Vom Klimawandel hat der Großteil der Bevölkerung die Nase gestrichen voll. Das wissen auch die Fernsehmacher und wollen nicht riskieren, die Stamm-Zuseher in den großen Standardkanälen zu verprellen. Zum Glück gibt es Nischensender wie den ARD-Bildungskanal Alpha. Am 26. März 2017 traute man den bildungshungrigen Zusehern einen 43-minütigen Interviewmarathon mit Hartmut Graßl zu, dem bayerischen Altmeister des Klimaalarms. Sein ehemaliger Student Karsten Schwanke freute sich, mit seinem ehemaligen Prof zu fachsimpeln. Der heutige Fernsehmeterologe fertigte damals sogar seine Diplomarbeit in Meteorologie bei Graßl an. Nun wird plötzlich klar, weshalb Schwanke im Fernsehen El-Nino-getränkte Temperaturkurven von Stefan Rahmstorf präsentierte, lange nachdem der El Nino wieder abgeflaut war. Das Video gibt es bis zum 26. März 2018 online in der ARD-Mediathek anzuschauen. Danach auch auf Youtube. In der Programmankündigung heißt es:
Karsten Schwanke trifft Prof. Dr. Hartmut Graßl, Klimaforscher
Karsten Schwanke trifft führende Wissenschaftler zum Gedankenaustausch auf seinem Hausboot. Woran arbeiten die Forscher, was sind ihre größten Herausforderungen, was treibt sie an? In einem sehr persönlichen Gespräch lernen wir faszinierende Forschungswelten, aber auch den Menschen hinter der Wissenschaft kennen.
Graßl beginnt etwas hölzern, geht nicht auf Schwankes Eingangsfrage ein, sondern denkt sich lieber selber ein Thema aus. Er brauchte etwas Aufwärmzeit. Wie kam er mit dem Klimawandel in Kontakt? Es war 1960, als er im 1. Semester von seinem ehemaligen Professor an der Uni München, Fritz Möller, angefixt wurde. Der kam gerade von einem Sabbatical aus den USA, wo er den Amerikanern erklärt hatte, dass eine Verdopplung des CO2-Gehalts eine Klimaerwärmung von 3-5°C bewirken würde. An dieser Stelle hätte Schwanke unbedingt eingreifen müssen, denn diese Spanne ist deutlich höher, als vom IPCC genannt. Offiziell geht man heute von 1,5-4,5°C Erwärmung pro CO2-Verdopplung aus. Der beste Schätzwert dürfte heute deutlich unter 3°C liegen. Das haben übrigens Kollegen des Max-Planck-Instituts herausgefunden, an dem er früher selber Direktor war. Graßl nutzt die Chance zum unwidersprochenen Alarmismus. Sein ehemaliger Diplomand hat offenbar nicht den Mumm, ihn mit unbequemen Fragen zu konfrontieren.
Dann geht es um das berühmte Spiegel-Titelbild mit dem überfluteten Kölner Dom von 1986. Graßl räumt ein, dass die Story natürlich Schrott war. Immerhin. Wir lernen, dass Graßl selber die Gründung des PIK vorgeschlagen hatte, Deutschlands Klimaalarmschmiede Nummer 1. Wir lernen, dass Alarmist Graßl 1988 der einzige deutsche Vertreter beim IPCC war. Im Interview freut er sich diebisch, dass er schon damals „drakonische Maßnahmen“ gefordert hatte, als noch kaum etwas wissenschaftlich klar war. Schwanke verzieht das Gesicht, dies ist ihm dann doch etwas unheimlich. Graßls Spezielgebiet der atmosphärischen Physik war ihm schon immer zu klein. Stets wollte er große Politik machen und hat die drastische Klimalinie der deutschen Politik über Jahrzehnte hinweg geprägt. Einen ausgleichenden Gegenspieler scheint es nie gegeben zu haben, geeignete Kandidaten wurden weggebissen, was höchst bedauerlich ist.
Hartmut Graßl zeigt sich grundweg zufrieden mit dem Pariser Klimabkommen. Dabei unterläuft ihm bei 17:45 min ein echter Klopper. Er behauptet, das Paris Agreement würde anstreben, die Erwärmung im 21. Jahrhundert um maximal 1,5°C zu begrenzen. Das ist Quatsch, denn die 1,5 Grad beziehen sich auf das vorindustrielle Niveau, also 1850-1900. Die Hälfte der erlaubten Erwärmung haben wir schon erlebt. Ein nicht unbedeutender Teil davon ist natürlichen Ursprungs, denn das Basisniveau stellt das Ende der Kleinen Eiszeit dar. Schwanke schweigt zu Graßl’s unsauberer Formulierung und auch zum natürlichen Anteil an der Erwärmung des 20. Jahrhunderts. Ein unbequemes Thema. Durch Graßls Auslassungen sieht die Lage viel dramatischer aus, als sie in Wirklichkeit ist. Er will die Schaffung von CO2-Senken, und das sofort!
