Die Sonne im September 2015 und ein Bericht zum Wissensstand vor der Pariser Klimakonferenz

von Fritz Vahrenholt und Frank Bosse
mit herzlichem Dank an Nicholas Lewis für seine Hinweise den Teil „Ein wenig Physik vor Paris“ betreffend

Unser Zentralgestirn war im September für die Verhältnisse des aktuellen Sonnenzyklus (SC) Nummer 24 recht aktiv: Die festgestellte SSN betrug 78,1. Im Mittel aller bisherigen Zyklen ergibt sich  für den Monat eine Zahl von 83,5, somit sahen wir 93% der üblichen Aktivität im vergangenen Monat.

Abb.1: Die Aktivität des Zyklus 24 (rot) im Vergleich zu einem mittleren Zyklus (blau) und zum in der jüngeren Vergangenheit ähnlichen Zyklus 5.

 

Der Vergleich der einzelnen Zyklen untereinander:

Abb.2: Die aufsummierten Abweichungen vom mittleren Zyklus ( blau in Abb.1) der einzelnen Zyklen bis zum aktuellen Monat 82 nach Beginn des SC24 im Dezember 2008.

 

Wir befinden uns nun schon sehr deutlich auf dem absteigenden Teil des Zyklus( vgl. Abb. 1); oft unterschieden sich die Zyklen hier nicht mehr markant voneinander. Die bedeutende negative Anomalie von der mittleren Aktivität produzierte unser Zyklus schon in den ersten 5 Jahren seiner Dauer.

 

Ein wenig Physik vor Paris

Die große Frage, die sich auch vor Paris stellt, ist: Wie wird sich das Klima bis zum Jahre 2100 entwickeln? Was kann und muss von der Politik entschieden werden, damit die Erwärmung in den nächsten 84 Jahren im globalen Mittel nicht 2 Grad seit der vorindustriellen Zeit überschreitet?

Wir haben an dieser Stelle  oft deutlich gemacht, dass die anthropogene Klimabeeinflussung vom tradierten Klimawissenschaftsbetrieb massiv überzeichnet worden sein dürfte. Jedenfalls wurden oft Unsicherheiten bei der anthropogenen Zuweisung von Klimaeffekten wenig beachtet.  Natürliche Einflüsse, wie die Schwankungen der Sonnenaktivität, waren in der Vergangenheit wesentlich und bleiben es auch in der Zukunft. Sie drücken sich nicht nur in der minimalen Änderung der solaren Gesamtstrahlung (TSI) aus. Es ist durch nichts gerechtfertigt, diese Einflüsse – wie es das IPCC tut – auf nahezu Null zu stellen und die Klimaveränderung im 21. Jahrhundert in so großem Maße auf  anthropogene  Einflüsse zurückzuführen ( es gibt „ einen extrem einfachen, quasi linearen Zusammenhang zwischen der globalen Mitteltemperatur und der Gesamtmenge von CO2, die in den nächsten Jahrzehnten in die Umwelt geblasen wird“, Schellnhuber, 2009). In der folgenden Betrachtung lassen wir unsere Zweifel einmal außen vor und rechnen mit den Vorgaben des IPCC.

Wir benutzen hierzu das Zahlenwerk des IPCC AR5 zu den Antrieben des Klimas, die „Forcing-Daten“. In Tabelle 1.2 sind für viele wirkende Einflüsse wie Kohlendioxid, andere Treibhausgase, Landnutzung ect.  die Zahlen des Antriebes in W/m² angegeben. In diesem Jahr erschien eine Arbeit von Björn Stevens dazu, in der er den Aerosol- Antrieb neu bewertete und mit ca. 50% des im o.g. IPCC- Dokument aus dem Jahre 2013 feststellte. Wir berichteten dazu bereits mehrfach, u.a. hier. Die Antriebe wirken additiv und die beobachteten Temperaturen ab dem Jahre 1950 verhalten sich gegenüber den Antrieben (die aktuelle Aerosol-Korrektur ist berücksichtigt) so:

Abb. 3: Die Summe der Antriebe („Forcings“) gegenüber der Temperaturanomalie der Temperaturreihe HadCRUT4 als Maß für die festgestellte globale mittlere Temperatur am Boden (GMST) für die Jahre 1950-2014.

