Brennpunkt Klima Schweiz: Pleiten, Pech und Pannen

Die Akademien der Wissenschaften Schweiz haben kürzlich einen 216-seitigen Klimabericht herausgegeben, der kostenfrei auf naturwissenschaften.ch heruntergeladen werden kann. Aus der Beschreibung:

Brennpunkt Klima Schweiz: Grundlagen, Folgen und Perspektiven
Mehr als 70 Schweizer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben in den letzten drei Jahren zusammen mit ProClim – dem Forum für Klima und globalen Wandel der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) – und unterstützt durch das Beratende Organ für Fragen der Klimaänderung OcCC sowie das Bundesamt für Umwelt BAFU die für die Schweiz relevanten Ergebnisse des Fünften IPCC-Sachstandsberichtes (IPCC AR5) zusammengetragen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse wurden mit Resultaten aus wissenschaftlichen Studien mit direktem Schweiz-Bezug ergänzt.

In Teil 1 des Berichtes geht es um die physikalischen Grundlagen. Diesen Teil mit einer Stärke von 40 Seiten wollen wir uns gerne näher anschauen. Geschrieben wurde er von 15 Autoren, darunter auch die uns bereits bekannten Thomas Stocker und Reto Knutti:

Leidet der neue Bericht unter ähnlichen Defiziten, wie frühere Kostproben der beiden Forscher? Zum Einstieg in Teil 1 werden die Leser mit Hochwasserdrohungen gefügig gemacht. Das Autorengremium hat sich hier an die biblische Geschichte angelehnt und erst einmal eine Sintflut auf die Sünder regnen lassen. So lässt es sich arbeiten. Die Autoren des Kapitels, Peter Mani und Christoph Schär, überraschen jedoch positiv und weisen explizit auf historische Rekonstruktionen hin, die eine pauschale Steigerung der Hochwassergefahr in der Schweiz nicht unterstützen. Auf Seite 25/26 heißt es:

Kürzlich wurde die Häufigkeit grossräumiger sommerlicher Überschwemmungen für die letzten 2500 Jahre rekonstruiert, basierend auf Sedimenten von 10 Seen im Alpenraum (Abb. 1.3) (Glur et al. 2013). Die Resultate zeigen, dass grossräumige Hochwasser in vergleichsweise kühlen Sommern häufiger auftauchen. Dies stimmt mit früheren Studien überein, die eine erhöhte Häufigkeit von schweren Überschwemmungen in der kleinen Eiszeit und eine reduzierte Häufigkeit in der mittelalterlichen Warmzeit gefunden hatten (Schmocker-Fackel et al. 2010). Dieses Resultat ist qualitativ auch mit der von den Klimamodellen projizierten Abnahme der sommerlichen Niederschläge konsistent, insbesonders wenn man berücksichtigt, dass es sich bei der projizierten Zunahme von Starkniederschlägen um kurzzeitige und meist kleinräumige Ereignisse handelt, und nicht um grossräumige Ereignisse wie etwa die sommerlichen Überschwemmungen vom August 2005. Das würde also bedeuten, kurzzeitige, kleinräumige Ereignisse werden häufiger, während stärkere, grossräumige abnehmen könnten.

Chapeau!

Ab Seite 28 geht es um Temperaturen. Urs Neu von ProClim leistet sich hier gleich einen dicken Klopper:

Zum letzten Mal auf globaler Skala 1 bis 1,5 Grad Celsius wärmer als heute war es in der letzten Zwischeneiszeit vor rund 120.000 Jahren.

Das ist falsch. Richtig ist vielmehr, dass es während des sogenannten mittelholzänen Klimaoptimums vor 6000 Jahren um mindestens diesen Betrag wärmer war. Böser Patzer. Auf S. 29 kommt dann die IPCC-Old-School durch, geprägt durch mittlerweile veraltete Ansichten:

Kurzfristige Schwankungen im Klima, S. 34). Diese Schwankungen sind zum einen Teil Folge von externen Einflussfaktoren wie beispielsweise Schwankungen der Sonnenaktivität oder Vulkanausbrüchen sowie von internen Schwankungen im Klimasystem, wie dem El Niño/La Niña-Phänomen im tropischen Pazifik. Ein wesentlicher Teil dieser Schwankungen hat jedoch einen zufälligen Charakter – solche Schwankungen sind deshalb bisher schwer vorauszusagen. Diese natürliche Variabilität kann von Jahr zu Jahr beziehungsweise über einige Jahrzehnte regional viel dominanter sein als die Auswirkungen der Erwärmung des Klimasystems. Deshalb braucht es oft einige Jahrzehnte, bis der langfristige Trend des menschverursachten Klimawandels auch regional aus den natürlichen Schwankungen deutlich zum Vorschein kommt.