Bei Minute 19:00 spricht Schwanke das Thema Temperaturprognosen an. Vermutlich hatte er gelesen, dass Graßls Prognose aus dem Jahr 1990 meilenweit über das Ziel hinausschoß. Wieder findet Schwanke nicht den Mut, Graßl mit dem Fehlschlag zu konfrontieren. Oder wurde der Teil später rausgeschnitten? Graßl mag das Thema nicht. Er behauptet schnell, die Langzeitprognosen wären gar nicht so wichtig. Vielleicht weil er selber so schlimm daneben lag? Er vergisst dabei, dass die Temperaturlangzeitprognosen das Herzstück der IPCC-Berichte ausmachen. Nicht so wichtig? Viel wichtiger wäre laut Graßl, das kommende Jahrzehnt korrekt in den Griff zu bekommen, herauszufinden ob es sich abkühlen oder erwärmen wird. Der Erwärmungshiatus hat Graßl offenbar kalt erwischt. Er erläutert, dass große Forschungsinstitute üppige Förderung bekommen hätten, um dies nun endgültig zu erforschen. Ist diese vorsichtige Antwort vielleicht sogar eine Folge der Kalten-Sonne-Diskussion? Graßl gibt zu, dass es eine bedeutende natürliche Variabilität gibt, räumt ein, dass es in der Klimawandelforschung noch große Fragezeichen gibt. Keine Spur von „The science is settled“.
Graßl erläutert: „Alles was wir bei den Modellen bisher gemacht haben, ist reine Physik – und die ist in Ordnung“. Der Nachsatz klingt wie ein Stoßgebet: Bitte, bitte, laß die Physik in Ordnung sein. Er hat Grund dazu, denn keines der zuvor so hochgelobten physikalischen Modelle hatte den Hiatus kommen sehen, kläglich haben sie alle versagt. Hierzu kein Wort. Schwanke fragt, ob es schon gute regionale Klimamodelle gäbe, die verlässlich die Klimaentwicklung für Deutschland vorhersehen könnten. Eine gute Frage, denn es ist allseits bekannt, dass die Regionalmodelle noch überhaupt nicht gut funktionieren. Graßl wittert die Falle und antwortet geschickt: Die Regionalmodelle wären gut, wenn es gute globale Modelle gäbe. Und hier müssen die Forscher erst die schlechten Modelle eliminieren, um die guten dann gezielt weiterzuverfolgen. Oder anders ausgedrückt: Es gibt weder gute globale, noch gute regionale Modelle. Für Graßl ist es viel zu gefährlich, dies offen einzuräumen, deshalb das komplizierte Konstrukt.
Bei Minute 22:20 flunkert Graßl dann endgültig. Er behauptet, die Modelle würden angeblich mit der Beobachtung übereinstimmen. Dies ist falsch. Der IPCC hat dies selber im 5. Bericht eingeräumt. Die Modelle können die Mittelalterliche Wärmeperiode nicht nachvollziehen. Die Natur hält sich nicht an die physikalischen Modellvorgaben. Graßl umgeht das Problem, indem er nur über das 20. Jahrhundert spricht. Das ist natürlich viel zu kurz, um Modelle zu validieren. Das weiß auch Schwanke, der dazu jedoch schweigt. Ein Buddy-Interview. Anstatt mit Fakten, versucht Graßl mit klimareligiösen Methoden für seine Klimamodelle zu werben. Man müsse einfach Vertrauen in sie haben. Naja, weder haben sie den Hiatus des frühen 21. Jahrhunderts hinbekommen, noch die Wärme vor 1000 Jahren simulieren können. Wieviele Fehlschläge braucht es noch, um die Modelle sytematisch von unabhängiger Seite auf Herz und Nieren prüfen zu lassen? Stichwort: Red Team.
Bei Minute 30:00 geht es um die natürliche Klimavariabilität der letzten 3 Milliarden Jahre, die sich in der engen Spanne von 20-10°C globaler Mitteltemperatur abspielte. Schwanke fragt, wie das Klimasystem der Erde dies schaffen konnte, gibt es vielleicht einen dämpfenden Mechanismus, der Extreme verhindert? Graßl ist das Thema unangenehm. Da könnte man ja fast auf die Idee kommen, dass es auch heute solch einen Schutzmechanismus geben könnte. Er spielt den Joker und verweist auf aktuelle Forschungsanstrengungen. Graßl fährt seine harte Linie unbeirrt von den Fakten einfach weiter. Weshalb traut sich niemand, ihn mit der Wahrheit zu konfrontieren?