Pressemitteilung des Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) in Leipzig vom 3. November 2016:
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Wirkung des Meeresgeruchs in Klimamodellen bisher überschätzt
Umfassendste Studie zur atmosphärischen Oxidation des natürlichen Klimagases Dimethylsulfid veröffentlicht
Die Bildung von Schwefeldioxid aus der Oxidation von Dimethylsulfid (DMS) und damit auch von kühlenden Wolken über den Ozeanen wird in den bisherigen Klimamodellen offenbar überschätzt. Das schließen Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) aus einer Modellstudie zu den Auswirkungen von Dimethylsulfid auf die Atmosphärenchemie. Bisher berücksichtigen Modelle mit der Oxidation in der Gasphase lediglich einen Teil des Oxidationsweges und vernachlässigen wichtige Pfade in der flüssigen Phase der Atmosphäre, schreibt das Team im Fachjournal PNAS bei der Veröffentlichung der bisher umfangreichsten mechanistischen Studie zur Multiphasenoxidation dieser Substanz. Die Ergebnisse zeigten, dass mehr Wissen über die Multiphasenoxidation von Dimethylsulfid und der entstehenden Substanzen notwendig sei, um die Atmosphärenchemie und deren Klimawirkungen über den Ozeanen besser zu verstehen und damit folglich auch die Genauigkeit der Klimaprognosen zu erhöhen.
Dimethylsulfid (DMS) wird von Mikroorganismen gebildet und ist beispielsweise auch Teil des Mundgeruches. Angenehmer in Erinnerung bleibt es dagegen als typischer Geruch des Meeres. DMS ist die häufigste natürliche Schwefelverbindung in der Atmosphäre. Vor allem die Ozeane, die rund 70 Prozent der Erdoberfläche ausmachen, tragen dazu bei. DMS wird von Phytoplankton gebildet und gast dann aus dem Meerwasser aus. In der Atmosphäre oxidiert DMS über Dimethylsulfoxid (DMSO) und Schwefeldioxid (SO2) zu Schwefelsäure (H2SO4). Diese kann neue Wolkenkeime bilden, aus denen neue Wolkentröpfchen entstehen können, welche die marinen Wolken optisch aufhellen und damit die Strahlungswirkung von Wolken und folglich das Klima auf der Erde beeinflussen. Daher ist das Verstehen und Quantifizieren dieser chemischen Prozesse in der Atmosphäre von großer Bedeutung für das Wissen zum natürlichen Klimaeffekt.
Der Oxidationsprozess von DMS wurde bereits in verschiedenen Modellstudien untersucht – allerdings ohne die Flüssigphasenchemie ausreichend zu berücksichtigen. Um diese Lücken zu schließen haben Wissenschaftler am TROPOS einen umfangreichen Multiphasenchemie-Mechanismus entwickelt („Chemical Aqueous Phase Radical Mechanism DMS Module 1.0“), welcher mit dem Gasphasenmechanismus (MCMv3.2) und dem Flüssigphasenmechanismus (CAPRAM) im Modell SPACCIM angewendet wurde. Dieses am TROPOS entwickelte Modellsystem eignet sich aufgrund der detaillierten und kombinierten Beschreibung von mikrophysikalischen und chemischen Prozessen in Aerosolen und Wolken besonders für komplexe Studien zu atmosphärischen Mehrphasenprozessen. Als wichtigstes Resultat haben die neuen Modellergebnisse gezeigt, dass: „Die Prozesse in der flüssigen Phase deutlich die Menge an Schwefeldioxid reduzieren und die Menge an Methansulfonsäure (MSA) erhöhen. In den früheren Modellen klaffte daher eine Lücke zwischen den prognostizierten Werten im Modell und in der gemessenen Wirklichkeit. Diesen Widerspruch konnten wir jetzt aufklären und so die Bedeutung der Flüssigphase für die atmosphärische Oxidation von Dimethylsulfid und seine Produkte wie MSA bestätigen“, berichtet Dr. Andreas Tilgner vom TROPOS.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Rolle von Dimethylsulfid (DMS) im Klima der Erde immer noch nicht ausreichend verstanden ist – trotz vieler globaler Modellstudien. „Unsere Simulationen deuten darauf, dass die erhöhten DMS-Emissionen zu höheren Aerosolpartikelmassen, aber nicht notwendigerweise zu einer höheren Anzahl an Partikeln bzw. Wolkentröpfchen führt. Die Ergebnisse der Modellierung sind wichtig für das Verständnis der Klimaprozesse zwischen Ozean und Atmosphäre. Dazu kommt, dass immer wieder Geoengineering-Ideen heftig diskutiert werden, die sich durch eine Düngung des Ozeanes mehr kühlende Wolken erhoffen“, erklärt Prof. Hartmut Herrmann vom TROPOS. Die jüngste Studie lässt jedoch vermuten, dass dabei die Schwefeldioxid-Produktion weniger stark ausfällt und die Effekte auf die Rückstrahlwirkung der Wolken geringer wären als erwartet. Entsprechende Geoengineering-Ansätze könnten daher weniger wirksam sein als von den Befürwortern angenommen. Tilo Arnhold
Publikation:
Erik Hans Hoffmann, Andreas Tilgner, Roland Schrödner, Peter Bräuer, Ralf Wolke, and Hartmut Herrmann (2016): An advanced modeling study on the impacts and atmospheric implications of multiphase dimethyl sulfide chemistry. PNAS; 113 (42) 11776-11781, doi: 10.1073/pnas.1606320113
http://dx.doi.org/10.1073/pnas.1606320113
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Kommentar der Kalte-Sone-Redaktion: Weniger kühlende Wolken bedeutet auch, dass die CO2-Erwärmung in den Modellen möglicherweise zu hoch angesetzt wurde, denn insgesamt muss ja die beobachtete Temperatur herauskommen. Trotz der spannenden Pressemitteilung biss keine Zeitung an, Schweigen im Walde. Waren die Resultate zu unbequem, um sie der Bevölkerung zumuten zu können?