Gastbeitrag von Ed Caryl
Zuerst erschienen im englischen Original auf notrickszone.com, hier im Kalte-Sonne-Blog in leicht bearbeiteter Version.
Eine der wichtigsten Datenreihen zur globalen Meeresspiegelentwicklung stammt von der University of Colorado und basiert auf Satellitenmessungen (Abbildung 1). In den Jahren 2010/2011 fällt ein markanter Meeresspiegelabfall in der Kurve auf, der laut Webseite der Universität angeblich durch den El Nino im Jahre 2010 verursacht worden wäre. Dies erschien mir jedoch nicht plausibel, da der El Nino aus dem Jahr 1998 noch einen deutlich zu erkennenden Anstieg des Meeresspiegels verursacht hatte, und keineswegs einen Meeresspiegelabfall (Abbildung 1).
Abbildung 1: Meeresspiegelentwicklung der letzten 20 Jahre. Es fällt ein Meeresspiegelabfall 2010/2011 ins Auge. Quelle: University of Colorado.
Zur Überprüfung dieses Paradoxons habe ich daher einmal den monatlichen Niño 3.4-Index gegen den trendbereinigten Meeresspiegel aufgetragen (Abbildung 2).
Abbildung 2: Vergleich des El Nino-Index (blau) mit dem trendbereinigten Meeresspiegel (schwarz).
Die Abbildung zeigt, dass der El Nino-Index weitgehend parallel zur trendbereinigten Meeresspiegelkurve verläuft. Weiterhin wird deutlich, dass der Meeresspiegel bereits schon früher abgesackt wäre, wenn nicht der El Nino Anfang 2010 den Meeresspiegel hochgezogen hätte. Der El Nino verschleiert hierbei, dass sich der Meeresspiegelanstieg seit ca. 2005 verlangsamt hat. Es ist klar, dass der Meeresspiegelabfall 2010/2011 nicht auf den El Nino zurückgeführt werden kann. Aufgrund der hohen Synchronität zwischen El Nino und der Meeresspiegelentwicklung, können wir den El Nino-Effekt aus der Meeresspiegelkurve herausrechnen und damit entfernen (Abbildung 3).
Abbildung 3: Meeresspiegelentwicklung aus welcher Schwankungen aufgrund des El Nino-Effektes entfernt wurden.
Durch die Bereinigung des El Nino-Effektes erhalten wir eine sehr viel ruhiger ansteigende Meeresspiegelkurve. Bei der Entwicklung des mehrjährigen Trends ist dabei eine interessante Beobachtung zu machen: Die ersten zwei Jahre (1993-1994) ist der Trend abgeflacht, der Anstieg weniger stark. Zwischen 1995 und 2005 zieht der Trend jedoch kräftig an und der Meeresspiegel steigt schneller. Ab 2006 flacht der Trend dann wieder ab und der Anstieg verlangsamt sich. Die Berechnung der drei verschiedenen Meeresspiegeltrends ergibt folgende Anstiegsraten (Abbildung 4):
- 1993-1994: 0,71 mm/Jahr
- 1995-2005: 3,80 mm/Jahr
- 2006-2012: 2,18 mm/Jahr
Abbildung 4: Der mehrjährige Trend des Meeresspiegelanstiegs änderte sich im Laufe der letzten 20 Jahre, dem Zeitraum für den Satellitendaten vorliegen. In der Zeit von 1995-2005 stieg der Meeresspiegel am schnellsten, hat sich seitdem jedoch wieder verlangsamt.
Der Meeresspiegel folgt in der Regel den globalen Temperaturen, insbesondere wenn man kurze Zeitmaßstäbe von einigen Jahren betrachtet. Der Grund: Wenn sich Meerwasser erwärmt, dehnt es sich aus. Und bei Abkühlung schrumpft das Wasservolumen wieder. Im Jahr 1993 verursachte der große Pinatubo-Ausbruch eine zweijährige, globale Abkühlungsphase, die sich auch durch einen fallenden bzw. stagnierenden Meeresspiegel bemerkbar machte (Abbildung 1). Um 1995 normalisierten sich die Verhältnisse wieder und die bereits beschriebene zehnjährige Phase eines raschen Meeresspiegelanstiegs begann. Den kurzfristig sehr hohen Anstieg des Meeresspiegels um 1998 (Abbildung 1) können wir dem El Nino zuordnen, dessen Beitrag wir jedoch bereits bereinigt haben (Abbildung 4). Um 2000 endete die globale Erwärmung vorläufig, so dass sich mit einiger Verzögerung auch der Meeresspiegeltrend wieder abflachte.
Wenig bekannt ist dabei, dass die University of Colorado in ihren Meeresspiegelkurven einen Anstieg von 0,3 mm/Jahr hinzugefügt hat. Diese Änderung wird “GIA Korrektur” genannt (GIA= glacial isostatic adjustment), und die Maßnahme wird durchaus kontrovers diskutiert. Als Begründung wird angeführt, dass viele Teile der Erde nach Ende der letzten Eiszeit vor 12.000 Jahren noch immer durch das Abschmelzen der Eismassen und Gewichtsentlastung langsam aufsteigen („glaziale isostatische Vertikalbewegung“). Dadurch würden sich die Ozeane relativ vertiefen und das Ozeanfassungsvolumen dadurch zunehmen. Wenn man also heute an der Küste einen Anstieg von 3 mm/Jahr misst, entspricht dieser im Grunde jedoch vielmehr 3,3 mm/Jahr, da 0,3 mm/Jahr durch das sich vergrößernde Ozeanvolumen aufgefangen wird. Durch die Korrektur möchte die University of Colorado die primären, klimabedingten Änderungen des Wasservolumens dokumentieren, um die Ergebnisse mit Klimamodellierungen vergleichbar zu machen (siehe Webseite der University of Colorado). Klimamodelle berücksichtigen keine Veränderung des Ozeanfassungsvolumen.
Hier wollen wir uns jedoch mit dem wahren Meeresspiegel an der Küste beschäftigen, daher ziehen wir die GIA-Korrektur von 0,3 mm/Jahr wieder ab (Abbildung 5).
Abbildung 5: Meeresspiegelentwicklung bei der El Nino-Effekte bereinigt wurden und die isostatische GIA-Korrektur abgezogen wurde.
Das Resultat der El Nino- und GIA-bereinigten Meeresspiegelkurve (Abbildung 5) kommt den historischen Pegelmessungen an der Küste näher als die ursprüngliche Kurve (Abbildung 1). Für den hypothetischen Fall, dass sich der momentane, leicht abgeschwächte Trend bis zum Ende des Jahrhunderts fortsetzen sollte, ergäbe dies einen Anstieg von insgesamt gut 15 cm. Für den Fall, dass sich die stärkere Anstiegsrate von 1995-2005 wieder einstellen sollte, ergäbe dies bis 2100 einen Meeresspiegelanstieg von insgesamt 30 cm. Beide Werte sind durchaus bei Planungen zu berücksichtigen, jedoch Grund für Klimakatastrophenalarm bieten sie nicht. Für den Fall, dass sich die Erde in den kommenden Jahrzehnten aufgrund von schwacher Sonnenaktivität und kalten Ozeanzyklen abkühlen sollte, wäre für diese Zeit sogar mit einer Unterbrechung des Meeresspiegelanstiegs zu rechnen.
Siehe auch Artikel auf Real Science.
In der nächsten Folge unserer Meeresspiegel-Urlaubs-Serie soll es um die Frage gehen, ob sich der Meeresspiegelanstieg in den letzten Jahrzehnten beschleunigt hat.