Die Klimadiskussion ist nicht so schwarz-weiß wie manche sie gerne hätten. Vielmehr handelt sich der Klimastreit um eine quantitative Frage: Wie stark erwärmt CO2 das Klima? Diese Größe wird auch als CO2-Klimasensitivität bezeichnet. Der IPCC hat es sich in den letzten 20 Jahren ziemlich leicht gemacht und meist eine Spanne von 1,5-4,5°C mit einem besten Schätzwert von 3,0°C Erwärmung pro CO2-Verdopplung angegeben. Judith Curry hat die Aussagen der diversen IPCC-Berichte hier zusammengefasst. Im 5. Klimazustandsbericht tat man sich jedoch mit einem besten Schätzwert schwer. Die Computermodellierungsresultate wurden in den letzten Jahren durch eine Neubewertung wichtiger Paramater rechts überholt. Auf Seite 14 der deutschen Berichts-Zusammenfassung räumt der IPCC daher im Kleingedruckten ein:
Aufgrund fehlender Übereinstimmung der Werte aus den beurteilten Anhaltspunkten und Studien kann kein bester Schätzwert für die Gleichgewichts-Klimasensitivität angegeben werden.
Es ist Bewegung in die Diskussion gekommen, ein Umstand, den man bei der Berichtspräsentation der Öffentlichkeit jedoch nicht zumuten wollte. Lieber schwieg man zum sensitiven Thema der Klimasensitivität. Nicht auszudenken, dass man den Wert vielleicht offiziell erniedrigen müsste. Eine Gruppe um Yoichi Kaya nahm im Mai 2016 seinen ganzen Mut zusammen und fragte sich in einer in Sustainability Science erschienenen Publikation, inwieweit eine verringerte Klimasensitivität die internationalen Klimaverhandlungen beeinflussen würde. Das Ergebnis: Es macht einen großen Unterschied, ob der Wert 3,0°C oder 2,5°C beträgt:
The uncertainty of climate sensitivity and its implication for the Paris negotiation
Uncertainty of climate sensitivity is one of the critical issues that may affect climate response strategies. Whereas the equilibrium climate sensitivity (ECS) was specified as 2–4.5°C with the best estimate of 3°C in the 4th Assessment Report of IPCC, it was revised to 1.5–4.5°C in the 5th Assessment Report. The authors examined the impact of a difference in ECS assuming a best estimate of 2.5°C, instead of 3°C. The current pledges of several countries including the U.S., EU and China on emission reductions beyond 2020 are not on track for the 2°C target with an ECS of 3°C but are compatible with the target with an ECS of 2.5°C. It is critically important for policymakers in Paris to know that they are in a position to make decisions under large uncertainty of ECS.
Auch eine Gruppe um Kevin Dayaratna hat sich 2016 Gedanken über die sozialen CO2-Kosten gemacht und Szenarien mit geringeren Klimasensitivitäten gerechnet. Wenig erstaunlich kamen dabei viel erträglichere Zahlen heraus als vom IPCC verbreitet.
Im Folgenden wollen wir uns den wissenschaftlichen Fortschritt auf dem Gebiet im letzten Jahr näher anschauen. Unsere letzte Übersicht stammt aus dem Januar 2015 („Studien aus 2014 geben Hoffnung: Erwärmungswirkung des CO2 wohl doch deutlich überschätzt. Offizielle Korrektur steht bevor“). Eine weitere Übersicht erschien im April 2015 auf Climate Audit („Pitfalls in climate sensitivity estimation“; Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4).
Es gibt zwei verschiedene Typen der Klimasensitivität, die nicht verwechselt werden dürfen, die ECS und die TCR. Hier sollte man peinlichst darauf achten, um welchen Wert es in der entsprechenden Arbeit geht, ansonsten vergleicht man Äpfel mit Birnen. Wikipedia erklärt uns den Unterschied:
ECS und TCR
Aufgrund der thermischen Trägheit der Weltmeere reagiert das globale Klimasystem grundsätzlich nur langsam auf Veränderungen des Strahlungsantriebs. Man unterscheidet daher zwischen der Equilibrium Climate Sensitivity, (ECS) und der Transient Climate Response (TCR). Die ECS beschreibt den Temperaturanstieg, der zu beobachten ist, nachdem das Klimasystem nach einer Veränderung des Strahlungsantriebs den neuen Gleichgewichtszustand erreicht hat, wofür Jahrtausende nötig sind. Um den Einfluss des Menschen auf das Klima zu quantifizieren, ist die Transient Climate Response besser geeignet. Diese ist definiert als der Temperaturanstieg, der zum Zeitpunkt einer Verdoppelung der CO2-Konzentration in einem Szenario beobachtet wird, bei dem diese pro Jahr um 1% anwächst.
