In unserem Buch „Die kalte Sonne“ wunderten wir uns sehr über die stark kühlende Wirkung, die in den Klimamodellen den Aerosolen zugemessen wird. Aerosole sind kleine Staubteilchen und Tröpfchen, die das einfallende Licht der Sonne zerstreuen und damit die Erde in der Regel kühlen. Aber um wieviel? In Kapitel 5 unseres Buches schrieben wir:
Die abkühlende Wirkung arbeitet nach IPCC-Angaben mit zwei Dritteln der Kraft des CO2 entgegen. Nach Ansicht des IPCC reduzieren Aerosole die von allen Treibhausgasen zusammen generierte Erwärmung um 45 Prozent. Aber die Unsicherheit ist groß, es könnten auch nur 15 Prozent sein oder 85 Prozent, denn man habe halt nur „ein mittleres bis kleines Niveau des wissenschaftlichen Verständnis“ der Zusammenhänge.
Die Wenigsten wissen: Die Klimamodelle erzeugen viel mehr Erwärmung als wir in der Wirklichkeit der letzten 100 Jahre gemessen haben. Die IPCC-Strategie: Die überschüssige Wärme wird einfach mit Aerosolen heruntergekühlt, bis es wieder „passt“. Der abkühlende Aerosol-Joker wird also dringend gebraucht, um die hohe CO2-Klimasensitivität beizubehalten.
Im März 2015 kam nun jedoch Bewegung in die Aerosol-Diskussion. Einer der Autoren des jüngsten IPCC-Berichts hat nun erklärt, die Unsicherheitsspanne der klimatischen Aerosol-Wirkung habe sich durch neue Forschungsresultate stark verringert, und es spräche mittlerweile viel dafür, dass man das Kühlpotential der Schwebteilchen wohl in der Vergangenheit deutlich überschätzt habe. Der wahre Kühlwert befände sich am unteren Rand der bislang vom IPCC angenommenen Bandbreite.
Die wichtigen und mutigen Aussagen stammen von Bjorn Stevens, einem der drei Direktoren des Hamburger Max-Planck-Instituts für Meteorologie (MPIM). Das entsprechende Paper erschien im Journal of Climate. Im Folgenden die Kurzfassung der Arbeit:
Rethinking the lower bound on aerosol radiative forcing
Based on research showing that in the case of a strong aerosol forcing, this forcing establishes itself early in the historical record, a simple model is constructed to explore the implications of a strongly negative aerosol forcing on the early (pre 1950) part of the instrumental record. This model, which contains terms representing both aerosol-radiation and aerosol-cloud interactions well represents the known time history of aerosol radiative forcing, as well as the effect of the natural state on the strength of aerosol forcing. Model parameters, randomly drawn to represent uncertainty in understanding, demonstrates that a forcing more negative than −1.0 W m−2 is implausible, as it implies that none of the approximately 0.3 K temperature rise between 1850 and 1950 can be attributed to northern-hemispheric forcing. The individual terms of the model are interpreted in light of comprehensive modeling, constraints from observations, and physical understanding, to provide further support for the less negative ( −1.0 W m−2 ) lower bound. These findings suggest that aerosol radiative forcing is less negative and more certain than is commonly believed.
Man sollte generell mit dem Begriff „sensationell“ sparsam umgehen. Aber diese Arbeit passt durchaus in diese Kategorie. Überraschenderweise blieb die deutsche Presse mucksmäuschenstill. Eine Google News-Suche ergab keinen einzigen Artikel zur Studie. Ungeliebte Neuigkeiten, die man lieber nicht in der Öffentlichkeit weiter verbreitet?
In der Fachwelt erkannte man die Bedeutung der Veröffentlichung sofort. Nic Lewis erläuterte in einer am 19. März 2015 auf Steve McIntyres Climate Audit und Judith Currys Climate Etc. erschienenen Analyse des Papers die weitreichenden Implikationen: Auch die CO2-Klimasensitivität lässt sich entsprechend weiter eingrenzen und liegt höchstwahrscheinlich ebenfalls im unteren Bereich der vom IPCC angegebenen Spanne. Lewis Berechnungen unter Verwendung der neuen Stevens-Werte ergaben einen wahrscheinlichsten Mittelwert für die CO2-Klimasensitivität (und zwar die langfristige „ECS“) von 1,45°C Erwärmung pro CO2-Verdopplung. Die von Lewis vorgeschlagene neue Gesamtspanne reicht von 0,9 bis 1,65°C pro CO2-Verdopplung. Dies liegt weit unterhalb der vom IPCC im letzten Klimabericht präsentierten Spanne von 1,5 bis 4,5°C pro CO2-Verdopplung.
Abbildung 1: Wertespanne der CO2-Klimasensitivität laut Berechnungen von Nic Lewis unter Verwendung der neuen Stevens 2015-Werte. Quelle.
Bjorn Stevens war sich durchaus bewusst, was für eine Lawine er lostreten würde. Aber es ist ihm hoch anzurechnen, dass er seine Position zur Aerosol-Kühlung nun dennoch klar abgesteckt hat. Es wird ein wenig dauern, bis seine IPCC-Kollegen diesen Brocken verdaut haben werden und die neuen Erkenntnisse in ihre Modellierungsarbeiten einfließen lassen können. Bis dahin soll offenbar jeder Mediensturm vermieden werden. Das MPIM hat daher offenbar bewusst keine Pressemitteilung anlässlich der Veröffentlichung verfasst. Als dann in den englischsprachigen Medien die logische Schlussfolgerung der Arbeit diskutiert wurde, sah man sich in Hamburg dann doch genötigt eine Erklärung abzugegeben. Am 2. April 2015 teilte Stevens per Erklärung mit, seine Arbeit würde nur von den Aerosolen handeln und er wäre nicht für Spekulationen hinsichtlich der CO2-Klimasensitivität zu haben. Damit erkaufte er sich zunächst etwas öffentlichen Frieden. Der Konsequenz des Papers wird die Fachwelt mittel- bis langfristig jedoch nicht ausweichen können. Zu gerne wäre man jetzt Mäuschen in den Planungsetagen der Institute: Wie sag ich’s meinem Kinde?
Siehe weitere Artikel zum Stevens-Paper auf mrc TV, Breitbart, Bishop Hill, Daily Caller.