Stark schwankende Schnee-Entwicklung in der Schweiz offenbar eng an Ozeanzyklen gekoppelt

Wir lieben den Schnee. Wenn die weißen Flocken romantisch durch die Luft wirbeln und die Kinder Schneemänner bauen, fühlen wir uns besonders wohl. Für Skifahrer und Plastiktütenrodler ist es das Highlight des Jahres. Aber am Horizont ziehen dunkle Wolken auf. Der Schnee wird immer weniger. Noch nie hat uns der Schnee in der Vergangenheit im Stich gelassen. Immer war er da, wenn wir ihn brauchten. Der Klimawandel macht ihm aber nun den Gar aus. Eine traurige Geschichte, die wir in den Zeitungen lesen. Schuld daran haben wir natürlich selber.

Es fällt auf, dass die meisten dieser Pressegeschichten relativ faktenarm sind. Wir haben uns bereits mehrfach an dieser Stelle mit harten Fakten zu Wort gemeldet, die oft gar nicht so gut zum Schneealarm passen. Heute wollen wir uns die Schweiz vornehmen. Wie hat sich der kostbare Schnee in dem Alpenland in der Vergangenheit entwickelt? Was können wir daraus für die Zukunft schließen? In WIREs Climate Change gab Martin Beniston 2012 einen Überblick zu den Schneetrends in der Schweiz für die vergangenen 90 Jahre (Abb 1.).  Wenn man sich die Kurven der mittleren Schneehöhe für die 10 Stationen anschaut, wird die starke natürliche Variabilität deutlich. Beniston sieht einen Zusammenhang mit der Nordatlantischen Oszillation (NAO), einem bedeutenden atlantischen Ozeanzyklus.

Abbildung 1: Entwicklung der mittleren Schneehöhe während der Wintermonate für 10 repräsentative Stationen in 500-2700 m Höhe: Zürich, 556 m; St Gallen, 779 m; Chateau d’Oex, 985 m; Engelberg, 1035 m; Scuol, 1298 m; Montana, 1508 m; Davos, 1590 m; Segl-Maria, 1798 m; Arosa, 1840 m; Weissfluhjoch, 2690 m. Laufendes 5-Jahresmittel. Quelle: Beniston 2012.

 

Schauen wir uns nun die Dauer der Schneebedeckung an (Abb. 2). Auch hier wieder eine enorme natürliche Variabilität. Einen Trend zu einer kürzeren Schneesaison kann man erahnen, aber die Kurve zappelt wirklich wild hin und her.

Abb. 2: Dauer der Schneebedeckung (in Tagen) in der Schweiz gemäß Stationsmessdaten. Quelle: Beniston 2012.

 

Das WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung beschreibt die schweizerische Schneeentwicklung auf seiner Webseite wie folgt:

Eine Analyse der langjährigen Schneehöhen zeigt, dass die jährliche Schneedecke sowohl zeitlich (Jahr zu Jahr) wie auch räumlich (Alpensüd-/Alpennordseite, West-/Ostschweiz, Voralpen/Alpen) grossen Schwankungen unterliegt. Diese grossen natürlichen Schwankungen sind ein Hauptmerkmal der winterlichen Schneedecke. Klare Aussagen zu klimabedingten Änderungen von Schneedecke oder Lawinenaktivität sind deshalb schwierig.Die meisten der 1980-er Winter erweisen sich beispielsweise als eher schneereich. Im Gegensatz dazu erreichten viele Messstationen gegen Ende des 20. Jahrhunderts ein Minimum der Schneehöhe. Die Winter im 21. Jahrhundert zeigen bis jetzt eine leichte Erholung, zeichnen sich aber im Allgemeinen immer noch durch eher unterdurchschnittliche Schneehöhen aus. Die beschriebenen Veränderungen werden umso deutlicher, je niedriger eine Station gelegen ist. Die letzten 20 Jahre gelten speziell für das Mittelland als einmalig schneearm seit Beginn der konventionellen Messungen vor ca. 130 Jahren – laut historischen Aufzeichnungen sogar seit mindestens 300 Jahren. Eine genauere Analyse zeigt dann auch, dass der Trend zu schneearmen Wintern an den meisten Stationen unterhalb 1300 m ü. M. statistisch signifikant ist. Für hohe Stationen (über 2000 m ü. M.) gibt es bis heute keine Anzeichen für eine klimabedingte Abnahme der Schneehöhe. Weitere Untersuchungen machen zudem deutlich, dass der beobachtete Rückgang der Schneehöhe hauptsächlich auf eine Zunahme der Wintertemperatur und nicht auf eine Abnahme des Niederschlags zurückzuführen ist. Eine Analyse der saisonalen Unterschiede zeigt einen schwachen Trend zu schneearmen Frühwintern in mittleren Lagen und Anzeichen von verstärkter Schmelze im Frühling in allen Höhenlagen. 

Zu der starken Variabilität passt auch die Entwicklung des Weihnachtsschnees. Balz Rittmeyer und Marc Fehr haben sich die Schneestatistik für die Schweiz etwas genauer angeschaut und sind auf ein erstaunliches Ergebnis gestoßen, das sie im Blog des Tagesanzeiger berichteten:

Das Märli von weissen Weihnachten
Auch dieses Jahr gibt es keine weissen Weihnachten im Flachland. Wer jetzt denkt, früher habe es an den Festtagen öfter Schnee gegeben, sollte sich diese Daten anschauen. Ist der Klimawandel schuld daran, dass es so selten weisse Weihnachten gibt? Nein. Ein Blick in die Statistik zeigt, auch früher lag am 24., 25. oder 26. Dezember nicht öfter Schnee. Über die fast 80-jährige Messreihe ist kein eindeutiger Trend zu erkennen. So gab es die längste Phase von grünen Weihnachten von 1941 bis 1949.

Weiterlesen im Blog des Tagesanzeiger.

Auch der Winter 2016/17 hat die Unberechenbarkeit des schweizer Schnees wieder gezeigt. SRF am 28. April 2017:

Schneerekord St. Gallen: Noch nie so spät soviel Schnee
Am Morgen meldete der Wettermelder aus der Stadt St. Gallen eine Schneehöhe von 26 Zentimeter. Das gab es ab Aprilmitte noch nie. Die Daten reichen dabei bis ins Jahr 1959 zurück. Der bisherige Rekord betrug 25 Zentimeter aus dem Jahre 2001 und datierte auf den 22. April. Nun hat sich der Höchstwert um fast eine Woche nach hinten verschoben. Die zweite Frühlingshälfte bezeichnet die Zeitspanne von Mitte April bis Ende Mai. Auch für diesen Winter ist die Schneehöhe Rekord. Bis jetzt lagen maximal nur 25 Zentimeter, nämlich im Januar. Auch interessant: Beim bisherigen Rekord war es genau gleich. Am 22. April 2001 lag ebenfalls mehr Schnee im Vergleich zum vorangegangen Winter.

Der Ort St. Gallen liegt in 675 m Höhe, steht also exemplarisch für die tiefer gelegenen Stationen. Ob sich der Trend im Mittelland zu immer schneeärmeren Winter demnächst umdreht?