Im Dezember 2012 überraschte das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) mit einer schrägen Logik. In einer Pressemitteilung titelte das PIK:
Mehr Eisverlust durch Schneefall in der Antarktis
Das machte nun wirklich überhaupt keinen Sinn. Der Presse wars egal, sie übernahm die Geschichte trotzdem unreflektiert und verbreitete die bizarre Nachricht im ganzen Land. Wir hingegen machten uns hier im Blog große Sorgen: Denkt hier denn überhaupt niemand mehr mit? Siehe unseren damaligen Beitrag „Neue PIK-Logik aus Potsdam: Viel Schnee lässt Gletscher schmelzen (und wenn man viel isst, wird man dünn)„.
Irgendwer muss den Potdamern dann schließlich doch erklärt haben, dass dies ganz großer Murks war. Am 17. März 2015 versuchte das PIK einen neuen Anlauf und räumte in einer neuen Pressemitteilung indirekt ein, dass man sich wohl geirrt hatte. Die neue mediale Linie hieß nun plötzlich: Mehr Eiszuwachs durch Schneefall in der Antarktis. Das schrieb man natürlich tunlichst nicht in die Überschrift, das wäre womöglich noch dem ein oder anderen aufgefallen. Aber im Hauptteil der PIK-Pressemitteilung ließ es sich dann doch nicht vermeiden:
Klimawandel: Mehr Schnee in der Antarktis
Auch wenn es verblüffen mag: Steigende Temperaturen werden der Antarktis mehr Schnee bringen. Jedes Grad regionaler Erwärmung könnte den Schneefall auf dem Eiskontinent um etwa fünf Prozent zunehmen lassen, wie jetzt ein internationales Wissenschaftlerteam unter der Leitung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung zeigt. Ihre Abschätzung beruht auf Daten aus Eisbohrkernen und auf physikalischen Gesetzen, die in globalen und regionalen Klimasimulationen abgebildet werden; veröffentlicht wird die Studie im Fachjournal Nature Climate Change. Die Ergebnisse liefern ein wichtiges neues Puzzlestück bei der Abschätzung des Beitrags der Antarktis zum künftigen Meeresspiegelanstieg. […] „Der sich auftürmende Schnee ist schwer und übt entsprechend viel Druck auf das darunter liegende Eis aus“, erklärt Ko-Autorin Ricarda Winkelmann. „Je höher Eis und Schnee sich auftürmen, desto höher ist auch der Druck. Weil zusätzlicher Schnee das auf dem Boden der Antarktis aufliegende Eis stärker erhöht als die schwimmenden Eisschelfe am Rande des Kontinents, fließt das Eis schneller in Richtung Küste – und trägt dadurch zum Anstieg des Meeresspiegels bei.“ Berücksichtigt man diesen Effekt, könnten fünf Prozent mehr Schneefall den Meeresspiegel über 100 Jahre rechnerisch um etwa drei Zentimeter absinken lassen. […]
Kurz gesagt: Die Antarktis trägt in einer sich erwärmenden Welt nicht etwa zum Meeresspiegelanstieg bei, wie man lange gedacht hatte, sondern wirkt dem Anstieg sogar dämpfend entgegen. Von „mehr Eisverlust durch mehr Schneefall“ konnte nun plötzlich keine Rede mehr sein. Da an der Studie auch Forscher der Oregon State University in Corvallis beteiligt waren, gab auch die US-amerikanische Hochschule eine Pressemitteilung heraus. Dort machte man sich weniger Mühe, die Ergebnisse politisch-korrekt einzupacken. Mehr Schneefall in der Antarktis gleicht einen Teil des Meeresspiegelanstiegs aus anderen Quellen aus. Warum kann das PIK nicht so deutlich formulieren? In der Pressemitteilung der Oregon State University vom 16. März 2015 heißt es:
Study: Past warming increased snowfall on Antarctica, affecting global sea level
A new study confirms that snowfall in Antarctica will increase significantly as the planet warms, offsetting future sea level rise from other sources – but the effect will not be nearly as strong as many scientists previously anticipated because of other, physical processes. […] Clark and his colleagues looked to the past to examine ice core data to see what they could learn about the future. They found that ice cores taken from the Antarctic Ice Sheet captured snow accumulation over time – and they could match that accumulation with established temperature data. They focused on a period from 21,000 years ago to 10,000 years ago – when the Earth gradually came out of the last ice age. What they found was that Antarctica warmed an average of 5 to 10 degrees (Celsius) during that period – and for every degree of warming, there was a 5 percent increase in snowfall.Weiterlesen auf oregonstate.edu.