Eines der vielen großen Geheimnisse des irdischen Klimasystems ist die genaue physikalische Wirkungsweise von Sonnenaktivitätsschwankungen auf das Klima. Aktuelle Klimamodelle berücksichtigen lediglich den direkten Einfluss der solaren Gesamtstrahlung, was jedoch nur minimale Temperaturschwankungen erzeugen würde. Ein Blick in die Klimageschichte der letzten 10.000 Jahre zeigt jedoch, dass dieser Ansatz nicht stimmen kann. Die sonnensnychronen Klimaänderungen waren in der Realität um ein Vielfaches stärker als Computersimulationen zeigen, die mit IPCC-Annahmen zur Wirkung der Sonne gefüttert werden.
Das Problem ist seit längerem bekannt, auch wenn der Weltklimarat es beharrlich ignoriert, da er einfach keine Antwort darauf findet. Offensichtlich muss es Solarverstärker geben, die die Sonnenaktivitätsschwankungen auf das real dokumentierte Niveau hinaufkatapultieren. Bislang gab es zwei Verstärker-Kandidaten: Einen Mechanismus über UV in der Stratosphäre sowie einen über die kosmische Strahlung welche wiederum die Wolkenbedeckung beeinflusst (Svensmark-Effekt).
Vor kurzem kam jetzt noch ein dritter Solarverstärker-Kandidat dazu. Natalya Kilifarska vom Nationalen Institut für Geophysik in Sofia veröffentlichte im begutachteten Journal of Atmospheric and Solar-Terrestrial Physics ein interessantes neues Modell, das frischen Wind in die wissenschaftliche Diskussion bringt und die bekannten Mechanismen in Kombination wirken sieht.
Wie auch bereits der Däne Henrik Svensmark sieht Kilifarska die kosmische Strahlung als einen wichtigen Bestandteil des Mechanismus. Es ist allgemein anerkannt, dass die Intensität der kosmischen Strahlung auf der Erde durch das Sonnenmagnetfeld gesteuert wird. Das Sonnenmagnetfeld schirmt das innere Sonnensystem und damit auch die Erde vor der kosmischen Strahlung ab. Je stärker die Sonne, desto weniger kosmische Strahlung erreicht den Erdboden. Anders als Svensmark setzt Kilifarska nun aber nicht auf eine Beeinflussung der Wolken durch die kosmische Strahlung. Die Wissenschaftlerin nimmt vielmehr an, dass die kosmische Strahlung eine Änderung des Ozongehalts im Grenzbereich von Troposphäre/Stratosphäre, also etwa 15 km Höhe, bewirkt. Die Schwankungen der Ozonkonzentration wiederum würden dann den Wasserdampfgehalt in der Höhe beeinflussen und hierdurch eine Änderung des natürlichen Treibhauseffekts verursachen.
Soweit der Ansatz in Kurzform. Wir werden im Folgenden die einzelnen Schritte und Hinweise näher beleuchten.
Aufgrund der enormen Wichtigkeit des Themas sollte man sich einmal die Zeit nehmen und sich zumindest für einen Moment in Natalya Kilifarskas Modell eindenken. Sie ist eine echte Querdenkerin und stellt gleich eine ganze Reihe von scheinbar etablierten Zusammenhängen in Frage. Das ist mutig, aber warum sollte man nicht einmal außerhalb der eingetretenen Pfade denken dürfen. Und es sollte dazu nicht vergessen werden, dass die Wissenschaftlerin ihr Modell in einer begutachteten internationalen Fachzeitschrift veröffentlicht hat. Die Gutachter und die Herausgeber scheinen die Ideen also für diskussionswürdig zu halten. Das Ganze muss man als durchaus fruchtbaren Denkanstoß verstehen. Um es vorweg zu nehmen, die Idee hat Charme, auch wenn noch sehr viel Forschung notwendig sein wird um das Modell auf Herz und Nieren zu testen.
Steuerung der Landtemperatur durch die Ozonkonzentration in der unteren Stratosphäre?
Ausgangspunkt der Studie sind Daten der schweizerischen Arosa-Messstelle auf 1742 m Höhe, die die weltweit längste Messreihe der Ozonkonzentration darstellt. Die Messungen begannen hier im Jahr 1926.
Natalya Kilifarska hat die Werte zunächst einmal geglättet, um die kurzen Sonnenfleckenzyklen von 11 und 22 Jahren wegzufiltern und sich auf den relevanteren längerfristigen Verlauf zu konzentrieren. Sie stellte die Ozonkurve dann der Entwicklung der globalen Landtemperaturen der letzten 100 Jahre gegenüber. Das Ergebnis ist erstaunlich. Wenn man die Ozonkonzentration spiegelt und mit der Temperatur-Entwicklung vergleicht, fällt ein hohes Maß an Synchronität auf (Abbildung 1). Je höher die Ozonkonzentration in der unteren Stratosphäre/oberen Troposphäre (im Folgenden als „in der Höhe“ bezeichnet), desto geringer waren die Temperatur am Erdboden. Natalya Kilifarska entwickelte dazu ein nicht-lineares Modell, das drei Viertel der Temperaturschwankungen der letzten 85 Jahre erklären kann. Die in der Abbildung zu beobachtende Diskrepanz in den 1920er Jahren könnte darauf zurückzuführen sein, dass die in Arosa gemessenen Ozonwerte für die Zeit vor 1930 allgemein als fragwürdig gelten. Weitere Diksrepanzen sind durch die Überlagerung von Ozeanzyklen zu erwarten, die streckenweise auch gegen den solaren Trend anarbeiten können.
