Von Sebastian Lüning und Josef Kowatsch
Mitte Januar 2016 fragten wir beim Bayerischen Rundfunk wegen eines Beitrags zur Schnee-Entwicklung in den Alpen nach (siehe: „Um Antwort wird gebeten: Schnee nur noch von gestern? Wir haken beim Bayerischen Rundfunk nach„). Der BR hatte berichtet, es würde immer wärmer werden und die Schneesicherheit würde in den Bayerischen Bergen angeblich abnehmen. Dies erschien seltsam, denn in den Alpennachbarländern konnte dieser Trend nicht bestätigt werden. Am 1. Februar 2016 erhielten wir eine Antwort auf unsere Anfrage. Der Vorsitzende des BR-Rundfunkrats, Dr. Lorenz Wolf, bat den Informationsdirektor des Bayerischen Rundfunks um eine Stellungnahme, die er uns freundlicherweise ausführlich erläuterte. Das vollständige Antwortschreiben finden Sie hier.
In der Antwort sind eine ganze Reihe von guten Anregungen enthalten, denen wir gerne nachgehen wollen. Eine Diskussion steht und fällt mit der Qualität der Datengrundlage. Der BR rechtfertigt die Temperaturanstiege mit einer Klimastudie des Bayerischen Landesamtes für Umwelt und den Temperaturkurven zweier hochgelegener Alpen-Wetterwarten. Im BR-Antwortschreiben heißt es:
Darin wurde mir dargelegt, dass die Daten, auf denen der Beitrag basiert, in erster Linie vom Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) stammen, das in der umfassenden Klimastudie KLIWA seit Jahren die Entwicklungen speziell für Bayern untersucht und dabei deutliche Temperaturanstiege in Bayern, insbesondere in den Alpen und vor allem im Winter, verzeichne. Zu den gleichen Ergebnissen komme die Datenauswertung des DWD auch auf hochgelegenen Stationen wie Wendelstein oder Zugspitze.
Wir wollen uns im Folgenden die beiden genannten Wetterstationen anschauen. Die Lage der Stationen finden Sie auf dieser DWD-Karte:
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Zunächst zu Wendelstein. Auf der Webseite der Wendelsteinbahn erfahren wir die traurige Nachricht: Die Wetterwarte Wendelstein gibt es seit September 2012 gar nicht mehr. Nach 130 Jahren Wetterdatenerfassung wurde sie vor vier Jahren geschlossen:
Schließung der Wetterwarte Wendelstein
Aus Gründen der Kosteneinsparung hatte der Deutsche Wetterdienst zum Herbst 2012 beschlossen, vom Wendelstein abzurücken. Weder eine Petition mit rund 5.000 Unterschriften noch die Kritik von Meteorologen konnte dies verhindern. Das Personal wurde intern an andere Stationen versetzt. Die benachbarte Universitäts-Sternwarte hat die Räumlichkeiten der Wetterwarte inzwischen übernommen und zeichnet Wind-/Temperaturwerte weiterhin mit eigenen Geräten auf; diese fließen jedoch nicht wie bisher in regionale Wetterprognosen ein. Ein ehemaliger Windmast erinnert noch an die Zeit der Wetterstation am Wendelstein, dient aber heute nur noch als Blitzableiter.
Das ist wirklich schade. Wie kann man eine 130-jähriger Datenreihe einer klimastrategisch so wichtigen Station einfach abrupt beenden? Nun ist es zu spät. Trotzdem wollen wir uns die erhobenen Daten anschauen. Vom Hamburger Bildungsserver laden wir uns die Original-DWD-Daten zur Jahresdurchschnittstemperatur für Wendelstein herunter. Schnell in Excel eingeladen und siehe da:
Die Temperaturentwicklung ist überraschend: Um 1960 herum war es schon einmal so warm wie heute. Dann sackten die Temperaturen in den 1960er und 1970er Jahren ab, um danach dann wieder auf das frühere warme Niveau zurückzukehren. Seit 1989 stockt die Erwärmung, und es hat sich ein Temperaturpleateau herausgebildet. Die Entwicklung passt übrigens sehr gut zur 60-Jahres-Ozeanzyklik des Atlantik.
