Der Fachverband der Seilbahnen Österreichs hat genug von der Panikmache um die Schneeprognosen und setzt sich zur Wehr. Im ORF wies der Verband am 1. Dezember 2016 auf die starke natürliche Variabilität der Schneemengen hin:
Die für den Fachverband spürbare Aufregung um eine Studie des Schweizer Instituts für Lawinenforschung, die von einer deutlichen Abnahme der Schneebedeckung seit den 1970er-Jahren bis heute ausgeht, soll beruhigt werden. „Es darf nicht vergessen werden, dass in den 1970er-Jahren in Österreichs alpinen Regionen die Anzahl der Tage mit Schneebedeckung ein Maximum aufweist“, kommentierte der Tiroler Skitourismus-Forscher Günther Aigner das Schweizer Studienergebnis. Er habe Datenmaterial von Schneemessreihen der vergangenen 100 Jahre aus sechs österreichischen Skiorten ausgewertet. Sein Ergebnis: Bezüglich der Anzahl der Tage mit Schneebedeckung gebe es in den vergangenen 100 Jahren keine signifikante Änderung. In naher Zukunft gebe es keine markanten Änderungen des Schneetrends, meinte auch Meteorologe Christian Zenkl. Die Tatsache der Erwärmung liege an längeren Sommern bzw. der Zunahme der Sonnentage. „Klimamodelle können aber nicht vorhersagen, ob die Winter wärmer oder kälter werden – man weiß es nicht, wie vieles in der Meteorologie“. […] Als „schlechte Stimmungsmache für die Branche“ bezeichnete hingegen der Vorstand der Silvretta Seilbahn AG, Hannes Parth, die „Horrorszenarien“, die manche Medien verbreiten würden. […] Meteorologe Zenkl will mit seinem Fazit zumindest Skifahrern und Touristikern der nächsten Generation die Angst nehmen: „Allen Unkenrufen zum Trotz zeigen die alpinen Winter keine auffälligen Klimatrends, und in absehbarer Zukunft wird sich daran nichts Gravierendes ändern. Die Daten beweisen, dass der alpine Wintersport gesund und gegen die Launen der Natur mittels Schneekanonen sehr gut gerüstet ist.“
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Das würden wir natürlich gerne genauer wissen. Wo sind die Daten? Das Climate Change Centre Austria (CCCA) hat jetzt eine Plattform („Data Centre„) zum Download von Klimadaten geschaffen. Reinschauen lohnt sich. Der Standard berichtete am 1. Dezember 2016 über das neue Online-Datendepot. Ob es dort wohl auch Daten zur historischen Schneeentwicklung gibt? Wir tippen in das Such feld „snow“ und danach in einer neuen Suche „Schnee“ ein. Keine Treffer. Wo sind die Daten?
Wir suchen händisch in den 64 geladenen Datensätzen und werden fündig:
Neuschneesumme – mittlere Summe hydrologisches Jahr (September-August) – Klimareferenzkarte 1961-1990 Österreich
Das hört sich doch ansatzweise brauchbar an, obwohl der Zeitraum zu spät beginnt und zu früh endet. Die Daten werden auf einer Karte angezeigt, leider ohne Legende. Nein, das führt nicht richtig weiter. Wir suchen weiter und stoßen auf die Webseite Zukunft-Skisport.at. Hier werden harte Schneedaten für österreichische Stationen aufgeführt, darunter Damüls, Obertauern, Körbersee, Lech und Zürs, Semmering, Waidring in Tirol, Pillerseetal, Hochfilzen und etliche andere. Wir greifen die Station Zürs exemplarisch heraus, da die Datenreihe bis in die 1920er Jahre zurückreicht. Schauen wir zunächst in die maximalen Schneehöhen (Abb. 1). Zwar liegen die maximalen Schneehöhen seit den 1990er Jahren unterhalb des Durchschnittswertes der letzten 90 Jahre, allerdings gab es bereits in den 1930er und 40er Jahren einen ähnlichen Schneeschwund. Ein Schneemaximum entwickelte sich in den 1960er und 70er Jahren. Ob hier die bekannten 60-jährigen Ozeanzyklen ein Rolle spielen?
Abb. 1: Verlauf der jährlichen maximalen Schneehöhen in Zürs am Arlberg von 1928/29 bis 2015/16. Daten: Hydrographischer Dienst des Landes Vorarlberg. Grafik: www.zukunft-skisport.at.
Schauen wir nun auf die Neuschneesummen (Abb. 2). Auch hier wieder das prominente Schneemaximum der 1960er und 70er Jahre, das deutlich über dem Durchschnittswert liegt und daher keinen guten Vergleichsmaßstab bildet.
Abb. 2: Verlauf der jährlichen Neuschneesummen in Zürs am Arlberg von 1946/47 bis 2014/15. Daten: Hydrographischer Dienst des Landes Vorarlberg. Grafik: www.zukunft-skisport.at.
