Die folgenden Gedanken von MdB Arnold Vaatz zur Energiewende und zum Thema Entscheidungsfindung stammen aus einem Artikel, der auf EIKE erschienen ist.
Während der Atomausstiegsdebatte im Vorjahr ist mir leider klar geworden, dass es nicht ein Mangel an naturwissenschaftlicher, mathematischer, technologischer oder volkswirtschaftlicher Sachkenntnis ist, der uns in die energiepolitische Sackgasse geführt hat. Es ist ein erbarmungsloser Konformitätsdruck, der von einer postreligiösen Gesellschaft ausgeht, die ihren arbeitslos gewordenen religiösen Sensus ausleben will. Dieser Konformitätsdruck hat eine Gleichschaltung der Gesellschaft verursacht, die zwar mit den Formen von Gleichschaltung wie dies aus der Geschichte der europäischen Diktaturen kennen, nicht identisch ist, jedoch ganz ähnliche Züge aufweist. Die Strafe für Widerspruch ist heute allerdings (zum Glück noch nicht!) Haft oder Liquidation, sondern nur die Verbannung aus der medialen Relevanzzone. Leider ist dies als Höchststrafe für jene hinreichend, deren Existenzbedingung öffentliche Zustimmung ist. Dazu zählen in einer Demokratie ausnahmslos alle Politiker. Für sie gibt es zwei Möglichkeiten, sich diesem Dilemma zu stellen:
Erstens kann man versuchen, die öffentliche Meinung zu ändern. Man hat dazu eine scharfe Waffe: Der naturwissenschaftliche Schlafwandel, in dem sich die Energie- und Klimadiskussion bewegt, bedarf nämlich scheinbar, um vom Balkon zu stürzen, nur des kleinen Rippenstoßes einer Richtigstellung durch naturwissenschaftliche Klärung. Und: Man hat die Zukunft auf seiner Seite! Denn der Crash an der Wand der Realität nach der Geisterfahrt der deutschen Klimapolitik ist unausweichlich. Allerdings ist der Schlafwandler ein Elefant und der Rippenstoßgeber eine Maus. Und auf die Bekehrung des Schlafwandlers beim Aufprall auf die Realität zu setzen, ist Illusion (Man vergewissere sich in dem Klassiker „Don Quichote“ des 1616 gestorbenen spanischen Schriftstellers Miguel Cervantes der Unwiderlegbarkeit ideologischer Fixierungen durch gegenteilige empirische Erfahrung). Hinzu kommt, dass die Rolle eines Agitator populi erst dann sinnvoll wird, wenn die Öffentlichkeit in einem kollektiven Irrtum befangen ist, aus der sie der Politiker herauszuführen gedenkt. Der Politiker muss dann die Kraft haben, aus diesem von ihm festgestellten kollektiven Irrtum auszubrechen. Tut er das, muss er in sein Handeln einpreisen, dass ihm am Ende in aller Regel persönliche Anerkennung versagt bleiben wird: Falls nämlich der „kollektive Irrtum“ in Wahrheit kein solcher war und der Agitator populi sich selbst geirrt hat, wird ihm zwar das Kollektiv als reuigen Sünder nach vorangegangener Kapitulation in der Sache, die er zerknirscht vollziehen wird, wenn er seinen Irrtum eingesehen hat, wieder in die Arme schließen. Behält er aber recht, und das Kollektiv wird des eigenen kollektiven Irrtums gewahr, dann wird es begehren, nicht daran schuld gewesen zu sein und den Verkünder dieses Irrtums verfolgen und bedrohen, solange er lebt; denn die kollektive Eitelkeit duldet keine lebendigen Beweise dafür, dass man nicht hat irren müssen.