Die reale Entwicklung am Wendelstein will nicht so richtig zum behaupteten Szenario des BR passen: Immer heißer, immer weniger Schnee? Da könnte man glatt auf den Gedanken kommen, dass dem DWD diese Temperaturentwicklung nicht ins Konzept passte und deshalb kurzerhand die Messungen abbrach… Aber hier ist nicht der Ort für verwegene Verschwörungstheorien…
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Die zweite vom BR genannte Station liegt auf der Zugspitze. Auch hier sind die Temperaturen seit etwa 1989 stabil geblieben. Schön zu sehen an der Temperaturkurve der Zugspitze für das Winterhalbjahr:
Und auch hier wieder die warme Phase um 1960 (Abbildung unten). Interessanterweise wurde diese Wärmephase in einigen Klimastudien nachträglich nach unten gedrückt, wie Stefan Kämpfe und Josef Kowatsch vor einigen Jahren dokumentierten (siehe unten). Was steckt hinter den fragwürdigen Manipulationen von HISTALP? Werden diese veränderten Daten möglicherweise auch vom Bayerischen Landesamt für Umwelt verwendet? Die Nachkorrekturen wollen wir uns von HISTALP und DWD gerne bei Gelegenheit erklären lassen.
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Zugspitze: eine Station, zwei unterschiedliche Temperaturtrends. Wie kann das sein?
Von Stefan Kämpfe und Josef Kowatsch
Von Deutschlands höchstem Berg, der Zugspitze, gibt es im Internet zwei Temperatur-Datensätze, die so recht nicht zueinander passen wollen. Der erste Datensatz findet sich unter HISTALP (Historical Instrumental Climatological Surface Time Series of the Greater Alpine Region) und ist seit 1901 verfügbar und lückenlos. Man kann ihn beim ZAMG herunterladen. Der zweite Datensatz stammt vom Deutschen Wetterdienst (DWD) und findet sich beim Hamburger Bildungsserver. Er weist im Jahr 1945 eine Datenlücke auf (Kriegsende!), was den kritischen Betrachter schon stutzig werden lässt. Zwei Datensätze, nur einer lückig? Wegen der Datenlücke 1945 und dem Ende des DWD-Datensatzes im Jahr 2010 bietet sich ein Vergleich beider Datensätze hinsichtlich des Temperaturverlaufes von 1946 bis 2010 an; das Ergebnis sieht so aus:
Bis Mitte der 1970er Jahre waren die DWD-Daten (rot) wärmer als die von HISTALP (blau). Mitte der 1970er „springt“ der HISTALP-Datensatz plötzlich auf das Niveau des DWD-Datensatzes. Folglich zeigt HISTALP einen viel stärkeren Trend und damit als eine stärkere Erwärmung. Um die Relation zu verdeutlichen, wurde die jährliche Differenz HISTALP minus DWD in Kelvin berechnet und ebenfalls grafisch dargestellt:
Nach Kriegsende bis in die 1970er bestand eine Differenz um die minus 0,5K; diese hatte es übrigens auch vor der „Datenlücke“ 1945 von 1901 bis 1944 gegeben. Doch – simsalabim – 1975 verschwindet diese Differenz fast völlig; es gibt nunmehr nur noch marginale Differenzen, die im Höchstfall (2000) einmal plus 0,11K erreichen.
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Interessanterweise lehnt offenbar auch das Berkely Earth (BEST)-Projekt die von HISTALP durchgeführte Datenveränderung der Zugspitze ab. Bei BEST ist die vollständige Wärmepitze von den spätern 1940er bis frühen 1960er Jahren gut erkennbar: