Harald Lesch ist Fernsehprofessor und hat ein schwieriges Verhältnis zum Klimawandel. Er agitiert leidenschaftlich gegen natürliche Klimafaktoren und verdreht gerne wichtige Fakten, wie wir an dieser Stelle bereits ausführlich diskutiert haben:
- Harald Lesch kann das Klimaskeptiker-Mobbing nicht lassen
- Leiterin der ZDF-Redaktion Naturwissenschaft und Technik nimmt Stellung zu beanstandeter Sendung “Leschs Kosmos: Der Klima-Lügen-Check”
- Der Klima-Lügen-Check im ZDF: Was ist dran an Prof. Harald Leschs Thesen?
- Emotionen statt Fakten: Harald Lesch’s ZDF-Doku „Tatort Erde – Das Klima im Visier“
Am 29. Juni 2016 veröffentlichte Lesch nun ein 10-minütiges Video auf Youtube, in dem er vorgibt, die Aussagen der AfD zum Klimawandel wissenschaftlich zu prüfen.
Dabei bezieht sich Lesch auf Kapitel 12.1 im aktuellen AfD-Programm (Seite 79 im pdf hier). Vorweggeschickt sei, dass das Kalte-Sonne-Blog politisch unabhängig ist. Es geht hier nicht um die Bewertung von Politik, sondern rein um das Sachthema „Klimawandel“ und eine nüchterne Prüfung der Lesch-Prüfung.
Den ersten Prüfpunkt können wir uns schenken. Das Klima hat sich stets gewandelt, darüber sind sich alle einig. Gleich beim zweiten Punkt führt Lesch seine Zuseher (immerhin eine Viertelmillionen Zugriffe in den ersten drei Wochen seit Erscheinen) in die Irre. Es geht um diese Aussage im AfD-Programm:
Die Klimaschutzpolitik beruht auf hypothetischen Klima-Modellen basierend auf computergestützten Simulationen des IPCC („Weltklimarat“).
Im Prinzip ist die Aussage richtig. Mit einer Einschränkung: Die Klimasimulationen werden von Forschergruppen durchgeführt, die im sogenannten Coupled Model Intercomparison Project (CMIP) organisiert sind. Für den 5. IPCC-Bericht (AR5) war es CMIP5, für den nächsten IPCC-Bericht (AR6) ist es CMIP6. Die Hauptaufgabe des CMIP ist die Bereitstellung von Modellen für die IPCC-Berichte. Insofern ist der IPCC sozusagen Auftraggeber und Abnehmer der Simulationen. Im Modellierungskapitel der Arbeitsgruppe 1 des 5. IPCC-Berichts heißt es in Kapitel 9.1.1. dazu:
In particular, this chapter draws heavily on model results collected as part of the Coupled Model Intercomparison Projects (CMIP3 and CMIP5) (Meehl et al., 2007; Taylor et al., 2012b), as these constitute a set of coordinated and thus consistent and increasingly well-documented climate model experiments.
Und was macht Lesch daraus (im Video bei Minute 1:58)? Er streitet die enge Verknüpfung von Modellierern und IPCC einfach ab:
Diese Aussage ist leider falsch
Der IPCC würde nur Modellierungen verwenden, die sowieso irgendwo publiziert worden wären. Dass die Hauptmotivation der Modellierer jedoch die Belieferung der IPCC-Berichte darstellt, verschweigt Lesch und fabuliert stattdessen über das wissenschaftliche Peer Review Verfahren. Thema verfehlt, Zuschauerschaft in die Irre geführt. Wer begutachtet eigentlich die Lesch-Beiträge, dass so etwas passieren kann?
Beim nächsten Punkt hat sich die AfD selber ein Bein gestellt:
Kohlendioxid (CO2) ist kein Schadstoff, sondern ein unverzichtbarer Bestandteil allen Lebens.
Das würde bedeuten, dass die CO2-Klimasensitivität Null beträgt, also CO2 keinerlei Erwärmungswirkung entfaltet. Selbst in Klimaskeptikerkreisen ist dies eher eine Extremposition. Wahrscheinlicher ist wohl eine Klimasensitvität, die deutlich niedriger liegt als der IPCC-Mittelwert. In unserem Buch „Die kalte Sonne“ haben wir Beispiele mit 1,0°C und 1,5°C Erwärmung pro CO2-Verdopplung vorgestellt. Lesch hat im Video leichtes Spiel (ab Minute 3:44). Die lebensnotwendige Funktion des CO2 bestreitet Lesch nicht, wie sollte er auch. Interessanterweise gibt hier es im Lesch-Video einen auffälligen Schnitt. Offenbar hat er zunächst versucht, ganz anders zu antworten bzw. sich dann verheddert.
Dann der nächste AfD-Punkt:
Der IPCC versucht nachzuweisen, dass die von Menschen verursachten CO2-Emissionen zu einer globalen Erwärmung mit schwerwiegenden Folgen für die Menschheit führen. Hierzu beruft man sich auf Computermodelle, deren Aussagen durch Messungen oder Beobachtungen nicht bestätigt werden.
Hier wird es gänzlich wild. Lesch behauptet (ab Minute 4:10), die Computermodelle wären in der Lage, die Vergangenheit zu reproduzieren:
Diese Aussage ist nicht korrekt.