 

Es ist eine mittlere „Übersetzung“ von 0,338°C pro W/m² Antrieb abzulesen mit einer deutlichen Streuung der einzelnen Jahresmittelwerte. Unser Klima variiert eben auch intern, also nicht von den äußeren Antrieben gesteuert. Das wird deutlich, wenn wir uns die einzelnen Jahre ansehen mit ihren Differenzen zum oben eingezeichneten Mittelwert (die „Residuen“):

Abb.4: Die Residuen der einzelnen Jahre, ihre Glättung mit einem 11- Jahres Loess-Filter (blau) und die ebenso geglättete Differenz des Wärmeinhaltes der Ozeane (rot) der beiden Halbkugeln.

 

Die dünnere blaue Linie in Abb.4 zeigen besondere „Events“ des Klimageschehens der letzten 60 Jahre. Markant: die Vulkanauswirkungen (Abkühlungen) 1984,1985 sowie 1992-1994 und der El-Nino 1998 (Anstieg). Die Vulkane zeichnen sich hier als Abweichungen von den Antrieben deshalb so deutlich ab, weil diese Zahlen für die gewünschte Vorschau nicht sinnvoll sind (wir wissen nicht, wann und wie stark ein Vulkan bis 2100 ausbricht). Die wenigen Vulkan-Ereignisse lagen alle vor 1995, sie würden einen Fehler  in die Trends eintragen und sind daher auch aus der Betrachtung der Antriebe der Vergangenheit ausgespart worden. Das ENSO- Geschehen im tropischen Pazifik entzieht sich ebenso der weiteren Vorausschau, es ist eine natürliche interne Variabilität. Glättet man die kürzeren Ereignisse mit einem Tiefpass (dick blau in Abb. 4) ergibt sich ein längerfristiges Muster.

Hinweise über seine Entstehung entnehmen wir einer Arbeit eines Teams um Alexander Ruzmaikin vom Jet Propulsion Laboratory in Pasadena. Sie beschäftigt sich mit der hemisphärischen Variabilität der Strahlung der Erde und stellt fest, dass sich diese u.a. in den Wärmeinhalten der oberen 700m der Ozeane wiederspiegelt. Auch Abb.4 bestätigt dies, die geglätteten Abweichungen vom Trend (dick blau)weisen eine große Ähnlichkeit zur interhemisphärischen Differenz des Wärminhaltes der Weltmeere ( dick rot) auf. Diese hat, so stellt die Arbeit fest in ihrem Bild 7, ihren Ursprung zuvorderst im „atlantischen meridionalen Mode“, man könnte ihn auch kurz AMOC nennen. Hierzu gab es auch an dieser Stelle sehr viele Hinweise, u.a. hier. Wer sich über den aktuellen Fortgang im Atlantik weiter informieren möchte, dem sei dieses Diagramm empfohlen, dort werden unsere Beobachtungen vom Januar 2013 fortgeschrieben.

Zurück zu unserer Frage: Was haben wir vom Klima bis 2100 zu erwarten, wenn wir uns im Gedankengebäude des IPCC bewegen und die seit 2013 hinzugekommenen Erkenntnisse berücksichtigen? Aus Abb.3 ist ein mittlerer Anstieg von 0,338 °C pro 1W/m² Klimaantrieb abzulesen.  Aus Abb. 4 ermitteln wir eine interne Variabilität von ca. 0,2 °C mittelfristig herrührend vom Atlantik und kürzere Ausschläge durch nicht Vorhersagbares von bis zu 0,3°C in einzelnen Jahren. Der Anstieg in Abb.3 kommt, auch hier dem IPCC folgend,  fast ausschließlich durch den Antrieb durch CO2. Aus der Literatur  ist auch ableitbar, dass andere Antriebe durch weitere Treibhausgase wie Methan, die Sonne usw.  wohl im Bereich von 1 W/m² in Summe bleiben werden. Das IPCC erstellte Szenarien des Strahlungsantriebes bis 2100 und bis auf eine unrealistisch hohe Projektion ( RCP 8.5) setzt man auch da eine mehr oder weniger Solo-Wachstumsrolle durch die Steigerung von CO2 voraus.  Nun haben wir alles beisammen um eine Vorhersage zu treffen.

