Buchrezension zum neuen Klimabericht für die Nordseeregion: Wieder bleibt es vor der Kleinen Eiszeit zappenduster

Das Helmholtz-Zentrum Geesthacht (HZG) gab am 10. November 2016 per Pressemitteilung die Veröffentlichung des Buches „North Sea Region Climate Assessment“ (Quante & Colijn 2016) bekannt. Das Buch ist beim Springer Verlag erschienen und kann kostenlos als pdf heruntergeladen werden. Die Veröffentlichungskosten wurden offenbar durch das Institut bzw. den Steuerzahler beglichen. In der Pressemitteilung heißt es:

Wandel regional spürbar: Erster umfangreicher Klimabericht für die Nordseeregion erschienen
Wie viele küstennahe Gebiete ist auch der gesamte Nordseeraum vom Klimawandel betroffen. In den kommenden Jahrzehnten wird dies im verstärkten Maße der Fall sein, sofern die Emissionen, beispielsweise von Kohlendioxid, nicht wesentlich verringert werden. Anpassungsmaßnahmen benötigen eine fundierte wissenschaftliche Grundlage. Der Nordseeklimabericht „North Sea Region Climate Chance Assessment (NOSCCA)“, koordiniert vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht (HZG), stellt den aktuellen Wissensstand nun erstmalig in seiner Gesamtheit ausführlich vor und zeigt, wie sich die einzelnen Regionen rund um die Nordsee aufgrund des Klimawandels zukünftig verändern könnten. Demnach erwarten die Wissenschaftler bis zum Ende des Jahrhunderts einen Anstieg der durchschnittlichen Lufttemperatur im Nordseeraum um bis zu 3,2 Grad Celsius
.

Die bereits gemessene wie auch zukünftig zu erwartende Erwärmung der Luft in der Region folgt damit dem globalen Trend, zeigt allerdings eigene saisonale und Jahrestrends. So war das Jahr 2010 bis dato weltweit das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. „Im Nordseeraum war es im selben Jahr allerdings verhältnismäßig kühl“, sagt Prof. Dr. Markus Quante, Wissenschaftler am Institut für Küstenforschung des Helmholtz-Zentrums Geesthacht (HZG) und Koordinator des Berichts. Entgegen dem weltweiten Trend lag die mittlere Jahrestemperatur im Nordseeraum fast ein halbes Grad unter dem langjährigen Mittel zwischen 1961 und 1990.

In der Pressemitteilung wird dann die folgende Temperaturkurve aus der Nordseeregion gezeigt (Abb. 1). Gut zu erkennen ist der Erwärmungshiatus seit 1998, der jedoch in der Meldung mit keiner Silbe erwärmt wird. Hier wäre ein gleitendes Mittel über mehrere Jahre sehr interessant gewesen, um Trends zu zeigen, was aber offenbar nicht gewünscht war.

 

Abbildung 1: Abweichung der mittleren durchschnittlichen Jahrestemperatur berücksichtigter Landmessstationen im Nordseeraum zwischen 1950 und 2014 im Vergleich zur Referenzperiode 1961 bis 1990. Jahre mit blauen Balken sind kälter, Jahre mit roten Balken sind wärmer als im Vergleichszeitraum. Quelle: HZG. Entspricht Abb. 2.8 aus dem Buch.

 

Im Buch selber findet sich eine Kurve der Nachttemperaturen aus dem marinen Nordseebereich (Abb. 2). Hochinteressant sind die Wärmespitzen um 1900 und in den 1940er Jahren, die bereits damals das heutige Temperaturniveau erreichten.

Abbildung 2: Entwicklung der nächtlichen Mitteltemperaturen aus dem marinen Nordseebereich seit 1960. Quelle: Quante & Colijn 2016.

 

Im Buch wird zudem ausführlich auf die wichtige Rolle der atlantischen Ozeanzyklen eingegangen, die in der Pressemitteilung ebenfalls unerwärhnt bleiben. Unerklärlich ist, weshalb sich das Buch auf das Klima der letzten 200 Jahre beschränkt. Wie bereits in einem anderen kostlenlosen Springer-Buch “Klimawandel in Deutschland” meidet man bewusst die Ausenandersetzung mit dem Klima vor der Kleinen Eiszeit. Das große Schweigen zum größten Teil des vorindustriellen holozänen Klimas ist hochbedenklich. Wer hat diese Restriktion auferlegt, was steckt hinter dieser Beschränkung? An einem Mangel von Daten zur Mittelalterlichen Klimaanomalie (MCA) im Nordseeraum kann es nicht liegen, wie unser Kartierprojekt deutlich zeigt (Abb. 3).