TCR (Transient Climate Response)
1,19-1,39°C
Bosse 2016
WUWT
1,31-1,34°C
Lewis 2016
Judithcurry.com
1,2°C
Loehle 2015
Universal Journal of Geoscience
Siehe auch Beitrag auf judithcurry.com
ECS (Equilibrium Climate Sensitivity)
2,21°C
Mauritsen & Stevens 2015
Nature Geoscience
Siehe auch Beitrag auf kaltesonne.de
1,69-1,87°C
Lewis 2016
Judithcurry.com
1,5°C
Loehle 2015
Universal Journal of Geoscience
Siehe auch Beitrag auf judithcurry.com
1°C
Bates 2016
Earth and Space Science
Siehe auch Beiträge auf reportingclimatescience.com und EIKE
0,4°C
Specht et al. 2016
International Journal of Thermal Sciences
0,25°C
Evans 2015
joannenova.com.au
Siehe auch Beitrag auf perthnow.com.au
0,14-0,17°C
Kimoto 2015
Energy & Environment
Siehe auch Beitrag auf notrickszone
Zur Erinnerung: In unserem Buch ‚Die kalte Sonne‘ haben wir Szenarien mit 1,5°C und 1,0°C (ECS) vorgestellt und wurden dafür vom Establishment heftig gerügt.
Der Trend ist klar: Die CO2-Klimasensitivitäten sinken immer weiter. Dies zeigt auch die folgende Graphik aus dem Landshape Blog vom Juni 2015:
Natürlich gibt es noch immer Unbelehrbare, die eisern die alten Parolen brüllen. Das Blog bits of science veranstaltete im Mai 2016 etwas ganz Ulkiges. Rolf Schuttenheim schrieb IPCC-Autoren und andere IPCC-nahe Wissenschaftler an und fragte sie nach Ihrem besten Schätzwert zur Klimasensitivität (ECS). Das Resultat: Fast alle zitierten den alten IPCC-Uraltwert von 3°C. Die Statistik ist in etwa so sinnvoll wie eine Umfrage unter Grünen-Mitgliedern, welche Partei sie wohl am meisten schätzen würden. Toll gemacht, Herr Schuttenheim.
Dann gibt es noch jene, die sich mit Über-Alarm für höhere Posten empfehlen wollen. Elliot Jagniecki und drei Kollegen verkündeten im November 2015 stolz, die Klimasensitivität wäre noch viel höher als gedacht. Verrückte Burschen. Auch Martinez-Boti et al. versuchten 2015 in Nature zu punkten und behaupteten, die IPCC-Klimasensitivität wäre ziemlich prima. Das wirkt natürlich wie Schmierbutter beim nächsten Projektantrag:
We conclude that, on a global scale, no unexpected climate feedbacks operated during the warm Pliocene, and that predictions of equilibrium climate sensitivity (excluding long-term ice-albedo feedbacks) for our Pliocene-like future (with CO2 levels up to maximum Pliocene levels of 450 parts per million) are well described by the currently accepted range of an increase of 1.5 K to 4.5 K per doubling of CO2.
Der Focus fiel glatt drauf rein.
Zum Glück halten seriöse Kollegen dagegen, zum Beispiel eine Gruppe um H. Douville, die sich im Februar 2015 in den Geophysical Research Letters mit dem Erwärmungshiatus beschäftigten. Als Ursache der Erwärmungspause identifizierten die Forscher die Pazifische Dekadische Oszillation (PDO), genau wie wir es bereits 2012 in unserem Buch ‚Die kalte Sonne‘ geschrieben hatten. Die Autoren schlussfolgern, dass die vom IPCC verwendeten Klimamodelle vermutlich eine zu hohe CO2-Klimasensitivität (TCR) verwenden:
The recent global warming hiatus: What is the role of Pacific variability?
[…] Using the former technique, our model captures several aspects of the recent climate evolution, including the weaker slowdown of global warming over land and the transition toward a negative phase of the Pacific Decadal Oscillation. Yet the observed global warming is still overestimated not only over the recent 1998–2012 hiatus period but also over former decades, thereby suggesting that the model might be too sensitive to the prescribed radiative forcings.
In den Highlights zum Paper heißt es:
- Many models overestimate the Pacific influence on global mean temperature
- The recent hiatus is only partly due to the internal Pacific variability
- The TCR of CNRM-CM5 might be overestimated
In diese Richtung scheint auch eine Arbeit von Feldman et al. 2015 in Nature zu deuten (Pressemitteilung hier), über die Spiegel Online schreibt:
Die neuen Messungen aus den USA scheinen auf den ersten Blick zu zeigen, dass die Folgen eines verstärkten Treibhauseffekts sich in Grenzen halten, die Klimasensitivität mithin erfreulich niedrig liegen könnte.
Siehe auch unseren Beitrag „Der Teufel steckt im Detail: Studie findet verstärkten Treibhauseffekt, der jedoch auf niedrige CO2-Klimasensitivität schließen lässt„
Mit Dank an R.H. für Materialzuarbeit