Eine Steigerung um 2 Grad in 2100 zum vorindustriellen Niveau könnte ca. 0,15 °C enthalten, die eine bereits erfolgte Erwärmung der Meere nach sich zog („Wärme in der Pipeline“ herrührend von  der einsetzenden Wirkung der verminderten Wärmeaufnahmefähigkeit der oberen 700m der Ozeane durch ihre bereits erfolgte Erwärmung). Die Erreichung des 2 °Ziels setzt auch voraus, dass die globale Mitteltemperatur um diesen Wert von 1,9 bis 2,1 schwanken kann aufgrund der natürlichen Variabilität (vgl. Abb.4)  Daher setzen wir nur 1,75 °C (nämlich 1,9-0,15°C) an, die im Modell des IPCC durch weiteren CO2- Antrieb entstehen dürften. Der Antrieb beträgt dann 1,75/0,34=5,15W/m². 1W/m² sollten wir für die  übrigen Antriebe außer CO2 reservieren, es verbleiben 4,15 W/m² für Kohlendioxid.

Man kann dieses Forcing zurückrechnen auf den CO2- Gehalt der Atmosphäre: ca. 600 ppm wäre der Grenzwert, der zugelassen ist, wenn wir das 2-Grad- Ziel einhalten wollen. Das bedeutet eine Verdopplung des CO2- Anteils gegenüber 1900 . Von heute an verbleiben uns damit für die restlichen 84 Jahre 200 ppm oder 2,4ppm/ Jahr Wachstum. In den letzten 85 Jahren stieg der CO2- Gehalt um ca. 93 ppm . Die aktuelle mittlere Steigerungsrate seit 2000 liegt recht genau bei  2 ppm. ( vgl. NOAA).

Wir müssten es allerdings in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts schaffen, die jährliche Zuwachsrate des CO2 langsam auf null in 2100  zurückzuführen und das 2°C Ziel würde eingehalten. Das ist ohne weiteres  erreichbar. Nur sollten die 600ppm in 2100 nicht mehr überschritten werden. Ebenso wäre ein Wachstum des Antriebes beispielweise durch andere Treibhausgase über die Grenze von 1W/m² hinaus kontraproduktiv.  Zu diesem Ergebnis  kommt auch eine aktuelle Arbeit eines Teams um Yoichi Kaya vom „Forschungsinstitut für Innovative Technologie der Erde“ aus Kyoto. Aus der  Zusammenfassung:

„This implies that 2 C target would still be a feasible target.”

Die Aussagen beziehen sich auf ein ganz schönes Stück Zukunft. Wir setzen in unserer Ableitung, ebenso wie der Mainstream der Klimawissenschaft voraus, dass das Klimasystem sich linear verhält, also auf Änderungen des Antriebes proportional mit Temperaturänderungen antwortet. Dies ist eher unwahrscheinlich.  So berichteten wir erst unlängst über eine Arbeit die einen Mechanismus zur „Regelung“ der Temperaturen ( vor allem in den Tropen und Subtropen) beschreibt. Es ist auch in keiner Weise gesichert, dass die Antriebsdaten von 2013 (AR5) in einigen Jahren Bestand haben werden. Aber irgendwo wollen und müssen wir anfangen, die größten Fragezeichen zu bearbeiten.

Das Fazit könnte lauten: Auch bei Kohlendioxidsteigerungen in der Größenordnung der gegenwärtigen für die nächsten ca. 30 Jahre und einem folgenden allmählichem Rückgang der Zuwächse wird selbst mit den Annahmen des IPCC das 2°C-Kind  nicht in den Brunnen fallen. Der weitere technologische Fortschritt bis 2100 (!) (vor 85 Jahren, um 1930, waren weder auch nur in Ansätzen die Computertechnologie  noch moderne energiesparende Arbeitsmaschinen noch Energieproduktion mit den heutigen Wirkungsgraden bekannt) sowie die Knappheit der Ressourcen werden  ihren Beitrag leisten, die Atmosphäre der Erde unter 600ppm CO2-Anteil zu halten und sie nicht  übermäßig zu erwärmen, ohne uns in Paris oder anderswo auf ein wirtschaftliches Kamikaze-Programm einzulassen.