Abbildung 1: Vergleich der Ozonkonzentration in der unteren Stratosphäre (Arosa-Daten, grüne Kurve) mit den Landtemperaturen (violette Kurve). Gleitende 11 bzw. 22-Jahres- Mittelwerte). Über weite Strecken ist eine gute Korrelation ausgebildet. Hinweis: Die Arosa-Ozon-Daten aus der Zeit vor 1930 sind wenig verlässlich. Die CO2-Entwicklung ist in rot dargestellt. Modifiziert nach Kilifarska (2012).
Wie könnte es funktionieren?
Mehr Ozon an der Grenze Troposphäre/Stratosphäre führt auch zu einer Erhöhung des Wasserdampfgehaltes in dieser Höhe. Wasserdampf ist eines der stärksten natürlichen Treibhausgase, daher erwärmt sich hierdurch die Luft in der Höhe. Den Zusammenhang zwischen Ozon, Wasserdampf und Temperatur in der Höhe hat die bulgarische Wissenschaftlich anhand von Daten bestätigen können. Ein entsprechendes Paper ist bereits im Begutachtungsprozess eines Fachmagazins und wird vermutlich demnächst erscheinen. Die Forscherin weist darauf hin, dass der Effekt nicht gleichmäßig stark in den verschiedenen Gebieten der Erde wirkt.
Ebenfalls anhand von Daten belegbar ist laut Kilifarska, dass sich die Temperaturen in der Höhe entgegengesetzt zu denen am Erdboden verhalten. Ein Anstieg der Temperaturen in der Höhe (durch mehr Ozon, mehr Wasserdampf, mehr Treibhauseffekt) bewirkt also eine Abkühlung am Boden. Zusammengenommen wird dadurch gemäß dem Modell von Natalya Kilifarska aus einem Ozonanstieg in der Höhe eine Abkühlung am Boden und aus einem Abfall des Ozons eine Erwärmung am Boden.
Ozonkonzentration der Stratosphäre durch die Sonnenaktivität und kosmische Strahlung gesteuert?
Und was steuert nun eigentlich den Ozongehalt in der Höhe? Die konventionelle Sichtweise lautet, dass Chlor-Verbindungen der FCKWs bis 1995 die drastische Abnahme der stratosphärischen Ozonkonzentration bewirkt haben. Die Sonne hingegen würde über die UV-Strahlung nur 2-3% Ozon-Veränderung während eines 11-Jahreszyklus bewirken. Eine mögliche Wirkung der Sonne über die kosmische Strahlung blieb dabei unberücksichtigt.
Natalya Kilifarska sagt nun: Nein, die kosmische Strahlung (also letztendlich die Sonnenaktivität) spielt eine viel wichtigere Rolle bei der Steuerung des Ozongehalts in der Höhe. Und wie macht die kosmische Strahlung das? Laut der Wissenschaftlerin erzeugt die kosmische Strahlung ausreichend Ionen, die die Bildung von Ozon (O3) stimuliert. Eine genaue Beschreibung des Ionenmodells wird Kilifarska demnächst in einem gesonderten Paper in einem Open Access Journal publizieren. Die Ozonkonzentration und kosmische Strahlung der letzten 85 Jahre scheinen jedenfalls gut zu korrelieren (Abbildung 2).
Zusammengefasst: Die vollständige Wirkungskette von Kilifarskas Solarverstärker umfasst eine ganze Reihe von Gliedern:
Stärkere Sonne=> weniger kosmische Strahlung=> weniger Ozon in der Höhe=> weniger Wasserdampf in der Höhe=> Rückgang der Temperaturen in der Höhe durch verringerten Wasserdampf-Treibhauseffekt=> Anstieg der Temperaturen am Erdboden da entgegengesetzte Entwicklung zur Höhe.
Oder kurz gesagt: Eine stärkere Sonne führt zu einer Erwärmung am Erdboden.
Abbildung 2: Gemessene Ozon-Konzentration der unteren Stratosphäre (blaue gestrichelte Linie) verläuft weitgehend synchron zur komischen Strahlung (grüne Linie). Abbildung aus Kilifarska (2012).
Vorhersage bis 2020
Die Autorin wagt sich sogleich mit ihrem Modell an eine kleine Klimaprognose. Der größte Teil der Solarphysiker sagt für die kommenden Jahrzehnte eine Solarflaute voraus (siehe unser Blogbeitrag „NASA’s neue Sonnenflecken-Vorhersage: Der schwächste Zyklus seit 100 Jahren“ sowie Kapitel 7 in „Die kalte Sonne“). Die Bulgarin gab dies in ihr Modell ein und sagt auf dieser Basis bis 2020 eine leichte Abkühlung der Oberflächentemperatur der Erde von 0,05 bis 0,25°C voraus. Die Unsicherheit steckt sowohl in den Parametern des Ozon-Modells als auch im unklaren Ausmaß des Sonnenaktivitätsrückganges.
Man darf gespannt sein, wie sich die Diskussionen um dieses Modell in den kommenden Monaten und Jahren entwickelt. Es ist nicht auszuschließen, dass sogar alle drei Solarverstärkermodelle (UV, Wolken, Ozon) parallel zueinander wirken und sich die Einzeleffekte gegenseitig verstärken. Nicht zu vergessen ist zudem ein weiteres Solarverstärker-Modell von Werner Weber, in dem die kosmische Strahlung Sauerstoffmolekül-Ionen bildet, um die sich Wassertröpfchen lagern und das Sonnenlicht abschwächen (siehe S. 249 und 264-270 in „Die kalte Sonne“). Die Forschung auf dem hochspannenden Gebiet der Solarverstärker muss auf jeden Fall verstärkt werden.
Siehe auch Beiträge auf The Hockey Schtick, TWO Community, wetterzentrale forum.
Mit Dank an dh7fb für Mitarbeit an diesem Artikel.