Das Leben auf der Erde war immer schon den Launen des Kosmos ausgesetzt. So wechselten sich in den letzten 2 Millionen Jahren Eiszeiten und Warmzeiten munter miteinander ab, gesteuert von leichten Variationen der Erdbahn um die Sonne. Auch stehen große Meteoriteneinschläge im Verdacht, das massenhafte Aussterben zahlreicher Arten verursacht zu haben. Vor einigen Jahren fanden der Jerusalemer Physiker Nir Shaviv und der Bochumer Geowissenschaftler Jan Veizer, dass sich die bekannten klimatischen Schwankungen der vergangenen 500 Millionen Jahre gut mit der Bewegung der Erde durch die Milchstraße erklären ließen, wobei unterschiedliche Sternhäufigkeiten Änderungen in der kosmischen Strahlung hervorriefen. Die kosmische Strahlung besteht aus kleinen Teilchen aus Sternenexplosionen, sogenannten Supernovae, wobei diese Teilchen höchstwahrscheinlich Kondensationskeime für kühlende Wolken bilden.
Zu diesem Thema erschien jetzt in den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society auch eine neue Studie des dänischen Physiker Henrik Svensmark, die kostenlos als pdf heruntergeladen werden kann. Im Rahmen dieser Arbeit rekonstruierte Svensmark die Häufigkeit von Supernovae für die vergangenen 500 Millionen Jahre und verglich die Entwicklung mit der Meeresspiegelgeschichte sowie der Artenvielfalt.
Ausgangspunkt der Untersuchung war ein Katalog von offenen Sternenhaufen, der an der Universität Wien gepflegt wird und in dem etwa 1300 offene Sternenhaufen mit einer Entfernung von bis zu 45.000 Lichtjahren gelistet sind. Offene Sternhaufen sind Ansammlungen von etwa zwanzig bis zu einigen tausend Sternen, die sich aus derselben Gaswolke gebildet haben. Zu den bekanntesten offenen Sternenhaufen gehören die Plejaden, die 380 Lichtjahre von uns entfernt sind und sich vor 135 Millionen Jahren, also der Kreidezeit bildeten (Abbildung 1).
Abbildung 1: Der offene Sternenhaufen der Plejaden. Urheber: NASA / Lizenz: gemeinfrei.
Gerade zu Beginn der Entwicklung eines offenen Sternenhaufens gibt es eine Reihe massiver, heller Sterne, die schnell ihren Treibstoff verbrauchen und dann zügig als Supernovae explodieren. Dabei werden sehr viele Protonen und andere Teilchen mit hoher Wucht herausgeschleudert, die die galaktische kosmische Strahlung bilden. Der Strahlungsdruck der Sterne führt dazu, dass die Molekülwolke allmählich zerstreut wird. Das Alter von offenen Sternenhaufen lässt sich bestimmen und damit auch der Zeitpunkt der Supernovae in der Frühphase der Entwicklung der offenen Sternenhaufen. Zusätzlich berücksichtigte Svensmark anhand der Bewegung des Sonnensystems um das Zentrum unserer Milchstraße die Nähe der Erde zu den entsprechenden Supernovae für die verschiedenen Zeiten. Insbesondere in den Spiralarmen unserer Galaxie befinden sich viele offene Sternhaufen. Svensmarks Analyse ergab, dass die Intensität der kosmischen Strahlung gemäß der jeweiligen Supernovae-Aktivität in den vergangenen 500 Millionen Jahren stark schwankte.
Der dänische Wissenschaftler versuchte daraufhin herauszufinden, ob sich Supernovae-reiche Zeiten in den Klimadatenreihen der Erdgeschichte bemerkbar gemacht haben. Laut seiner Hypothese hätte es auf der Erde zu diesen Zeiten jeweils längerfristige wolkenverhangene „kosmische Strahlungs-Winter“ geben müssen. Während solcher Kältephasen wären auch die polaren Eisschilde angewachsen, so dass der Meeresspiegel abrupt abgesunken wäre. Der Physiker zog daher eine globale Meeresspiegelkurve der Geowissenschaftler heran, um die Entwicklung der kosmischen Strahlung mit den Meeresspiegelständen zu vergleichen. Das Ergebnis war eine gute allgemeine Übereinstimmung der wichtigsten Trends, was Svensmarks Hypothese wahrscheinlicher werden ließ (Abbildung 2). Während der letzten 50 Millionen Jahre ist ein übergeordneter Abfall des Meeresspiegels zu erkennen, der den Eisaufbau in der Antarktis widerspiegelt und mit einer Zunahme der kosmischen Strahlung einhergeht.
Abbildung 2: Supernovae-Häufigkeit der letzten 50 Millionen Jahre als Näherung für die kosmische Strahlung (rote Kurve) verglichen mit der Meeresspiegelentwicklung (blaue Kurve, vertikal gespiegelt). Trends zeigen eine allgemeine Übereinstimmung. Abbildung aus Svensmark (2012).
In einem nächsten Schritt verglich Henrik Svensmark die Supernovae-Entwicklung der letzten 450 Millionen Jahre mit der Artenvielfalt wirbelloser Meerestiere. Auch hier konnte der Forscher eine gute Übereinstimmung feststellen. Hierzu mussten jedoch zuvor Meeresspiegeleffekte aus der Artenvielfalt herauskorrigiert werden, da weit geflutete Schelfe mehr Lebensraum mit entsprechender Faunenvielfalt schufen. Svensmark fand einen klaren Zusammenhang: Je höher die Supernovae-Aktivität, desto größer war die Artenvielfalt. Offensichtlich profitierte das Leben von kalten Bedingungen (Abbildung 3). Der Däne erklärt:
“Die Biosphäre scheint den Zustand des Himmels widerzuspiegeln, wobei sich die Evolution des irdischen Lebens die Evolution der Galaxie reflektiert.“
Abbildung 3: Vergleich der Supernovae-Entwicklung als Näherung für die kosmische Strahlung (schwarz) mit der Artenvielfalt wirbelloser Meerestiere (blau). Die Artenvielfalt ist der Meeresspiegeleinfluss abgezogen. Aus Svensmark (2012).
Weiterhin beobachtete Svensmark eine gegenläufige Entwicklung von Supernovae-Tätigkeit und CO2-Gehalt der irdischen Atmosphäre. Je mehr Supernovae – und je kühler – desto niedriger lagen die CO2-Werte. Er vermutet, dass bei kalten Bedingungen die Ozeane besser durchmischt waren, hierdurch vermehrt Nährstoffe bereitgestellt wurden, was wiederum die Bioproduktivität der Pflanzen angeregt hat. Durch verstärkte Photosynthese verbrauchten die Pflanzen dann vermehrt CO2. Während dieser Zeiten stieg im Meerwasser auch der Gehalt von schwerem Kohlenstoff 13C an, da das leichte 12C vermehrt in die üppig sprießenden Meerespflanzen eingebaut wurde. Soweit die Überlegungen von Henrik Svensmark.
Die Studie zeigt erneut, dass es eine Vielzahl von guten Hinweisen auf die klimatische Wirkung von kosmischer Strahlung gibt, denen verstärkt in verschiedenen Forschungsgruppen unvoreingenommen nachgegangen werden sollte.
Siehe auch Pressemitteilung der Royal Astronomical Society und Bericht von Nigel Calder.
Lesetipp: Der klimatische Sonnenverstärkerprozess von Henrik Svensmark wird im Detail in unserem Buch „Die kalte Sonne“ in Kapitel 6 vorgestellt.