Der Klima-Lügen-Check im ZDF: Was ist dran an Prof. Harald Leschs Thesen?

Kurz vor der Pariser Klimakonferenz tat das ZDF am 24. November 2015 so, als wolle es in der Klimadiskussion ernsthaft vermitteln. In einer Sendung im Rahmen der Reihe Leschs Kosmos ging man scheinbar auf die Kritikpunkte der Klimaskeptiker ein und zeigte sich gesprächsbereit.

Der Klima-Lügen-Check: Was ist dran am Klimawandel?
Es wird stetig wärmer. Dürren, Stürme und Überschwemmungen drohen vermehrt. Und alles, weil wir unseren Planeten aufheizen und so den Treibhauseffekt provozieren, so die gängige Theorie. Den Klimawandel gibt es überhaupt nicht, behaupten die Skeptiker. Schmelzende Gletscher und Wetterextreme beruhen auf natürlichen Schwankungen, so ihre Theorie. Wer hat Recht im Klimastreit?

Bereits das starke Wort „Lüge“ im Titel gibt Grund zur Beunruhigung: Auf welchem intellektuellen Niveau findet dieser Faktencheck statt? Ein viel zu emotionaler Einstieg in die berechtigte wissenschaftliche Auseinandersetzung.

Die ersten sieben Minuten der Sendung geht es um die knuddeligen Eisbären, die als angebliches Opfer des Klimawandels präsentiert werden. Es wird nicht erwähnt, dass Eisbären im Grunde vielseitige Esser sind, auch mal eine Mahlzeit ohne Robben zu sich nehmen können. Es wird zudem mit keiner Silbe erwähnt, dass Jäger noch immer der größte Feind der Eisbären sind, dass es heute viel mehr Eisbären gibt als noch vor ein paar Jahrzehnten. Siehe:

Nach Ende des Eisbärzuspielfilms äußert sich Harald Lesch zunächst einmal zu den Kritikpunkten der Klimaskeptiker. Ja, auch füher hätte es Zeiten mit verringerter Meereisbedeckung gegeben, und die Eisbären hätten diese Zeiten doch ganz gut überstanden. Das Eis würde halt kommen und gehen. Es gäbe jedoch einen großen Unterschied: Die heutige Erwärmung und der heutige Eisschwund liefe viel schneller ab als jemals zuvor!

Dies ist eine Behauptung, die der klimatisch nicht vorgebildete Zuseher wohl oder übel als Erklärung akzeptieren muss, da er es ja nicht selber überprüfen kann. Zum Glück hat die Wissenschaft das Problem jedoch in den vergangenen Jahren im Rahmen paläoklimatologischer Studie ausführlich beleuchtet, die wir im Zuge des Kartierprojektes zur Mittelalterlichen Wärmeperiode derzeit aufbereiten. Sämtliche Studien zeigen, dass es vor 1000 Jahren in der Heimat des Eisbären bereits schon einmal ähnlich warm wie heute war. Jeder rote Punkt auf der Karte entspricht einer Fallstudie, die per Klick aufgerufen werden kann:

 

Viele der Studien dokumentieren eine sehr abrupte Erwärmung um 900-1000 n. Chr., als sich das Klima ähnlich schnell erwärmte wie im 20. Jahrhundert. Besonders erwähnenswert ist hier eine hochaktuelle neue Studie eines Teams um Arto Miettinen vom Norwegian Polar Institute in Tromsø, die am 2. Dezember 2015 online im Fachblatt Paleoceanography erschien. Darin beschreiben die Autoren die Ergebnisse einer hochauflösenden Sedimentkernstudie vor der Südostküste Grönlands (Lage des Punktes direkt gegenüber von Island). Miettinen und Kollegen dokumentierten unter anderem eine Erwärmungsphase um 1000 n. Chr., bei der die Temperatur innerhalb von nur 55 Jahren um 2,4°C nach oben schnellte (Abbildung 1). Entsprechend rapide halbierte sich sich die Meereisbedeckung und ging von 70% auf 30% zurück. Die Eisbären haben dies offenbar gut überlebt. Leschs Aussage in der ZDF-Sendung zur alles übertreffenden Erwärmungsrate im 20. Jahrhundert ist daher fehlerhaft. Auch in der Vergangenheit hat es ähnlich schnelle Klimawechsel gegeben wie heute.