Ein Blick auf die IPCC-Tabelle des Strahlungsantriebs zeigt, dass die Sonne beim IPCC kaum eine Rolle spielt. Autor Neu versucht die enorme natürliche vorindustrielle Klimavariabilität als zufälliges Rauschen abzutun. Ein schwerer Fehler. Das Vertuschen der wahren natürlichen Klimafaktoren ist nicht nachhaltig und wird nicht mehr lange durchzuhalten sein. Es fehlt zudem der Hinweis auf die 60-Jahres-Ozeanzyklen, die den unerwarteten Erwärmungshiatus bewirkt haben, der im Text hier kurz anklingt. Im Nachhinein ist es ganz gut, dass Stocker nicht IPCC-Vorsitzender geworden ist, sonst wäre der IPCC inhaltlich gelähmt, ohne Möglichkeit des wissenschaftlichen Fortschritts.

Auf den Seiten 32 und 33 dann das Paläoklima der letzten 300 Jahre, von Stefan Brönnimann. Natürlich ist der Vergleich mit der Kleinen Eiszeit ein Heimspiel. Hatte man nicht den Mut, mit der Mittelalterlichen Wärmeperiode zu vergleichen? Aber dann hätte man dieses Statement nicht machen können:

Die Klimarekonstruktionen zeigen zum Beispiel, dass in der Schweiz die Sommertemperaturen in den letzten 25 Jahren deutlich oberhalb der Bandbreite der letzten 330 Jahre lagen

Das ist kein Wunder und war zu erwarten, wenn man mit der kältesten Phase der gesamten vergangenen 10.000 Jahre vergleicht.

Es folgen zwei Seiten Reto Knutti. Er versucht den Lesern den Prognosefehlschlag der letzten anderthalb Jahrzehnte zu erklären. Wieder dieselbe Strategie: Vollständig zufällige natürliche Klimaschwankungen hätten die Forscher überrascht, da hätten sie keine Chance gehabt. Besonders kurios:

Die Abschwächung der Erwärmung im Zeitraum von 1998 – 2013 ist zum Teil durch zufällige Variationen im tropischen Pazifik zu erklären.

Knutti, ein Ewiggestriger. Während seine Fachkollegen längst den 60-Jahreszyklus von PDO und AMO erkannt haben, tappt Knutti noch immer im Dunkeln und spielt den Unwissenden. Lesetipp: „Jetzt herrscht endlich Einigkeit: Ozeanzyklen zeichnen für fehlende Erwärmung seit 2000 verantwortlich„. Was ist bloß mit dem Knutti los?

Auch das Folgekapitel „Klimamodelle“ durfte Knutti schreiben. In der Einleitung schreibt er:

Modelle werden aber auch verwendet, um Prozesse zu verstehen, das Klima der Vergangenheit zu simulieren

Im Hauptteil vergisst er dann aber doch glatt zu erwähnen, dass der IPCC im AR5-Bericht explizit einräumt, die Modelle können die Mittelalterliche Wärmeperiode nicht nachvollziehen. Zu unbequemen Sachverhalten schweigt der Autor lieber. Es ist klar: Wenn der „Hindcast“ nicht funktioniert, dürfen die Modelle auch nicht für den „Forecast“ eingesetzt werden. Eigentlich ein Fall für Transparency International.

Nächster Klopper im Temperatur-Prognosekapitel, geschrieben unter Mitwirkung von Thomas Stocker. In Abbildung 1.11 ein klassischer Fehler. Die Temperaturprognose schreibt einfach die enorme Erwärmungsrate 1975-2000 in die Zukunft bis 2100 fort. Das ist falsch, weil die Erwärmung zu einem wichtigen Teil von den Ozeanzyklen befördert wurde, die nun seit 2000 wieder kühlen. Man sieht das schön an den früheren IPCC-Prognosen, die im Vergleich zur realen Temperaturentwicklung viel zu heiß laufen (siehe Abb. 6 in unserem kürzlichen WUWT-Beitrag).

Neben einigen erfreulich ausgewogenen Darstellungen wird der Schweizer Klimabericht durch eine gehörige Dosis Klimaalarm letztendlich ungenießbar. In den Hydroklima- und Gletscher-Kapiteln gegen Ende des 1. Teils fehlen jegliche Hinweis auf die Mittelalterliche Wärmeperiode, die einen wichtigen Kontext für das heutige Geschehen bildet. Das ist ungenügend. Es ist schade, dass die Chance vertan wurde. Der besonders wichtige Themenkomplex zur CO2-Klimasensitivität fehlt im Bericht komplett. Das Wort „Klimasensitivität“ taucht ein einziges Mal auf den gesamten 261 Seiten auf, nämlich in einer kurzen, wenig ergiebigen Fußnote. An die wirklich wichtigen Themen wollte man offenbar nicht ran, da man sich sorgte, die Bevölkerung könnte die Risse im Klimaalarm-Gebäude entdecken. Wie lange kann der dünne Putz das Alarmkonstrukt noch zusammenhalten?