Ist dieser Verlauf typisch für Österreich? Wir nehmen uns die Obertauern vor, ein Datensatz der mehr als 100 Jahre zurückreicht. Zunächst die maximalen Schneehöhen (Abb. 3). Die Kurve zappelt auf und ab. Eine schneeärmere Phase in den 1920er und 30er Jahren zeigt Ähnlichkeiten mit den letzten Jahrzehnten.
Abb. 3: Jährliche maximale Schneehöhen in Obertauern von 1908/09 bis 2015/16. Daten: Hydrographischer Dienst Tirol. Grafik: www.zukunft-skisport.at
Zukunft-Skisport kommentiert die Entwickling in den Obertauern:
Der 10-jährig gleitende Durchschnitt (grün gestrichelte Linie) zeigt, dass die größten Schneehöhen in Obertauern nicht wie vielfach vermutet in der „guten alten Zeit“, sondern kurz nach dem Jahrtausendwechsel auftraten. Relativ geringe Schneehöhen im 10-jährigen Mittel sind in den 1930er Jahren sowie am Ende der Messreihe aufgetreten. Es ist im Messzeitraum insgesamt kein signifikanter Trend erkennbar. Oder anders formuliert: Die Schneehöhen in Obertauern sind von 1908/09 bis 2015/16 statistisch unverändert. Weder haben die Schneehöhen statistisch signikant zu- noch abgenommen.
Ausgestattet mit diesem Datenrüstzeug, setzen wir unseren Streifzug durch die österreischische Schneeliteratur fort. Im Jahr 2008 schloss Anita Jurkovic an der Universität Wien eine Diplomarbeit mit dem folgenden vielversprechenden Titel ab (pdf hier):
Gesamtschneehöhe Vergleichende Zeitreihenanalyse
Hier die Zusammenfassung:
Eine Änderung der Gesamtschneehöhe bzw. Schneebedeckung beeinflusst unsere Ökologie und Ökonomie wesentlich. Ob und in welchem Ausmaß sich die Höhe der Schneebedeckung im Laufe des 20. Jahrhunderts geändert hat, wurde mit einer vergleichenden Zeitreihenanalyse geprüft. Dabei wurde ein historischer 20-jähriger Datensatz (1896-1916) digitalisiert und einem aktuelleren, gleichlangen Datensatz (1980-2000) gegenübergestellt. Erstmals wurden tägliche Gesamtschneehöhendaten von 98 österreichischen Messstellen analysiert, und auf deren Grundlage charakteristische Schneeparameter wie Anzahl an Schneetagen, maximale Schneehöhe, Schneedeckendauer sowie Winterdeckendauer ausgewertet. Mit Hilfe von stochastischen bzw. deterministischen Interpolationsverfahren konnten räumliche Zusammenhänge unterschiedlicher Schneeparameter aufgezeigt werden. Beim Vergleich der beiden zu untersuchenden Perioden stellte man in der aktuellen Periode eine Abnahme der Gesamtschneehöhe im Süden des Landes fest. Die Signifikanz dieser Abnahme wurde mittels parameterfreiem Mann-Whitney Test geprüft und für die Schneeparameter Anzahl der Tage mit Schnee und Winterdecke verifiziert. Zu einer signifikanten Abnahme der Schneehöhe südlich des Alpenhauptkammes kommt es aufgrund des generellen Temperaturanstieges in Kombination mit einer Abnahme der Niederschlagsmenge in dieser Region (Auer et al., 2005). Eine abschließende Trendanalyse 14 durchgehender 100-jähriger Zeitreihen mittels Mann-Kendall Test erbrachte ähnliche Ergebnisse und bestätigt somit diese Aussagen.
Es ist unglücklich, dass die Vergleichszeiträume so kurz gewählt wurden. Zwanzig Jahre und eine zufällige Auswahl des Zeitfensters werden der enormen natürlichen Variabilität einfach nicht gerecht. Wir suchen also weiter. Auf der Webseite der Kitzbüheler Alpen entdecken wir wieder einige Diagramme zur Schneeentwicklung. Hätten Sie gedacht, dass sich die Dauer der Schneebedeckung in Kitzbühel in den letzten 15 Jahren statistisch nicht geändert hat? Apropos Kitzbühel. Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) zeigt im Internet ein Diagramm zur Schneeentwicklung in Kitzbühel von 1801-2008, startet also in der Kleinen Eiszeit (Abb. 4). Schauen Sie sich die dunkelblaue Kurve an. Sie zappelt munter hin- und her. Offenbar haben schneereiche und schneearme Phasen stets gewechselt. Insgesamt ist über diesen langen Zeitraum eine Abnahme des Schnees zu erkennen, was aber angesichts des Übergangs von der Kleinen Eiszeit hin zu Mittelalterlichen Wärmeperiode nicht richtig wundert.
Abb. 4: Langjährige Niederschlagszeitreihen für Kitzbühel (790m). Dünne Linien markieren die Einzeljahre, dicke Linien den 20-jährigen Filter daraus (Böhm 2008). Graphik von Webseite des ZAMG.
Fazit: Wieder einmal wird klar, wie wichtig der klimahistorische Weitblick ist. Klimatische Kurzsichtigkeit führt hier nicht weiter. Keine Macht der plumpen Schnee-Panikmache!