Von Frank Bosse und Fritz Vahrenholt
Unser zentraler „Fusionsreaktor“ bleibt sich treu in diesem Solaren Zyklus (SolarCycle: „SC“) Nummer 24 seit Beginn der systematischen Beobachtungen im Jahre 1749: Auch im Mai war die Flecken-Aktivität unternormal. Die festgestellte SSN (SunSpotNumber) betrug 58,8. Im Mittel aller Zyklen ist jedoch im aktuellen 78. Zyklusmonat eine SSN von 79 zu erwarten gewesen. So sahen wir ca. 75% der üblichen Aktivität im vergangenen Monat.
Abb.1: Der aktuelle Zyklus 24 (Start im Dezember 2008, rot) im Vergleich zu einem mittleren Zyklus (blau) und zum SC5 (schwarz).
Herausragende Sonnenflaute
In Abb.1 wechselten wir den Vergleichszyklus, im Vormonat war es noch der SC7. Das hat einen Grund: Im Bild ist ersichtlich, dass unser Zyklus 24 in nicht einem Monat seit Zyklusbeginn eine SSN über dem Mittelwert (blau) erreichte. In den 78 Monaten seit Beginn war sie stets unternormal und eine solche Beobachtung gibt es für keinen vergangenen Zyklus. Die geringe Sonnenaktivität seit Dezember 2008 ist damit in ihrer Konstanz einmalig über die Dauer der Aufzeichnungen! Selbst in den Maxima der Aktivität (im Oktober 2011 für die Nordhemisphäre und im Februar 2014 für die Südhemisphäre der Sonne) blieb sie knapp unter der Mittelwertschwelle. Zusammen mit dem verspäteten Beginn des Zyklus haben wir nun 10 Jahre eine rekordruhige Sonne.
Abb.2: Die aufsummierten monatlichen Anomalien aller Zyklen
Im Vergleich der Zyklen untereinander in Abb.2 belegt unser Zyklus bis jetzt den 4. Platz von hinten. Das „Stockerl“ ist aber gut erreichbar, denn der SC 7 hatte im letzten Zyklusdrittel recht hohe SSN- Werte und damit stehen die Chancen gut, dass die Gesamtaktivität im SC24 niedriger ist als im letzten Zyklus des Dalton- Minimums.
Atlantikwellen…
…sind recht hoch und sehr lang wenn es nicht gerade stürmt. Davon und von deren Wirkung auf andere nicht sehr seefeste Zeitgenossen konnte sich der Mitautor Anfang Mai beim Segeln eines 14 m langen Bootes vor der portugiesischen Küste überzeugen. Aber der Atlantik warf im vergangenen Monat auch andere Wellen. Ein Wissenschaftlerteam um Gerard D. McCarthy von der Universität Southampton ging auf die Suche nach der internen Variabilität des Nordatlantiks. http://www.nature.com/nature/journal/v521/n7553/full/nature14491.html Sie wurden fündig und fanden heraus, dass sich die Atlantische Multidekadische Oszillation (AMO) nicht nur in einem Auf und Ab der Meeresoberflächentemperaturen (SST) des nördlichen extratropischen Atlantiks niederschlägt sondern dieser Temperaturvariation eine Änderung der Meereshöhe (SSH) an der Ostküste der USA um 2 Jahre voreilt. Das Muster stellt sich so dar:
Abb.3: Die „Zirkulationsreihe“ in blau. Die SSH-Variation wird in der Arbeit ermittelt durch den Vergleich der Meereshöhen südlich und nördlich von Cape Hatteras. Die AMO in schwarz. Quelle: Bild 3 der zitierten Arbeit.
Die relativ langen Zeitreihen der Tidenmessungen an der Ostküste sind damit ein Proxy ( ein Stellvertreter) für den Wärmeinhalt (OHC) des nördlichen Atlantiks. Seine direkte Messung gibt es erst seit 1950 mit großen Unsicherheiten, ab 2004 und der Plazierung von tauchenden Messbojen (ARGO und das RAPID- Netzwerk) dann recht genau.
Was hat diese Arbeit für Auswirkungen? Zunächst ist die Existenz der AMO untermauert und zwar nicht nur so wie sie vormals definiert wurde: als Variation der Meeresoberflächentemperatur (SST). Es ist gesichert, dass es sich um ein großflächiges Zirkulationsmuster der Wassermassen des Nordatlantiks handelt. Es handelt sich um eine eigenständige interne Variabilität unseres Klimas und nicht nur um ein Abbild der globalen Temperaturen.
Schon im Januar 2013 wiesen wir an dieser Stelle auf den seit etwa 2007 sinkenden OHC des Nordatlantiks hin und die Messreihe wird seitdem auch weitergeführt:
Abb. 4: Der OHC des Extratropischen Nordatlantiks seit 1979, Quelle: Climate4you
In der Arbeit und der dazugehörigen Presserklärung wird auch erklärt, dass das gegenwärtige Sinken des OHC einen kühleren Nordatlantik für sehr wahrscheinlich mehr als 10 Jahre ankündigt. Die Auswirkungen der AMO auf die Temperaturen der Nordhalbkugel waren in der Vergangenheit gravierend, wie dieser Vergleich zeigt:
Abb. 5: Die AMO (grün) im Vergleich zu den Temperaturänderungen der Nordhemisphäre der Erde (rot)
Wenn die AMO als interne Variabilität existiert, wie es die besprochene Arbeit zeigt, dann könnte das implizieren, dass von der Erwärmung der Nordhalbkugel seit 1975 ca. 0,5 Grad Celsius auf deren Kappe geht und nur die restlichen 0,5 Grad Celsius an Erwärmung durch die Wirkung von Treibhausgasen und anderen Einflüssen wie der schwankenden solaren Aktivität entstanden ist. Für die Einschätzung der Empfindlichkeit unseres Klimas gegenüber Treibhausgasen hat dies recht weitreichende Folgen: Konnte man bisher nicht völlig ausschließen, dass der Rückgang der Temperaturen von 1945-1975 auf der Wirkung von Aerolsolen beruhte so wird dies zumindest unwahrscheinlicher, viel mehr deutet schlicht auf die abnehmende AMO in dieser Zeit (vgl. Abb.3). Wenn jedoch Aerosole weniger kühlend wirken als angenommen, dann muss die Empfindlichkeit des Klimasystems gegenüber Treibhausgasen geringer sein als mit dieser Wirkung. Seit 1975 also nicht 0,26 Grad C / Dekade Steigerung sondern nur allenfalls 0,13 auf der Nordhalbkugel, ziemlich identisch zu dem Wert der Südhalbkugel. Wir sprachen hier schon sehr oft von dieser 50:50 Größenordnung… und werden ein weiteres Mal bestätigt.