 

Abbildung: Entwicklung der August-Temperaturen (obere Kurve) sowie April-Meeresbedeckung (untere Kurve) während der vergangenen 1200 Jahre in Südostgrönland. Quelle: Miettinen et al. 2016.

 

Die Autoren zeigen weiterhin einen engen Zusammenhang der hochfrequenten Klimawechsel mit der schwankenden Sonnenaktivität. Hier die Kurzfassung der genannten Arbeit:

Exceptional ocean surface conditions on the SE Greenland shelf during the Medieval Climate Anomaly
Diatom inferred 2900-year-long records of August sea surface temperature (aSST) and April sea-ice concentration (aSIC) are generated from a marine sediment core from the SE Greenland shelf with a special focus on the interval ca. 870–1910 Common Era (CE) reconstructed in subdecadal temporal resolution. The Medieval Climate Anomaly (MCA) between 1000 and 1200 CE represents the warmest ocean surface conditions of the SE Greenland shelf over the late Holocene (880 BCE–1910 CE). It was characterized by abrupt, decadal to multidecadal changes, such as an abrupt warming of ~2.4 °C in 55 years around 1000 CE. Temperature changes of these magnitudes are rare on the North Atlantic proxy data. Compared to regional air temperature reconstructions, our results indicate a lag of about 50 years in ocean surface warming either due to increased freshwater discharge from the Greenland ice sheet or intensified sea-ice export from the Arctic as a response to atmospheric warming at the beginning of the MCA. A cool phase, from 1200–1890 CE, associated with the Little Ice Age (LIA), ends with the rapid warming of aSST and diminished aSIC in the early 20th century. The results show that the periods of warm aSST and aSIC minima are coupled with the solar minima suggesting that solar forcing possibly amplified by atmospheric forcing have been behind the variability of surface conditions on the SE Greenland over the last millennium. The results indicate that the SE Greenland shelf is a climatologically sensitive area where extremely rapid changes are possible and highlights the importance of the area under the present warming conditions.

Die ZDF-Sendung schwenkt anschließend zum Thema Gebirgsgletscher um. Es wird eingeräumt, dass die Alpengletscher in der frühen Phase der Kleinen Eiszeit vor 400 Jahren stark zunahmen und dabei auch schon einmal ein Dorf überfuhren. Per Satellit wies man nach, dass die Karakorum-Gletscher in den letzten Jahrzehnten wuchsen. In der Folge dann aber wieder die alte Leier: Gletscherschrumpfen aller Orten. Suggestiv wird der Zuseher gefragt, ob dies denn wirklich alles nur natürliche Schwankungen seien? Mit einem Ötzi-Beispiel schießt sich das ZDF dann selber ins Bein: Wenn Ötzi vor gut 5000 Jahren in gletscherlosem Gelände ermordet wurde und dann vom Gletscher überfahren wurde, war der Gletscher damals viel kürzer als heute. Dies lässt sich auf viele Alpengletscher verallgemeinern, die wiederholt viel kürzer waren als heute. Siehe:

Lesch bringt dann den größten ins Meer mündenden Gletscher Grönlands, den Jakobshavn Isbræ. Dieser würde immer schneller schrumpfen, exponentiell. Tja, dabei vergisst Lesch dann aber, dass er entsprechend schnell auch wieder wachsen kann, wie Nicolás Young von der University of Buffalo (NY) mit Kollegen in einer Studie in den Geophysical Research Letters zeigen konnten. Die amerikanische Forschergruppe fand heraus:

„Während der schnelle und Dynamik-verstärkte Rückzug vieler grönländischer Ausflussgletscher als Folge von Erwärmungsschüben gut dokumentiert ist, konnte unsere Studie zeigen, dass [diese] Gletscher ebenso schnell auf Abkühlungsphasen reagieren können.“

Soll heißen: Wenn es kalt wird, wachsen die Gletscher einfach wieder. Der Begriff „tipping point“ (also Kipp-Element) fällt in dem gesamten Artikel von Young und Kollegen bezeichnenderweise kein einziges Mal. Das lässt Lesch ziemlich unbeendruckt. Er behauptet, man könne das exponentiell schrumpfende Gletschereis bereits im katastrophal ansteigenden Meeresspiegel erkennen. Das lässt sich leicht nachprüfen: Hat sich der Meeresspiegelanstieg in den letzten Jahren beschleunigt? Dazu schauen wir uns die offizielle globale Satelliten-Meeresspiegelkurve University of Colorado at Boulder an:

Abbildung 2: Globale Meeresspiegelentwicklung während der letzten 23 Jahre. Quelle: University of Colorado at Boulder. Kurve: Climate4You (Newsletter Oktober 2015).

