Aus der Klimageschichte lernen: Die arktischen Hitzewellen der 1930er und 40er Jahre

Klimaalarm der World Meteorological Organization (WMO), brühwarm weitererzählt am 21. März 2017 von derwesten.de:

Hitzewellen in der Arktis – Klimaforscher schlagen Alarm
[…] Im Winter gab es in der Arktis Temperaturen fast am Schmelzpunkt. Nicht das einzige Wetterextrem, von dem Klimaforscher berichten. Mindestens drei Mal sei es Anfang 2017 in der Arktis zu so etwas wie Hitzewellen gekommen, berichtete die Weltwetterorganisation (WMO) in Genf. Mächtige atlantische Stürme hätten warme, feuchte Luft in die Arktis gebracht. Auf dem Höhepunkt des Winters und der eigentlichen Gefrierperiode habe es Tage mit Temperaturen fast am Schmelzpunkt gegeben. Das habe den polaren Jetstream – einen der Windströme, die sich in großer Höhe um den Planeten ziehen – und damit das Wetter global beeinflusst.

Ist es wirklich fünf vor zwölf? Wird es in der Arktis immer heißer und heißer? Schauen wir uns den Verlauf der HadCRUT4-Temperaturen in der Arktis einmal an (Abb. 1). Schön zu sehen ist die Erwärmungsphase 1990-2005. Davor und danach herrschte eher ein welliges Temperaturplateau. Eine signifikante Arktis-Erwärmung in den letzten 10 Jahren ist nicht zu erkennen.

Abb. 1: Temperaturentwicklung in der Arktis seit 1957. Daten: HadCRUT4, Graphik: Climate4You.

 

Erweitern wir nun unseren Zeithorizon und schauen fast 100 Jahre zurück. Was für eine Überraschung: In den 1930er und 40er Jahren gab es in der Arktis zwei Hitze-Jahrzehnte, die ähnlich warm waren wie heute (Abb. 2). Eine klitzekleine Auslassung in der WMO-Pressemitteilung und dem Artikel auf derwesten.de.

Abb. 2: Temperaturentwicklung in der Arktis seit 1920. Daten: HadCRUT4, Graphik: Climate4You.

 

Die frühen arktischen Hitzejahre sind eindrucksvoll in den Temperaturaufzeichnungen der isländischen Stadt Akureyri dokumentiert (Abb. 3):

Abb. 3: Temperaturentwicklung des isländischen Ortes Akureyri seit 1880. Quelle: NASA/GISS.

 

Was könnte wohl zu der Erwärmung in den 1930er/40er Jahren geführt haben? Hier genügt ein Blick auf den Verlauf des 60-jährigen Atlantikzyklus, der AMO (Atlantische Multidekaden Ozillation). Die kann man ganz einfach auf der NOAA-Webseite hochaktuell selber plotten (Abb. 4). Die AMO-Kurven auf Wikipedia oder anderswo sind zwar farbenfroher, aber oft fehlen die letzten Jahre. Hauptantrieb der Arktis-Erwärmung in den 1990er und 2000er Jahren war der zeitgleiche starke Anstieg der AMO. Die von der WMO berichteten Hitzewellen passen gut zum aktuelle Plateau der AMO (Abb. 4). Nun muss man kein Wahrsager sein, um die zukünftig Entwicklung realistisch abzuschätzen: Das AMO-Plateau könnte sich noch einige Jahre fortsetzen. Eine weitere massive Erwärmung ist nicht zu erwarten, da der höchste Punkt der AMO-Spitze bereits erreicht ist. Irgendwann in den kommenden Jahren beginnt dann die Talfahrt der AMO. Entsprechend sollten auch die Temperaturen in der Arktis dann zurückgehen. Der Blick in die Klimageschichte lohnt sich.

 

 

Bereits Winston Churchill wusste:

Je weiter man zurückblicken kann, desto weiter wird man vorausschauen.

Irgendwann werden das dann auch die Damen und Herren Zeitungsredakteure erkennen. Die Kunst des Faktencheckens scheint seit Erfindung der Copy-Paste-Funktion verlorengegangen zu sein.