Pressemitteilung auf Wissenschaftsjahr.de aus dem Oktober 2016:
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Foraminiferen trotzen dem Klimawandel
Der Klimawandel schreitet voran, die Gewässer heizen auf. Das bekommt nicht allen marinen Arten. Nur die Meerestiere, die sich schnell anpassen, überleben. Einigen winzigen, schalentragenden Einzellern gelingt das sehr gut. Im Gegensatz zu den temperaturempfindlichen Korallen leben die sogenannten Foraminiferen selbst unter extrem warmen Bedingungen weiter in Gemeinschaft mit Algen. Das hat jetzt ein deutsch-israelisches Team in einer Feld- und Laboruntersuchung an Israels Küste nachgewiesen.
Wollen Meeresforschende untersuchen, wie sich der Klimawandel auf Küstenökosysteme auswirkt, fokussieren sie sich bevorzugt auf das östliche Mittelmeer. Dort erwärmen sich nach den derzeitigen Erkenntnissen die Gewässer besonders schnell. Vor der Küste Israels hat das Team unter Federführung des MARUM, Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen, Foraminiferen untersucht. Diese leben in Gemeinschaft mit einzelligen Kieselalgen. Die Alge betreibt Photosynthese, versorgt so die Foraminifere mit Nahrung und fördert das Wachstum ihrer Kalkschale. Die Winzlinge produzieren Kalziumkarbonat und gelten daher, ebenso wie Korallen, als Ingenieure der Ökosysteme im Meer. Beide produzieren großen Mengen Sediment und tragen so zum Küstenschutz bei.
Messungen an der Küste ergaben, dass die Temperaturen im Meer im Laufe des Jahres die 32-Grad-Marke nicht übersteigen. In den Feldversuch war aber auch ein Küstenabschnitt in direkter Nähe zum Kraftwerk Hadera einbezogen. Hier fließt seit über fünfundzwanzig Jahren Kühlwasser als Abwärme ins Meer. In diesem Bereich fand sich eine Foraminiferen-Art, die auch bei Temperaturen über 36 Grad Celsius ihre Algengemeinschaft behält. Das Team stellte sich die Frage, ob diese Hitzetoleranz an das Gewässer dort gebunden sei. „Im Labor konnten wir nachweisen, dass die Algen auch bei 36 Grad Celsius Photosynthese betreiben und die Foraminifere wächst – ein Zeichen dafür, dass die Art diesen Temperaturen dauerhaft trotzen kann“, erklärt Dr. Christiane Schmidt vom MARUM.
„Das bedeutet, dass die Art besser an Erwärmung angepasst ist als die meisten anderen Meerestiere mit Algengemeinschaften“, resümiert die Bremer Geoökologin. Bei andauernder Erwärmung könnten die Foraminiferen daher den Küstenlebensraum des östlichen Mittelmeers für sich gewinnen. Es handele sich bei der untersuchten Art, die Pararotalia, wohl um eine eingewanderte Art. Die Hitzetoleranz sei eine Eigenschaft, die aus dem Pazifik mitgeschleppt worden sei.
Die Studie, die jetzt in der Zeitschrift Scientific Reports veröffentlicht wurde, lässt Rückschlüsse über das Mittelmeer hinaus zu. „Foraminiferen könnten somit auch woanders die Gewinner des Klimawandels werden“, folgert Professor Dr. Michal Kucera vom MARUM. Um in Zukunft Korallen als Kalkbildner in den Weltmeeren abzulösen, müssten sich die Foraminiferen allerdings weiterhin so rasant in den Weltmeeren verbreiten und sich außerdem resistent gegen weitere Veränderungen in den marinen Ökosystemen zeigen.