 

Gut zu erkennen: Es gibt keine Beschleunigung des Meeresspiegelanstiegs. Wieder ein peinlicher Fehlalarm. Siehe auch:

Dann geht es in Leschs Sendung zum unvermeidlichen Sonnen-Mobbing. Ja, die Kälte der Kleinen Eiszeit fiel mit einer sehr schwachen Sonne zusammen. Das wäre aber purer Zufall, denn der wahre Grund der Kleinen Eiszeit ist in Vulkanausbrüchen zu jener Zeit zu suchen. Eine lächerliche Hilfshypothese, insbesondere weil es eine ganze Reihe von ähnlichen Kältephasen in den letzten 10.000 Jahren gegeben hat, die allesamt in Zeiten geringer Sonnenaktivität fielen (Bond et al. 2001). Alles nur Zufall? Wohl kaum. Siehe:

Eines ist klar: Die Klimawirkung der Sonne wird vom IPCC maßlos unterschätzt. Keinlaut räumte der Weltklimarat in seinem letzten Klimabericht ein, dass er die Mittealterliche Wärmeperiode mit seinen Modellen nicht reproduzieren kann. Trotzdem hält der IPCC an seinen Modellen fest, die im historischen Kalibrierungstest versagt haben. Das ist nicht nachvollziehbar. Lesch und sein ZDF-Team verwenden die fehlerhaften IPCC-Berechnungen um Entwarnung zu geben: Die Sonnenaktvität nimmt bis 2020 stark ab, sagen die Experten. Dies würde jedoch global lediglich 0,3°C Abkühlung bringen. Nicht sehr überzeugend. Würde man nämlich mit einer realistischeren Klimakraft der Sonne rechnen, käme ein viel stärkerer Abkühlungsbetrag zustande. Siehe „Was bringt die kommende Solarflaute? Das Hadley Centre lässt sich ein Hintertürchen offen„.  Abschließend reichen Lesch & Co. noch ein paar Pseudobeweise gegen die Sonne nach, meiden dabei jedoch das Thema „Sonnenverstärker“ über UV bzw. Wolken, obwohl die Fachwelt dies momentan eifrig diskutiert.

Fragen an Harald Lesch:

1) Weshalb gibt es in den letzten 10.000 Jahren eine so gute Übereinstimmung zwischen den Klimazyklen und der Sonnenaktivität?

2) Ist es wirklich nur Zufall, dass die Sonne gegen Ende des 20. Jahrhunderts ihre größte Intensität erreichte als auch die Erwärmungsrate ihr Maximum erreichte?

Es folgt in der Sendung ein emotionales Plädoyer von Lesch zum Treibhauseffekt. Dabei versäumt er es doch glatt, den Hauptpunkt der Klimadiskussion zu erwähnen, nämlich die Unsicherheit der CO2-Klimasensitivität, die noch immer schlecht bekannt ist. Stattdessen leiert er das Extremwetterlied. Himmlische Stürme, biblische Sintfluten etc. pp. Sahnehäubchen zum Schluss: Oktober 2015 wäre der wärmste Oktober gewesen, seit der Mensch Temperaturen misst. Einschränkung 1: Nachdem man die alten Temperaturen bewusst nachkorrigierend abgesenkt hat. Einschränkung 2: Die unveränderten Satellitendaten können diesen Pseudorekord nicht bestätigen. Wann fliegt der Klimadopingskandal endlich auf? Lesch freut sich diebisch über die ständige Rekordflut. Muss auch er bald zum Klimadopingtest und schreibt dann ein Buch mit Geständnis?

Abbildung 3: Globale Temperaturentwicklung der letzten 36 Jahre (UAH). Quelle: Woodfortrees.

 

Es besteht Gesprächsbedarf. Wir haben unsere Punkte nun in einem Schreiben an den ZDF-Fernsehrat dargestellt und hoffen, dass man unsere Kritik dort ernst nimmt. Warten wir es ab.

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