Das ist eine grobe Falschaussage von Lesch. Es kann hier nicht nur um die vergangenen 150 Jahre seit Ende der Kleinen Eiszeit gehen, sondern um die letzten 1000-2000 Jahre, also die Modellierung früherer Warmphasen, die als wichtige Analogperioden für die Moderne Wärmperiode fungieren. In seinem letzten Bericht hat der IPCC in Kapitel 5.3.5 der Arbeitsgruppe 1 ausdrücklich eingeräumt, dass die Modellierung der Mittelalterlichen Wärmeperiode misslungen ist. Die Gründe kennt man noch nicht. Aktuelle Arbeiten von 2016 bestätigten das Grundproblem:
- Internationale Baumringexperten: Mittelalterliche Wärmeperiode war heißer als gedacht. Klimamodelle scheitern bei Simulation
- Universität Gießen findet eklatante Unterschiede zwischen realer und simulierter Temperaturentwicklung während der letzten 2000 Jahre in Europa: Klimamodelle müssen auf den Prüfstand
Im nächsten Punkt geht es um den Hiatus, eine Diskussion die mittlerweile so langweilt, dass wir sie uns hier ersparen. Erwähnenswert nur Leschs Schlussakkord: Im Video hält er eine Temperaturkurve in die Kamera, in der der heiße El Nino-Datenpunkt als Ausreißer nach oben aus dem Temperaturplateau der letzten 18 Jahre heraussticht. Weder erwähnt Lesch das El Nino-Phänomen, noch weist er daraufhin, dass er von HadCRUT4 plötzlich auf NASA-GISS Daten gewechselt hat. Dazu muss man wissen: Das GISS-Institut wird von einem bekennenden Klimaaktivisten geführt. Das Institut ist dafür bekannt, Originaldaten kräftig zu verändern, bevor sie geplottet werden. Untersuchungen hierzu laufen. Bei den verlässlicheren Satellitendaten (hier: RSS) sieht der El Nino 2015/16 ähnlich aus wie 1998. Das Diagramm zeigt Rosinenpicker Lesch natürlich nicht.
Abbildung: Globale Temperaturentwicklung laut RSS-Satellitendaten.
Es gibt im Zusammenhang mit dem Hiatus noch eine weitere Irreführung des Zuschauers. Zuerst zeigt Lesch eine Temperaturdatenreihe von 1997 bis 2012 und sagt richtigerweise, dass die AfD (und auch führende Klimawissenschaftler) einen Erwärmungsstop seit den letzten 16 Jahren ableiten. Leschs Hauptargument gegen den im AfD-Programm genannten Erwärmungsstillstand ist dann eine Temperaturkurve von 1980 bis 2012 mit einer eingezeichneten ansteigenden Trendlinie von 1980 bis 2012. Dazu muss man wissen: zwischen etwa 1980 und 1998 gab es – von niemandem bestritten – einen Temperaturanstieg. Die kontroverse Diskussion dreht sich um den Zeitraum 1998 bis 2016. Für diesen Zeitraum wird auch von führenden Klimawissenschaftlern anerkannt, dass es einen Erwärmungsstillstand bzw. Slowdown gibt. Nun hat also der Zeitraum 1980 bis 1998 einen mittleren Anstieg von etwa 0,2 Grad pro 10 Jahren und der Zeitraum 1998 bis 2016 einen mittleren Anstieg von etwa 0,0 Grad pro 10 Jahren. Im gesamten Zeitraum von 1980 bis 2016 gibt es dann einen mittleren Anstieg von 0,1 Grad pro 10 Jahren, was etwa der Hälfte des von den Klimamodellen angenommenen Erwärmung ist. Lesch übergeht diese quantitative Frage, obwohl sie der Kernpunkt der aktuellen Klimadebatte darstellt.
Beim nächsten Punkt rettet sich Lesch wie bereits zuvor mit Haarspalterei. Die AfD schreibt etwas zu locker:
IPCC und deutsche Regierung unterschlagen die positive Wirkung des CO2 auf das Pflanzenwachstum und damit auf die Welternährung. Je mehr es davon in der Atmosphäre gibt, umso kräftiger fällt das Pflanzenwachstum aus.
Lesch konstruiert sofort den Fall einer CO2-Konzentration oberhalb des Optimalbereichs und versucht das Argument damit wegzufoulen. Die Seite war ungedeckt, da kann man es halt mal probieren, dachte er sich. Seriös ist das aber nicht, denn es war klar, was gemeint war. Siehe:
- Studie der Universität Göttingen: Erhöhte CO2-Konzentration könnte Ernteerträge in Norddeutschland um bis zu 60% steigern
- Neue Studie: Steigender CO2 Gehalt wird Wassereffizienz von Weizen bis 2080 um mehr als ein Viertel erhöhen
- PIK-Studie in den Environmental Research Letters gibt Hoffnung: Keine gravierenden Folgen für die Landwirtschaft bis 2050 im Business-As-Usual-Emissionsszenario
Lesch schließt mit einem Ausspruch von Immanuel Kant:
Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!
Ein sehr passendes Zitat, das auch wir im Kaltesonne-Blog sehr schätzen.
Siehe auch Rezension des Videos auf EIKE.
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UPDATE 21.7.2016:
Ein Leser berichtete über einen mysteriösen Löschvorfall auf Leschs Youtube-Seite:
ich habe Ihre Rezension von Leschs Klima-Video unter eben genau dieses Video bei Youtube verlinkt. So schnell konnte ich gar nicht schauen, war der Link auch schon wieder gelöscht worden.