Abbildung 3: Fallstudien zum Klima der Mittelalterlichen Klimaanomalie im Nordseeraum, 1000-1200 n.Chr. Details zum Kartierprojekt hier. Zugang zur Online-Karte hier.  

 

Lesen wir noch ein wenig in der Pressemitteilung des HZG zum Nordseeklimabuch weiter, Thema Meeresspiegel:

Weiterer Anstieg des Meeresspiegels in der Nordseeregion sehr wahrscheinlich
Der durchschnittliche Meeresspiegel in der Nordsee liegt heute höher als zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In den letzten 100 bis 120 Jahren ist das Wasser um gut 16 bis 20 Zentimeter gestiegen. Insbesondere seit Beginn des 20. Jahrhunderts ist der Anstieg in der zentralen Nordsee markant zu beobachten. Eine weitere Zunahme des mittleren Meeresspiegels zwischen 30 und 100 Zentimetern, je nach Szenario, bis zum Ende des Jahrhunderts ist sehr wahrscheinlich.

Ein Anstieg von 16-20 cm in mehr als 100 Jahren übersetzt sich in weniger als 2 mm Anstieg pro Jahr. Das ist alles andere als bedrohlich und passt nicht so recht zum alarmistischen 100 cm-Szenario bis 2100. Hierzu müsste es eine starke Beschleunigung des Meeresspiegelanstiegs geben. Ist diese bereits erkennbar? Die Pressemitteilung schweigt zu diesem wichtigen Punkt. Also schauen wir in das 555-seitige Buch hinein. Auf Seite 98 heißt es:

Geocentric [mean sea level, MSL] trends of 1.59 ± 0.16 and 1.18 ± 0.16 mm year−1 were obtained for the Inner North Sea and English Channel indices, respectively, for the period 1900–2009 (data sets were corrected for GIA to remove the influence of vertical land movement). For the North Sea region as a whole, the geocentric MSL trend was 1.53 ± 0.16 mm year−1.

In den letzten 100 Jahre ist der Meeresspiegel in der Nordsee lediglich um anderthalb Millimeter pro Jahr angestiegen. Bezug wird auf eine Studie von Wahl et al. 2013 genommen, die wir bereits hier im Blog vorgestellt hatten. In der damaligen Studie konnten die Autoren keine ungewöhnliche Beschleunigung des Meeresspiegelanstiegs feststellen. Dies kann man nun auch im neuen Springer-Nordseebuch nachlesen (S. 100):

Periods of [sea level rise, SLR] acceleration were detected at the end of the 19th century and in the 1970s; a period of deceleration occurred in the 1950s. Several authors (e.g. Miller and Douglas 2007; Woodworth et al. 2010; Sturges and Douglas 2011; Calafat et al. 2012) suggested that these periods of acceleration/deceleration are associated with decadal MSL fluctuations arising from large-scale atmospheric changes. The recent rates of MSL rise were found to be faster than on average, with the fastest rates occurring at the end of the 20th century. These rates are, however, still comparable to those observed during the 19th and 20th centuries.

Die fehlende Beschleunigung hat es leider nicht in die Pressemitteilung geschafft. Es ist unklar, wie die enorme Steigerung des Meeresspiegelanstiegs zu rechtfertigen ist, wenn es in den letzten Jahrzehnten trotz starker Erwärmung hierfür keine Anzeichen gibt.

Das neue Buch zur Klimaentwicklung zum Nordseeraum teilt ein ähnliches Schicksal wie die IPCC-Berichte. Wenn man sich in die Fachkapitel vertieft, findet man in der Regel eine ausgezeichnete Dokumentation der Literatur und Forschungsergebnisse. Die Zusammenfassungen und Pressemitteilungen werden hingegen bewusst angeschärft, um politisch korrekt die Klimagefahr zu befördern. Unbequeme Fakten werden an dieser Stelle verschwiegen, damit die Bevölkerung hieraus keine „falschen“ Schlüsse zieht. Das selektive Herauspicken von klimaalarmistischen Rosinen ist wissenschaftsethisch bedenklich. Wie konnte es dazu kommen, was sagen jene Wissenschaftler dazu, die sich in den Fachkapiteln um eine ausgewogene Darstellung so sehr bemüht haben?