbeite man auch an längerfristigen solaren Rekonstruktionen, vermeidet hier aber bewusst (!) die Interpretation von Langzeittrends (siehe hier). Weshalb nur?